Manuelle Lymphdrainage

Bei der manuellen Lymphdrainage (ML; MLD) handelt es sich um ein therapeutisches Verfahren der physikalischen Anwendungen. Es ist eine spezielle Form der Massage, die zur Behandlung von Lymphödemen eingesetzt werden kann. Obwohl es sich bei der manuellen Lymphdrainage um eine Massageform handelt, beruht diese nicht wie andere Therapieformen dieser Art auf einer verbesserten Perfusion des Gewebes (verbesserte Durchblutung). Durch verschiedenen Massage- und Grifftechniken, die auf die Anatomie und Physiologie des Lymphgefäßsystems sowie auf die Flüssigkeiten im Interstitium (Zwischenraum; Zwischengewebe) abgestimmt sind, kann das Lymphsystem effektiv aktiviert werden, wodurch eine verbesserte Drainage (Abflussförderung; Entwässerung) der Lymphgefäße erreicht werden kann.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Akut-entzündliche Ödeme − im Rahmen einer rheumatischen Schwellung ist eine manuelle Lymphdrainage als wirkungsvoll und empfehlenswert anzusehen.
  • Chronisches Lymphödem − das chronische Lymphödem stellt eine der wichtigsten Indikationen für die Anwendung des Verfahrens dar. Sowohl primäre Formen (ohne Bezug zu vorliegenden Erkrankungen) als auch sekundäre Ödeme (durch einen Krankheitsprozess bedingt) lassen sich effektiv mit der Lymphdrainage behandeln.
  • Chronische venöse Insuffizienz (CVI) − bei einer venösen Insuffizienz können Ödeme entstehen, die durch die Drainage jedoch effektiv therapiert werden können. Obwohl die primäre Ursache in einer Schädigung des venösen Gefäßsystems zu finden ist, stellt das Verfahren eine Therapieoption der Wahl dar. Durch die venöse Insuffizienz erfolgt eine Ausweitung des Gefäßdefizites auf das Lymphgefäßsystem, das durch die Drainage positiv beeinflusst werden kann. 
  • Ödeme bedingt durch Hypoproteinämie − eine Hypoproteinämie (Eiweißmangel) kann durch verschiedene Auslöser bedingt sein. Neben einer renalen (nierenbedingte) Ursache kann auch ein Leberschaden eine Hypoproteinämie verursachen. Auch enterale (Darm bedingt) Ursachen führen häufig zu einem Verlust der Proteine.
  • Postapoplektisches Ödem − nach einem Insult (Schlaganfall) können Lymphödeme die ohnehin komplizierte Rehabilitation erschweren und den Patienten stark belasten. Die Drainage kann optimal in das neurophysiologische Behandlungskonzept integriert werden.
  • Lipödem − durch die Fetteinlagerungen wird das Gefäßsystem deutlich belastet; es kommt häufig zu sekundären Ödemen (Wassereinlagerungen). Die manuelle Lymphdrainage beeinflusst natürlich nicht die Fettverteilung, kann jedoch hieraus resultierende Komplikationen vermindern und trägt zur Schmerzlinderung bei.
  • Postoperative und posttraumatische Schwellungen − über einen besonders hohen Stellenwert verfügt die manuelle Lymphdrainage bei der Behandlung einer operativ oder traumatisch bedingten Schwellung eines Körperareals. Die Anwendung der manuellen Lymphdrainage sollte nach Möglichkeit frühzeitig erfolgen, da so die Wundheilung deutlich verbessert werden kann. Des Weiteren werden zusätzliche Behandlungsmaßnahmen durch die Lymphdrainage positiv beeinflusst. In Studien konnte gezeigt werden, dass die Lymphdrainage auch postoperativ auftretende Schmerzen lindern kann.
  • Reizerguss − ein Reizerguss, der beispielsweise infolge einer aktivierten Arthrose auftreten kann, lässt sich nur bedingt effektiv mit der manuellen Lymphdrainage behandeln. Als Zusatztherapie kann die Drainage jedoch sinnvoll sein.
  • Schwangerschaftsödem − schwangerschaftsassoziierte Ödeme lassen sich durch die Drainage behandeln.

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Akute Infekte − bei Haut- und Unterhautinfektionen sollte auf die manuelle Lymphdrainage verzichtet werden, da die Gefahr besteht, die bakteriellen oder viralen Erreger systemisch zu verbreiten. 
  • Akute tiefe Beinvenenthrombosen − bei einem immobilisierten Patienten ist von der Drainage abzusehen, da eine akute Emboliegefahr besteht, da eine mechanische Verschleppung des Thrombus (Blutgerinnsels) möglich ist.
  • Dekompensierte Herzinsuffizienz (Herzschwäche) − durch eine Lymphdrainage könnte eine Überlastung des Herzens erfolgen, die im schlimmsten Fall zum Herzstillstand führen kann.
  • Herzrhythmusstörungen − durch die manuelle Lymphdrainage können bestehende Herzrhythmusstörungen verstärkt werden.
  • Hypotonie (niedriger Blutdruck) − durch die Drainage kann der Blutdruck weiter gesenkt werden.
  • Maligne (bösartige) Tumoren − in der Rehabilitation von Tumoroperationen wird die Lymphdrainage eingesetzt. Sie stellt aber keine Behandlungsoption für einen Tumor dar. Ob durch die Massage eine Streuung von Tumorzellen verursacht werden kann, ist bisher noch unklar, gilt aber als unwahrscheinlich.

