Rheumafaktor

Beim Rheumafaktor (Rheuma-Faktor) handelt es sich um Autoantikörper verschiedener Subklassen (IgM, IgG, IgA, IgE), die sich gegen bestimmte Bereiche der körpereigenen Immunglobuline der Klasse G (IgG) richten (Fc-Fragment des IgG). Er kann zur Diagnostik von Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises genutzt werden.

Zum rheumatischen Formenkreis zählen (Häufigkeit eines positiven Rheumafaktor):

  • Dermatomyositis (30 %) – zu den Kollagenosen zählende Erkrankung, die die Haut und die Muskulatur betrifft und vor allem mit diffusen Bewegungsschmerzen einhergeht
  • Kryoglobulinämie (40-100 %) chronisch rezidivierende Immunkomplexvaskulitiden (Immunerkrankung der Gefäße), die durch den Nachweis abnormaler, kältepräzipitierender Serumproteine (Kälte-Antikörper) gekennzeichnet sind.
  • Lupus erythematodes (10-35 %) – Systemerkrankung, die die Haut und das Bindegewebe der Gefäße betrifft und so zu Vaskulitiden (Gefäßentzündungen) zahlreicher Organe wie Herz, Nieren oder Gehirn führt
  • Mixed connective tissue disease (50-60 %) chronisch-entzündliche Bindegewebserkrankung bei der Symptome unterschiedlicher Kollagenosen (systemischer Lupus erythematodes, Sklerodermie, Polymyositis, Raynaud-Syndrom) auftreten
  • Panarteriitis nodosa (40 %) – ist eine nekrotisierende Vaskulitis, die in der Regel mittelgroße Gefäße befällt; dabei umfasst die Entzündung alle Wandschichten (pan = griech. alle; arteri- von Arterie = Schlagadern; -itis = entzündlich).
  • Polymyositis (30 %) wird den Kollagenosen zugeordnet; sie ist eine systemische entzündliche Erkrankung der Skelettmuskeln mit einer perivaskulären lymphozytären Infiltration. 
  • Progressive systemische Sklerose (30 %) – siehe Sklerodermie
  • Rheumatoide Arthritis (50-90 %) – ist eine chronisch entzündliche Multisystemerkrankung, die sich meist in Form einer Synovialitis (Gelenkinnenhautentzündung) manifestiert. Sie wird auch als primär-chronische Polyarthritis (PcP) bezeichnet.
  • Sharp-Syndrom (60 %) – chronisch-entzündliche Bindegewebserkrankung, die die Symptome mehrerer Kollagenosen wie Lupus erythematodes, Sklerodermie oder Polymyositis beinhaltet
  • Sklerodermie (20-30 %) – zählt als „entzündliche rheumatische Erkrankung“ zur Gruppe der Kollagenosen, die mit einer Bindegewebsverhärtung der Haut allein oder der Haut und innerer Organe (besonders Verdauungstrakt, Lungen, Herz und Nieren) einhergehen
  • Sjögren-Syndrom (75-95 %) (Gruppe der Sicca-Syndrome) – Autoimmunerkrankung aus der Gruppe der Kollagenosen, die zu einer chronisch entzündlichen Erkrankung der exokrinen Drüsen, am häufigsten der Speichel- und Tränendrüsen, führt; typische Folgeerkrankungen bzw. Komplikationen des Sicca-Syndroms sind:
    • Keratokonjunktivitis sicca (Syndrom des trockenen Auges) aufgrund fehlender Benetzung von Horn- und Bindehaut mit Tränenflüssigkeit
    • erhöhte Kariesanfälligkeit durch Xerostomie (Mundtrockenheit) aufgrund verminderter Speichelsekretion
    • Rhinitis sicca (trockene Nasenschleimhäute), Heiserkeit und chronischer Hustenreiz sowie eine gestörte Sexualfunktion durch Störung der Schleimdrüsenproduktion des Respirationstraktes und der Genitalorgane

Der Rheumafaktor ist auch bei bis zu fünf Prozent der gesunden Bevölkerung nachweisbar. Bei Personen über 65 Jahre kann dieser Prozentsatz bis auf 20 Prozent ansteigen.
Gesunde Angehörige von Personen mit rheumatoider Arthritis haben auch vermehrt einen positiven Rheumafaktor.

