Hochintensiver fokussierter Ultraschall (HIFU)

Beim hochintensiven fokussierten Ultraschall (High-Intensity-Focused-Ultrasound (HIFU)) handelt es sich um ein therapeutisches Verfahren der Uro-Onkologie, welches unter anderem in der Behandlung des Prostatakarzinoms eingesetzt werden kann. Die Anwendung des hochintensiven fokussierten Ultraschalls ermöglicht die gezielte Zerstörung von Gewebe aus der Distanz unter Echtzeitkontrolle durch Nutzung der MRT (Magnetresonanztomographie). In den vergangenen Jahren nahm die Zahl der Studien zur Anwendung der HIFU zur Behandlung eines Prostatakarzinoms zu, sodass eine Beurteilung von Nutzen und Risiko des Verfahrens möglich wird. Der Einsatz des hochintensiven fokussierten Ultraschalls erfolgt seit dem Jahr 1996 in Deutschland.

Das Verfahren gilt gemäß S3-Leitlinie beim lokal begrenzten Prostatakarzinom als ein experimentelles Verfahren [8].

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Alter über 60 Jahre − der Einsatz des hochintensiven fokussierten Ultraschalls sollte nur bei Patienten eingesetzt werden, die älter als 60 Jahre sind und die operative Entfernung der Prostata beispielsweise aufgrund eines reduzierten Allgemeinzustandes nicht indiziert wäre.
  • Kontraindikationen (Gegenanzeigen) für eine radikale Prostatektomie (operative Entfernung von Prostata mit Kapsel, den Endstücken der Samenleiter, den Samenblasen und den regionalen Lymphknoten) – Alter, Begleiterkrankungen etc.
  • Lokal begrenzter Tumor − aktuell erfolgt die Anwendung des Verfahrens nur bei einem Prostatakarzinom mit dem Ausdehnungsgrad T1 oder T2 des Primärtumors. Das Tumorstadium T1 ist dadurch gekennzeichnet, dass der Tumor nicht manuell tastbar ist und somit nur im Rahmen einer Biopsie entdeckt werden kann. Im Tumorstadium T2 liegt eine Tumorausbreitung innerhalb der Prostatakapsel vor.
    Die Behandlung von Prostatakarzinomen mit einem höheren Ausdehnungsgrad ist gegebenenfalls möglich, jedoch nicht standardmäßig als Indikation aufgeführt.
  • Gleason-Score ≤ 7 − der Gleason-Score (s. a. unter Klassifikation des Prostatakarzinoms) dient der histologischen (feingeweblichen) Beurteilung eines Prostatakarzinoms, wobei das Material für die Untersuchung durch eine Stanzbiopsie aus der Prostata entnommen wird.
    Der Gleason-Score selbst stellt einen wichtigen Prognosefaktor beim Prostatakarzinom dar. Bei einem Gleason-Score unterhalb von 7 liegt ein gut beziehungsweise mittelgradig differenzierter Tumor vor. Tumoren mit einem höheren Gleason-Score haben eine Tendenz zu einem schnelleren und aggressiveren Wachstum.
  • PSA-Wert < 20 ng/ml (besser: < 15 ng/ml)
  • Definierte Prostatagröße − mithilfe der Sonographie wird der AP-Durchmesser der Prostata (Prostata-AP-Durchmesser) bestimmt, wobei dieser Durchmesser mit 2,5 cm zur Indikationsstellung begrenzt ist. Des Weiteren ist das Prostatavolumen (TRUS) für die Durchführung des Eingriffs auf 30 cm³ begrenzt (weil sonst nicht die ventralen (bauchseitigen) Prostatabereiche mit der HIFU-Therapie erreicht werden). Es besteht jedoch die Möglichkeit, unter anderem durch Hormonbehandlung, eine Reduktion der Prostatagröße zu erreichen.

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Prostatavolumen ≥  30 cm³
  • im Ultraschall sichtbare Verkalkungen des Prostatagewebes. Diese können zu irregulären Reflexzonen des Ultraschallstrahls führen (mit unberechenbaren Nebenwirkungen wie beispielsweise Fistelbildung im Rektumbereich/Mastdarm)
  • beim Zustand nach einer Fistel im Behandlungsareal
  • Patienten mit fehlendem Enddarm oder einer aktiven entzündlichen Darmerkrankung
  • Patienten mit Tumorinfiltration in das Rektum (Mastdarm) durch das Prostatakarzinom

Hinweis!
Die Behandlung eines Prostatakarzinoms mittels der HIFU-Methode ist bislang nicht durch die S-3-Leitlinie zur Therapie des Prostatakarzinoms abgedeckt.

