Als Urolithiasis – umgangssprachlich Harnsteinleiden genannt – (Synonyme: Calculi renali; Harnblasensteine; Harnkonkrement; Harnsteindiathese; Kelchsteine; Nephrolithe; Nephrolithiasis; Nierenbeckensteine; Nierenkonkremente; Nierensteine; ICD-10-GM N20-N23: Urolithiasis) bezeichnet man die Bildung von Harnsteinen in der Niere und/oder in den ableitenden Harnwegen. Sie können in der Niere, den Ureteren (Harnleiter), der Harnblase oder der Urethra (Harnröhre) gefunden werden.
Harnsteine entstehen durch ein Ungleichgewicht in der physikalisch-chemischen Zusammensetzung des Harns mit Bildung von Salzkristallen. Die Steingröße variiert von Mikrometern bis zu mehreren Zentimetern.
Die Urolithiasis wird nach Lokalisation des Steins unterteilt in:
Lokalisation |
Häufigkeit |
Nephrolithiasis (Nierensteine) | 97 % |
Ureterolithiasis: Uretersteine (Harnleitersteine) | |
Zystolithiasis (Harnblasensteine) | 3 % |
Urethralithiasis (Harnröhrensteine); Sonderform: Calculus renalis (Pl. Calculi renali), dieses ist ein Nierenstein (Nierenkonkrement), der in die Harnröhre gewandert ist |
Im klinischen Sprachgebrauch werden meist nur die Begriffe "Nephrolithiasis" und "Urolithiasis" verwendet.
Man kann die Urolithiasis aufgrund der Entstehungsursache einteilen:
Entstehungsursache | Steinart | Häufigkeit |
Erworbene Stoffwechselstörung | Calciumoxalat-Stein | 75 % |
Harnsäure-Stein | 11 % |
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Harnsäure-Dihydrat-Stein | 11 % |
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Brushit-Stein | 1 % |
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Carbonatapatit-Stein | 4 % |
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Harnwegsinfektion (HWI) | Struvit-Stein | 6 % |
Carbonatapatit-Stein | 3 % |
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Ammoniumhydrogenurat-Stein | 1 % |
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Angeborene Stoffwechselstörung | Cystin-Stein | 2 % |
Dihydroxyadenin-Stein | 0,1 % |
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Xanthin-Stein | sehr selten |
Geschlechterverhältnis: Männer zu Frauen beträgt 2 : 1; entgegen der bisherigen Evidenz gibt es mehrere Studien, dass sich die Verteilung zwischen den Geschlechtern über die letzten Dekaden angleicht bzw. zu Lasten der Frauen zunimmt.
Häufigkeitsgipfel: Das Maximum des Auftretens der Urolithiasis liegt zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr.
Die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) liegt bei 5 % in Deutschland, bei 5-9 % in Europa und bei 12-15 % in den USA. Die Häufigkeit hat in den westlichen Industrieländern signifikant zugenommen. Besonders oft tritt ein Harnsteinleiden in trockenen und heißen Regionen (10-15 %) auf.
Verlauf und Prognose: Die Größe der Steine kann von wenigen Millimetern bis hin zu einigen Zentimetern variieren. Bis zu einem Durchmesser von 2 mm gehen die Steine in der Mehrheit der Fälle spontan (von selbst) über den Harn ab. Steine, die einen größeren Durchmesser als 5-6 mm haben, gehen nur noch selten spontan ab. Wenn der Stein abgeht, ist dieses oft mit kolikartigen Schmerzen und starkem Harndrang verbunden.
Bei 50 % der Betroffenen tritt eine Nephrolithiasis (Nierensteine) rezidivierend (wiederkehrend) auf. Bei 10-20 % der Patienten muss mit mindestens 3 Rezidiv-Episoden gerechnet werden.
Bei Kindern ist die Rezidivneigung besonders hoch. Jeder primäre Stein im Kindesalter bedarf einer gründlichen Ursachenforschung! In ca. 70 % aller Fälle weisen Kinder mit Harnsteinen anatomische Anomalitäten der ableitenden Harnwege auf. Ca. 70 % aller analysierten Steine sind Calciumoxalatsteine.
Durch eine sogenannte Metaphylaxe (Harnsteinprophylaxe), die abhängig ist von der Steinart und der Ursache, kann die Rezidivrate unter 5 % gesenkt werden. Zu den Grundregeln gehören: viel trinken (> 2,5 l/Tag), wenig tierische Proteine (Eiweiß), kochsalzarme und kaliumreiche Diät, Gewichtsnormalisierung und körperliche Aktivität.
Komorbiditäten (Begleiterkrankungen): Urolithiasis geht mit einem erhöhten Risiko für einen Myokardinfarkt (Herzinfarkt) einher (31 %) [1]. Des Weiteren besteht ein erhöhtes Risiko für ein Urothelkarzinom (maligne Tumoren des Übergangsgewebes (Urothel), das die ableitenden Harnwege auskleidet) [2].
Literatur
- Rule AD, Roger VL, Melton LJ, III, Bergstralh EJ, Li X, Peyser PA, et al.: Kidney stones associate with increased risk for myocardial infarction. J Am Soc Nephrol 2010; 21: 1641-4.
- Sun LM, Lin CL, Chang YJ, Liang JA, Liu SH, Sung FC, et al.: Urinary tract stone raises subsequent risk for urinary tract cancer: a population-based cohort study. BJU Int 2013; 112: 1150-5.
Leitlinien
- Pearle MS, Goldfarb DS, Assimos DG et al.: Medical management of kidney stones: AUA guideline J Urol. 2014 Aug;192(2):316-24. doi: 10.1016/j.juro.2014.05.006. Epub 2014 May 20.
- Ordon M, Andonian S, Blew B, Schuler T, Chew B, Pace KT: CUA guideline: management of ureteral calculi. Can Urol Assoc J. 2015 Nov-Dec;9(11-12):E837-51. doi: 10.5489/cuaj.3483. Epub 2015 Dec 14.
- Türk C, Knoll T, Petrik A et al.: EAU guidelines on urolithiasis. uroweb. org/ guideline 3/2015
- Assimos D, Krambeck A, Miller NL et al.: Surgical management of stones: American Urological Association/endourological society guideline. J Urol. 2016 Oct;196(4):1153-60. doi: 10.1016/j.juro.2016.05.090. Epub 2016 May 27.
- S2k-Leitlinie: Urolithiasis: Diagnostik, Therapie und Metaphylaxe. (AWMF-Registernummer: 043 - 025), Mai 2019 Langfassung