Personen mit rheumatoider Arthritis, die einen hohen Titer aufweisen, neigen zu einem schwereren Verlauf der Erkrankung.

Das Verfahren

Benötigtes Material

  • Blutserum
  • Gelenkflüssigkeit

Vorbereitung des Patienten

  • Nicht nötig

Störfaktoren

  • Nicht bekannt

Normwerte         

Normwert (Latex-Agglutinationstest) < 30 IU/ml
Normwert (Nephelometrie) < 37 IU/ml

Indikationen

  • Verdacht auf Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises

Interpretation

Interpretation erniedrigter Werte

  • Nicht krankheitsrelevant

Interpretation erhöhter Werte

  • Alter > 70 (10-25 %)
  • Chronische Lebererkrankungen
  • EBV-Infektion (Synonyme: EBV; EBV-Infektion; Epstein-Barr-Virus-Infektion; Infektiöse Mononukleose (Pfeiffersches Drüsenfieber); Kissing-Disease; Mononucleose; Monozytenangina; Pfeiffersches Drüsenfieber; Studentenkrankheit)
  • Endokarditis (Herzinnenhautentzündung)
  • Hepatitis B (Leberentzündung)
  • Infektionen:
    • Bakterielle Endokarditis (25-50 %)
    • Bilharziose (Schistosomiasis) – durch Trematoden (Saugwürmer) der Gattung Schistosoma (Pärchenegel) verursachte Wurmkrankheit (tropische Infektionskrankheit) 
    • Hepatitis (15-40 %)  
    • Lepra
    • Malaria
    • Syphilis (Lues)
    • Tuberkulose (8 %)
    • Virale Infektionen (15-65 %)
    • Viszerale Leishmaniose (Kala-Azar) – durch Parasiten, die Leishmanien, ausgelöste Infektionserkrankung. Die Übertragung erfolgt über Sand- beziehungsweise Schmetterlingsmücken (Phlebotomen). Die viszerale Leishmaniose (Kala-Azar) ist eine Erkrankung der inneren Organe.
  • Lungenerkrankungen
    • Asbestose (30 %)
    • Lungenfibrose (10-50 %)
    • Sarkoidose (Synonyme: Morbus Boeck; Morbus Schaumann-Besnier) (3-33 %)
    • Silikose (13 %)
  • Lymphome – bösartige Erkrankung des lymphatischen Systems
  • Primär-biliäre Zirrhose – Form der Leberzirrhose, die vor allem bei Frauen vorkommt
  • Rheumatoide Arthritis (50-90 %) bzw. andere Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises (siehe oben); falls der Rheumafaktor nachweisbar ist, spricht man von einer seropositiven rheumatoiden Arthritis.
  • Tumorerkrankungen (insb. Leukämien und Kolonkarzinom) (5-25 %)
  • Zustand nach Impfung
  • Zustand nach Transfusion von Blut

Angaben in (runden Klammern) geben Häufigkeit für einen positiven Rheumafaktortest an [1].

Weitere Hinweise

  • Als Basisdiagnostik sollten bei Verdacht auf rheumatoide Arthritis folgende Laboruntersuchungen durchgeführt werden
    • CRP (C-reaktives Protein) bzw. BSG (Blutsenkungsgeschwindigkeit)
    • Rheumafaktor (oder CCP-AK)
    • ANA (Antinukleäre Antikörper)
    • HLA-B27 (Histokompatibilitätsantigene)
  • Beschwerdefreie Menschen mit positivem Rheumafaktor oder erhöhten rheumaspezifischen Autoantikörpern (ACPA) haben bereits ein erhöhtes Atheroskleroserisiko. Die Antikörper sind ein Zeichen eines überaktiven Immunsystems.

Literatur

  1. Shmerling RH, Delbanco TL: The rheumatoid factor: an analysis of clinical utility. Am J Med. 1991 Nov;91(5):528-34.
     
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