Vor der Therapie

  • Diagnostik und Anamnese − zur Behandlung der Prostatakarzinoms muss zunächst der vorliegende Tumor beurteilt werden. In Abhängigkeit verschiedener Parameter wie dem Tumorstadium, aber auch eines möglichen systemischen Befalls (Tumorzellen schwemmen aus und bilden Metastasen) – z. B. ossäre Metastasen (Knochenmetastasen) – muss die Therapie an den vorliegenden Befund (Stadieneinteilung nach der TNM-Klassifikation) angepasst werden.
  • Spinalanästhesie − der HIFU wird unter Spinalanästhesie (Verabreichung eines Narkosemedikaments in den Hirnwasserraum) durchgeführt, wobei der Patient in Rechtsseitenlage gelagert wird.

Das Verfahren

Der hochintensive und hochenergetische fokussierte Ultraschall bewirkt eine lokale Gewebezerstörung. Dadurch erfolgt eine Veränderung der biologischen Struktur der Zelle. Der Effekt auf die Zielzelle ist bedingt durch mechanische, thermische und Kavitationseffekte (Bildung von Hohlräumen). Durch die Temperaturerhöhung im Zielgewebe können Nekrosen (Gewebsuntergang) entstehen, die einen irreversiblen (nicht wiederherstellbaren) Gewebeschaden darstellen.

Die Anwendung des hochintensiven fokussierten Ultraschalls führt neben der erkennbaren Gewebezerstörung zu einer signifikanten Reduktion des PSA-Wertes (Prostata-spezifisches Antigen) im ersten Jahr nach der Behandlung. Für die Beurteilung des Langzeit-PSA-Wertes fehlen jedoch Folgestudien.
Der Effekt des Ultraschalls auf die Zielzellen (Tumorzellen) konnte in Studien nachgewiesen werden. Bei allen Patienten konnte in der histologischen Untersuchung der Prostatagewebeproben eine vollständige Nekrotisierung des Zielgewebes festgestellt werden.

Durchführung des hochintensiven fokussierten Ultraschalls zur Behandlung des lokalen Prostatakarzinoms

Nach erfolgter Anästhesie wird mittels transrektalen Ultraschall der Prostata (TRUS) ein Prostataquer- und -längsschnitt erstellt. Anschließend wird der Blasenhals als Behandlungsendpunkt festgelegt. Nach Definition eines Sicherheitsabstandes von 3-6 mm zwischen der rektalen Mukosa (Schleimhautschicht) und dem hinteren Anteil der Prostatakapsel wird das Gewebe im festgelegten Behandlungsareal durch den hochintensiven fokussierten Ultraschall zerstört.

Für die Durchführung des Verfahrens wurden bisher zwei HIFU-Geräte entwickelt und eingesetzt. Das Ablatherm® stellt einen Behandlungstisch mit integrierter HIFU-Technologie dar, mit dem sowohl eine HIFU-Therapie erfolgen als auch eine Ultraschalldiagnostik durchgeführt werden kann. Durch die Messung verschiedener Parameter wie der Rektaltemperatur und dem automatischen Abgleich mit dem erstellten Therapieplanungsmodell ist neben einer hohen therapeutischen Effektivität auch eine geringe Fehlerrate gewährleistet. Auch das Sonablate® kann zur Durchführung des HIFU eingesetzt werden und besteht unter anderem aus einem Technikmodul und einem Kühlmodul.

Überlebensraten bei Anwendung des hochintensiven fokussierten Ultraschalls

In ersten Studien konnte gezeigt werden, dass bei einem lokalisierten Prostatakarzinom und fehlender Eignung für eine radikale Prostatektomie die 5-Jahres-Überlebensrate bei einem Gleason-Score von 2-6 von 76,9 % auf 85,4 % durch die Anwendung des hochintensiven fokussierten Ultraschalls erhöht werden konnte [5].