Vor der Therapie

  • Medizinische Anamnese: Detaillierte Erfassung der medizinischen Vorgeschichte, insbesondere bezüglich bestehender Lymphödeme oder anderer relevanter Gesundheitszustände.
  • Physikalische Untersuchung: Überprüfung des betroffenen Bereichs, um das Ausmaß des Lymphödems festzustellen.
  • Klärung der Erwartungen: Besprechen der Therapieziele und des möglichen Behandlungsverlaufs.
  • Hautpflege: Sicherstellung, dass die Haut im Behandlungsbereich sauber und frei von Verletzungen oder Infektionen ist.
  • Kontraindikationen prüfen: Überprüfung auf Zustände, bei denen die manuelle Lymphdrainage kontraindiziert sein könnte, wie akute Entzündungen, schwere Herzinsuffizienz oder akute Infektionen.

Das Verfahren

Die manuelle Lymphdrainage beruht auf der manuellen kreisförmigen Reizsetzung auf der Haut des Patienten, die bis in tiefere Gewebeschichten wirken kann. Anders als bei der klassischen Massage reicht der Druck nicht aus, um eine Gefäßreaktion beziehungsweise eine verstärkte Durchblutung hervorzurufen. Außerdem werden keine Nozizeptoren (Schmerzrezeptoren) aktiviert, sodass keine Schmerzreaktion hervorgerufen werden kann.

Durch Dehnreize in Quer- und Längsrichtung ist es möglich, ein großes Volumen interstitieller Flüssigkeit in Richtung der nächstgelegenen Lymphknotengruppen zu mobilisieren. Die Bewegung der Lymphe beruht jedoch nicht allein auf der direkten Verschiebung der Flüssigkeit, sondern primär auf der reizabhängigen Kontraktion der Lymphgefäße.

Grundgriffe der manuellen Lymphdrainage:

  • Stehender Kreis − stehende Kreise sind bei Lymphknotenansammlungen von Bedeutung, da die Anwendung dieses Grundgriffs die Perfusion durch diese physiologischen Flusshindernisse verbessert.
  • Pumpgriff − dieser dynamische Griff wird meist an den Extremitäten von der Peripherie nach zentral ausgeführt, um dort die Flüssigkeit zu reduzieren. Der Pumpgriff ist einhändig oder beidhändig im Wechsel ausführbar.
  • Schöpfgriff − dieser Griff wird an den Unterschenkeln und den Unterarmen genutzt. Entscheidend bei der Anwendung des Griffs ist, dass der Druckablauf zu einer diagonal zur Extremitätenachse gerichteten Hautverformung führt.
  • Drehgriff − der dynamische Drehgriff ist besonders zur Anwendung an großen Körperflächen geeignet. Bei der manuellen Lymphdrainage wird dieser daher vorwiegend für den Körperstamm eingesetzt.

Nach der Therapie

  • Nachsorgeanweisungen: Empfehlungen zur Hautpflege und zu Aktivitäten, die das Behandlungsergebnis unterstützen können.
  • Beobachtung von Reaktionen: Überwachung auf Anzeichen von Hautirritationen oder Verschlimmerung der Symptome.
  • Kompressionskleidung: Anleitung zur Verwendung von Kompressionskleidung, falls erforderlich, zur Unterstützung der Lymphdrainage.
  • Planung weiterer Sitzungen: Bei Bedarf Festlegung von Folgeterminen zur Fortsetzung der Therapie.

Mögliche Komplikationen

  • Schmerzen oder Unbehagen: Auftreten von Schmerzen oder Unbehagen während oder nach der Behandlung.
  • Hautirritationen: Möglich bei empfindlicher Haut oder unsachgemäßer Anwendung.
  • Verschlimmerung des Ödems: In seltenen Fällen kann die Behandlung zu einer vorübergehenden Zunahme der Schwellung führen.
  • Infektionsrisiko: Insbesondere wenn offene Wunden oder Hautläsionen vorhanden sind.

Bei korrekter Anwendung durch gut ausgebildete Therapeuten treten Komplikationen wie schmerzhafte Verspannungen oder niedriger Blutdruck sehr selten auf. Bei weniger erfahrenen Therapeuten können gegebenenfalls therapeutische Maßnahmen falsch ausgeführt werden, sodass vermehrt Komplikationen auftreten können. Beispielsweise wird teilweise zuerst nur das geschwollene Bein massiert, anstatt das gesunde Gewebe oberhalb der Schwellung auf den Abstrom vorzubereiten. Außerdem können Komplikationen bei Nichtbeachtung der Kontraindikationen auftreten.

Literatur

  1. Herpertz U: Ödeme und Lymphdrainage. Schattauer Verlag 2010
  2. Hüter-Becker A: Physikalische Therapie, Massage, Elektrotherapie und Lymphdrainage. Georg Thieme Verlag 2006
  3. Preisler VK, Hagen R, Hoppe F: Nutzen und Risiken der manuellen Lymphdrainage bei Kopf-Hals-Tumoren. Laryngo-Rhino-Otol. 1998. 77:207-212
  4. Musselmann C: Physiotherapie/Physikalische Therapie bei tiefer Beinvenenthrombose und Lungenembolie in der orthopädischen Rehabilitation. Phys Rehab Kur Med. 2010. 20:213-216
  5. Cornely M: Lymphologie. JDDG. 2006. 4:564. doi: 10.1111/j.1610-0387.2006.05954_supp.x
  6. Bringezu G: Lehrbuch der Entstauungstherapie. Springer Verlag 2010

     
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