Einfluss des Sports auf den Hormonhaushalt

Jede Form der körperlichen und mentalen Belastung führt zu einer elementaren Veränderung des Hormonhaushaltes. Diese Veränderung beruht auf der Funktion des autonomen Nervensystems (ANS) und der hormonproduzierenden Organe. Das autonome Nervensystem besteht als Regulator der Hormonausschüttung aus dem Parasympathikus und dem Sympathikus. In Ruhe befindet sich der Körper in einem Zustand, der durch den Parasympathikus dominiert wird, in dem jedoch auch der Sympathikus, wenn auch untergeordnet, eine regulatorische Funktion übernimmt. Als sogenannter Gegenspieler des Parasympathikus ist der Sympathikus zu nennen. Durch den Sympathikus, dessen Nervenfasern vom Spinalganglion in den Zwischenwirbelbereichen entspringen und bis zu den inneren Organen führen, ist eine Beeinflussung der glatten Muskelzellen möglich. Neben den Rezeptoren in den glatten Muskelzellen befinden sich weitere Rezeptoren in den verschiedenen Gewebetypen wie beispielsweise in den Fettdepots und dem Drüsensystem des Gastrointestinaltraktes. Als wichtigster Botenstoff zur Informationsvermittlung ist der Neurotransmitter Noradrenalin (NE) anzuführen. Weitere Botenstoffe des Sympathikus sind der Neurotransmitter Acetylcholin (Ach) und das Hormon Adrenalin (EPI). Für den Parasympathikus stellt Acetylcholin den einzigen Neurotransmitter dar. Zusammen bilden der Parasympathikus und der Sympathikus das autonome Nervensystem.

Betrachtet man die Funktion des autonomen Nervensystems beim Sport, so wird diese beim belastungsabhängigen Laktatanstieg im arteriellen Blut besonders deutlich. Mit dem Anstieg des Laktats ist nämlich ein vermehrtes Vorkommen der Katecholamine Noradrenalin und Adrenalin im Blut zu erkennen. Durch diese Substanzen ist es dem Körper möglich, die Leistungsfähigkeit über einen definierten Zeitraum zu erhöhen. Diese Erhöhung der Leistungsfähigkeit kann nur dadurch erfolgen, dass an den Gewebestrukturen des Körpers eine riesige Zahl von Rezeptoren vorliegt. An diese Rezeptoren können nun die Botenstoffe des autonomen Nervensystems binden und so eine Veränderung der Hämostase hervorrufen. Am Herzen verfügt der Sympathikus über die Möglichkeit einer Erhöhung der Herzfrequenz im Sinusknoten (positiv chronotrop), eine Erhöhung der Kontraktilität des Myokards von Atrium und Ventrikel (positiv inotrop) und über eine Verkürzung der Überleitungszeit am AV-Knoten (positiv dromotrop). Durch das Vorhandensein von α1-Rezeptoren in den Blutgefäßen ist die Erzeugung einer funktionellen Hypertonie möglich, um den erhöhten Sauerstoffbedarf der Muskulatur und anderer Gewebe im Aktivitätszustand zu decken. Gleichzeitig wird in der Niere über β1-Rezeptoren und α2-Rezeptoren die Freisetzung des Hormons Renin reguliert. Dieses ist entscheidend für die Entstehung einer Vasokonstriktion und reguliert die Ausschüttung von Aldosteron. Infolgedessen wird der Blutdruck erhöht. Überdies erfolgt eine Dilatation der Bronchien über β2-Rezeptoren, sodass der erhöhte Sauerstoffbedarf der Gewebe über ein vermehrtes Atemvolumen ausgeglichen werden kann.

Blockiert man nun bei einem Sportler die α- und β-Rezeptoren durch Arzneistoffe, so wird unter anderem die maximale Sauerstoffaufnahme um ungefähr 10 % gesenkt. Alle weiteren sympathisch innervierten Gewebe verlieren die Fähigkeit, ihre Funktion über den Sympathikus regulieren zu lassen. Eine komplette Blockade des Sympathikus führt zum Tod.