In einer weltweit größten Multicenterstudie mit hochintensivem fokussiertem Ultraschall (HIFU) bei Patienten (n = 625) mit nicht-metastasiertem Prostatakarzinom und einem Gleason-Score von 6 bis 9 bis zum Stadium T1c-3bN0M0, bei denen das Prostata-spezifische Antigen (PSA) nicht auf mehr als 30 ng/ml angestiegen sein durfte, kam es nach fünf Jahren nur selten zu Rezidiven und die meisten Patienten blieben von einer erektilen Dysfunktion (ED; Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): 15 %) und Harninkontinenz (98 Prozent aller Patienten nach der Operation ohne Einlagen aus) verschont [9].

Zur Beurteilung des Behandlungserfolges müssen drei Parameter betrachtet werden:

  • Histologische Kontrolle − mithilfe einer Biopsie wird eine Gewebeprobe aus der Prostata entnommen, sodass das Vorhandensein eines Tumors innerhalb der Prostata ausgeschlossen werden kann.
  • PSA-Wert − anhand des im Blut des Patienten ermittelten PSA-Werts lassen sich Aussagen für die Nachbehandlung des Tumors machen.
  • Knochenszintigramm − mithilfe der szintigraphischen Darstellung des Skelettsystems kann festgestellt werden, inwieweit sich der Primärtumor im Skelettsystem Metastasen gebildet hat. Bei einer systemischen Tumortherapie mit zusätzlichen therapeutischen Maßnahmen im Rahmen einer Chemotherapie lässt sich auch eine Rückbildung der Metastasen mit dem Knochenszintigramm darstellen.

Vor- und Nachteile des hochintensiven fokussierten Ultraschalls gegenüber der radikalen Prostatektomie

Vorteile

  • Der hochintensive fokussierte Ultraschall (HIFU) stellt ein Verfahren dar, welches im Vergleich zur radikalen Prostatektomie (radikalen Entfernung der Prostata) passable Heilungsraten erreicht, jedoch deutlich nebenwirkungsärmer und komplikationsärmer ist, da unter anderem kein Operationsrisiko besteht und auf eine Vollnarkose verzichtet werden kann.
    Die Heilungsraten sind stark abhängig vom Ausgangsstadium der Erkrankung. Unter Berücksichtigung der oben genannten Indikationen ist die Wahrscheinlichkeit einer 5-Jahresfreiheit von einem biochemischen Rezidiv (Wiederauftreten der Erkrankung) mit
    etwa 40-60 % anzusetzen.
  • Der Einsatz des hochintensiven fokussierten Ultraschalls hält weiterhin die Möglichkeit offen, ein zusätzliches therapeutisches Verfahren einzusetzen. 
  • Die Option der vorherigen lokalen Abtragung des Prostatakarzinoms (transurethralen Resektion der Prostata, TUR; TUR-P; auch Debulking-Tur-P genannt – bedarf ca. 5 Tage stationären Aufenthalt – danach, in einem Intervall von 4-6 Wochen wird die HIFU-Therapie durchgeführt) wegen zu großer Prostata (  30 cm³) stellt neben der Therapie der organbegrenzten Erkrankung eine zusätzliche Indikation für die Anwendung des Ultraschallverfahrens dar. Diese betreffen lokale Rezidive (Wiederauftreten des Tumors) nach Radiatio (Strahlentherapie) oder frühzeitiger Hormonablation (medikamentöse Kastration, 10 %) und die zusätzliche lokale Reduzierung der Tumormasse in Kombination mit hormoneller Ablation (10 %). Die Anwendung des Verfahrens ermöglicht sowohl eine kurative (Heilung als Ziel) als auch eine palliative (Linderung) Zielsetzung [3].

Nachteile

  • Der hochintensive fokussierte Ultraschall (HIFU) stellt ein Verfahren dar, welches im Vergleich zur radikalen Prostatektomie passable Heilungsraten erreicht, jedoch deutlich nebenwirkungsärmer und komplikationsärmer ist, da unter anderem kein Operationsrisiko besteht und auf eine Vollnarkose verzichtet werden kann.
    Die Heilungsraten sind stark abhängig vom Ausgangsstadium der Erkrankung. Unter Berücksichtigung der oben genannten Indikationen ist die Wahrscheinlichkeit einer 5-Jahresfreiheit von einem biochemischen Rezidiv mit
    etwa 40-60 % anzusetzen.
  • Es ist bisher relativ unklar, inwieweit der hochintensive fokussierte Ultraschall die Verträglichkeit weiterer folgender therapeutischer Verfahren beeinflussen kann. Eine Kombination mit einer Strahlentherapie könnte gegebenenfalls zu einer höheren Rate von Harnleiterstenosen (Verengungen) führen. Zur präzisen Beurteilung fehlen jedoch Folgeuntersuchungen zur langfristigen Beurteilung aller Komplikationen.
  • Durch die Nekrotisierung (Absterben) des Prostatagewebes kann eine Folgeoperation möglicherweise erschwert werden, wodurch auch eine Steigerung der Komplikationsrate möglich wäre.

