Antioxidantien im Training – unterstützend oder hinderlich?
Antioxidantien werden häufig eingesetzt, um oxidativen Stress zu reduzieren und die Regeneration zu verbessern. Gleichzeitig ist bekannt, dass freie Radikale (reaktive Sauerstoffspezies, ROS) während des Trainings wichtige Signalreize für Anpassungsprozesse darstellen. Die Wirkung von Antioxidantien im Sport hängt daher entscheidend von Dosierung, Zeitpunkt und Trainingsziel ab [1].
Oxidativer Stress: Belastung oder notwendiger Trainingsreiz?
Intensives Training erhöht die Bildung freier Radikale, was zunächst zu einem kurzfristigen Anstieg oxidativen Stresses führt [1].
ROS sind jedoch nicht ausschließlich schädlich: Sie aktivieren wichtige Signalwege, die Mitochondrienbiogenese, Muskelanpassung und langfristige Leistungsentwicklung unterstützen, darunter PGC-1α und NF-κB [2].
Daher gilt: Ein moderater oxidativer Stress ist physiologisch und für die Leistungsentwicklung entscheidend.
Antioxidantien: möglicher Nutzen – abhängig von Dosis und Kontext
Eine bedarfsdeckende Zufuhr antioxidativer Nährstoffe über die Ernährung zeigt klare Vorteile für Gesundheit und Trainingsbelastbarkeit – insbesondere bei Vitamin C, Vitamin E, Polyphenolen und weiteren sekundären Pflanzenstoffen [3].
Potenzielle positive Effekte (bei moderater Zufuhr):
- Schutz vor exzessivem oxidativen Schaden [3]
- Unterstützung der Regeneration nach sehr intensiven Trainingseinheiten [3]
- Reduktion trainingsbedingter Entzündungsreaktionen in Phasen hoher Belastung [4]
- Stabilisierung des Immunsystems bei hohen Trainingsumfängen [4]
Der Nutzen zeigt sich besonders, wenn zusätzliche Stressoren wie Schlafmangel, Hitze, Energiedefizit oder Wettkampfhäufung vorliegen.
Risiken: Können Antioxidantien Trainingseffekte hemmen?
Mehrere Studien zeigen, dass hochdosierte Antioxidantien-Supplemente (z. B. Vitamin C ≥ 1000 mg/Tag oder Vitamin E ≥ 400 I.E./Tag) zentrale Trainingsadaptationen wie Mitochondrienbiogenese und Insulinsensitivität beeinträchtigen können [5].
Dies liegt daran, dass eine zu starke Reduktion von ROS die Signalwege für Anpassungsprozesse abschwächt [2,5].
Beispielsweise wurde beobachtet:
- verringerte Aktivierung von PGC-1α nach Ausdauertraining [5]
- abgeschwächte Verbesserung der Insulinsensitivität [6]
- mögliche Reduktion von Kraftzuwächsen in frühen Trainingsphasen [6]
Mechanismus: Eine übermäßige Senkung der ROS-Konzentration vermindert die zellulären Signalreize, die für Anpassungen notwendig sind [2,5].
Polyphenole – Sonderfall mit differenzierter Evidenz
Polyphenole aus Beeren, Kirschsaft, Kakao oder Traubenkernen besitzen antioxidative und entzündungsmodulierende Eigenschaften. Einige Studien zeigen positive Effekte auf Regeneration, Muskelschmerzen und Leistungsparameter [7].
Allerdings ist die Evidenz heterogen: Nicht jedes Polyphenol wirkt gleich, und hohe Dosierungen könnten ebenso wie klassische Antioxidantien Anpassungen abschwächen [7].
Unterschied Freizeit- vs. Leistungssport
Antioxidantien wirken je nach Belastungsniveau und Trainingsziel unterschiedlich. Daher ist eine getrennte Betrachtung sinnvoll.
Freizeitsport:
Bei moderaten Trainingsumfängen steht vor allem die allgemeine Gesundheitsförderung im Vordergrund. Hier zeigen Antioxidantien vor allem präventive Vorteile.
- profitiert vor allem von einer antioxidantienreichen Ernährung (Obst, Gemüse, Nüsse)
- Supplemente meist nicht notwendig
- moderater Nutzen bei intensiven Einheiten möglich
Leistungssport:
Im Hochleistungssport führen hohe Trainingsumfänge und häufige Wettkämpfe zu deutlich stärkerem oxidativen Stress und erhöhten Regenerationsanforderungen.
- höhere Belastungen erhöhen Risiko für Übertraining und oxidativen Stress [4]
- kurzfristige, gezielte Supplementierung kann in Wettkampf- oder Trainingslagerphasen sinnvoll sein
- langfristige hochdosierte Gabe vermeiden, da Anpassungsprozesse beeinträchtigt werden können [5]
Praktische Empfehlungen
- Priorität hat eine vielseitige, pflanzenbasierte Ernährung als natürliche Antioxidantienquelle [3].
- Supplementation niedrig dosieren und gezielt einsetzen, z. B. in extremen Belastungsphasen.
- Hochdosierte Antioxidantienpräparate sollten nicht dauerhaft im Training eingesetzt werden, um positive Anpassungen nicht zu blockieren [5,6].
- Polyphenole können ergänzend genutzt werden – am besten in Form natürlicher Lebensmittel oder moderat dosierter Extrakte [7].
Fazit
Antioxidantien können sowohl förderlich als auch hinderlich sein – abhängig von Dosierung und Trainingsbelastung. Während moderate Mengen über die Ernährung eindeutig Vorteile bieten, können hochdosierte Supplemente wichtige Trainingsanpassungen einschränken. Für Freizeitaktive genügt meist eine ausgewogene Ernährung, während Leistungssportler nur in klar definierten Belastungsphasen und zurückhaltend supplementieren sollten.
Literatur
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- Paulsen G, Cumming KT, Holden G, Hallén J, Rønnestad BR, Sveen O, Skaug A, Paur I, Bastani NE, Østgaard HN, Buer C, Midttun M, Freuchen F, Wiig H, Ulseth ET, Garthe I, Blomhoff R, Benestad HB, Raastad T. Vitamin C and E supplementation hampers cellular adaptation to endurance training in humans: a double-blind, randomised, controlled trial. J Physiol. 2014 Apr 15;592(8):1887-901. doi: 10.1113/jphysiol.2013.267419
- Rickards L, Lynn A, Harrop D, Barker ME, Russell M, Ranchordas MK. Effect of Polyphenol-Rich Foods, Juices, and Concentrates on Recovery from Exercise Induced Muscle Damage: A Systematic Review and Meta-Analysis. Nutrients. 2021 Aug 27;13(9):2988. doi: 10.3390/nu13092988