Nach der Therapie

Das therapeutische Verfahren stellt keine schwerwiegende Belastung des Körpers dar, sodass keine Maßnahmen nach der Therapie notwendig sind. Der Erfolg muss jedoch mithilfe verschiedener diagnostischer Methoden zu mehreren Zeitpunkten evaluiert werden.

Mögliche Komplikationen

  • Harnwegsinfekte (HWI) − im Rahmen des hochintensiven fokussierten Ultraschalls können Infektionen insbesondere der unteren Harnwege auftreten. Der Harnwegsinfekt stellt die häufigste Komplikation bei der HIFU dar (8-50 %) [3].
  • Epididymitis (Entzündung des Nebenhodens) (selten) – meist durch eine aszendierende (aufsteigende) Blasen- oder Prostatainfektion
  • Blasenhalsstenose (ca. 20 %) – als Blasenhalsstenose wird die Unfähigkeit des unwillkürlichen (inneren) Blasenschließmuskels bezeichnet; Symptome der Blasenhalsstenose sind die "Verstopfung des Blasenhalses", die zum erschwerten Wasserlassen führt.
  • Blasenhalssklerosen (ca. 2-3 %) – diese machen z. T. eine operative Blasenhalsinzision erforderlich
  • Belastungsinkontinenz (früher: Stressinkontinenz) − das Auftreten einer Belastungsinkontinenz ist eine nicht zu vernachlässigende Komplikation des Verfahrens, die in 1-24 % der Fälle auftreten kann [3].
  • Rektumrötung − diese Komplikation tritt in Abhängigkeit von der Erfahrung des behandelnden Arztes selten auf (1-15 %) [3].
  • Fistel − bei einer Fistel handelt es sich um eine nicht natürlich vorkommende Verbindung zwischen einem Hohlorgan und einem anderen Organ oder einer Organoberfläche. Das Auftreten einer Fistel ist jedoch sehr selten (0,1-3 %) [3].
  • Erektile Dysfunktion (ED; Erektionsstörungen) – diese werden im Sinne der Minderung der Erektionsfähigkeit mit bis zu 50 % der Fälle angegeben

Literatur

  1. Thüroff S, Chaussy C: HIFU in der Uro-Onkologie. Urologe. 2008.47:431-440
  2. Poissonnier L, Chapelon JY, Rouvière O, Curiel L, Bouvier R, Martin X, Dubernard JM, Gelet A: Control of Prostate Cancer by Transrectal HIFU in 227 Patients.
    European Urology. 2007. 51:381-387
  3. Thüroff S, Chaussy C: Therapie des lokalen Prostatakarzinoms mit hoch intensivem fokussiertem Ultraschall (HIFU). Urologe. 2001.40:191–194
  4. Thüroff S, Chaussy C: Hoch intensiver fokussierter gepulster Ultraschall (HIFU) zur lokalen Ablation des Prostatakarzinoms. Urologe. 2007. 46:1092–1092
  5. Thüroff S, Chaussy C: Hoch intensiver fokussierter transrektaler Ultraschall (rHIFU) zur lokalen Therapie des Prostatakarzinoms. Urologe. 2009. 48:710-718
  6. Souchon R, Rouvière O, Gelet A, Detti V, Srinivasan S, Ophir J, Chapelon JY: Visualisation of HIFU lesions using elastography of the human prostate in vivo: preliminary results. Ultrasound in Medicine & Biology. 2003. 29:1007-1015
  7. Schmelz H: Facharztwissen Urologie. Springer Verlag 2010
  8. S3-Leitlinie: Prostatakarzinom. (AWMF-Registernummer: 043 - 022OL), Mai 2021 Kurzfassung Langfassung
  9. Guillaumier S et al.: A Multicentre Study of 5-year Outcomes Following Focal Therapy in Treating Clinically Significant Nonmetastatic Prostate Cancer. . Eur Urol (2018), https://doi.org/10.1016/j.eururo.2018.06.006

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Prostatakarzinom. (AWMF-Registernummer: 043 - 022OL), Mai 2021 Kurzfassung Langfassung

     
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