Wird jetzt vom Sportler eine Sportart zur Verbesserung der Ausdauer betrieben, so kann festgestellt werden, dass bei einem nicht maximalen Training die Ausschüttung von Katecholaminen wie Noradrenalin und Adrenalin im Vergleich zu einem Nicht-Ausdauersportler vermindert wird. Betrachtet man die Struktur der Katecholamine, so wird eine Veränderung beim Sport im Vergleich zum Ruhezustand erkennbar. Sind die Katecholamine in Ruhe an Sulfate gebunden, so verändert sich dieser Zustand beim Training. Abhängig von der Intensität des Trainings sind immer weniger Katecholamine Sulfat-gebunden. Eine wissenschaftliche Erklärung für diesen Prozess ist bisher bislang nicht gefunden worden. Es wird vermutet, dass besonders das Noradrenalin aus den Speichern der Skelettmuskulatur entstammt und das Adrenalin vornehmlich aus dem Nebennierenmark freigesetzt wird.

An der Freisetzung von Katecholaminen und weiteren Signalbotenstoffen sind diverse Organe beteiligt:

Das Herz

  • Besonders das im rechten Atrium produzierte atrionatriuretisches Peptid (ANP) stellt einen wichtigen Regulationsmechanismus des Flüssigkeitshaushalts im Körper dar. Es wird aus den Myozyten der Vorhöfe bei einer vermehrten Dehnung freigesetzt. Über dieses Peptid erfolgt nun eine Steigerung der glomerulären Filtrationsrate (GFR) der Niere und eine verminderte Natrium-Rückresorption. Zusätzlich erfolgt eine Hemmung der Renin-Freisetzung. Durch diesen Mechanismen kommt es bei Dehnung des Myokards zu einer Abnahme des Blutvolumens. Insgesamt ist das Peptid daher als Gegenregulator bei einer zu starken Kontraktion des Herzens zu sehen. Bei sportlichen Belastungen erfolgt ein Anstieg des Peptids, allerdings wird dieser geschlechtsspezifisch beeinflusst, da Frauen weitaus mehr ANP bei submaximalem Training produzieren als Männer.
  • Eine ähnliche Wirkung wie das ANP hat das NT-proBNP (N-terminales pro brain natriuretic peptide), welches ebenfalls bei ventrikulärer Dehnung sezerniert wird.

Die Nieren

  • Als besonders hervorstechend bei der Regulation der Hämostase bei sportlichen Belastungen ist das Hormon Erythropoetin (Synonyme: Erythropoietin, EPO) zu sehen. Bei einem zu niedrigen arteriellen Sauerstoff-Partialdruck oder einer reduzierten renalen Durchblutung wird vermehrt EPO ausgeschüttet, was zur verstärkten Produktion von Erythrozyten führt. Durch EPO kann die Neubildung der Erythrozyten um das 10-fache gesteigert werden.
  • Wie bereits erwähnt, hat auch Renin als Protease eine wichtige Funktion zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit. Durch das Renin wird vom Angiotensinogen ein Peptid abgespalten, wodurch das Angiotensin 1 entsteht. Durch Bindung der Substanz an AT-Rezeptoren an diversen Geweben werden eine Vasokonstriktion, eine vermehrte Proliferation und die Aldosteron-Ausschüttung getriggert. Des Weiteren wird der Hypothalamus angeregt, sodass das antidiuretische Hormon (ADH) freigesetzt wird.
  • Das ADH bewirkt eine Wasserretention und regt den Sportler zur vermehrten Wasserausnahme an, da ein starkes Durstgefühl entsteht.
  • Aufgrund des Zusammenhanges der einzelnen hormonregulatorischen Funktionen der Niere wird der Regelkreislauf als Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) bezeichnet. Das RAAS stellt somit einen wichtigen Faktor bei der Regulation der Hormone bei einem körperlichen Training dar, da es sowohl während als auch nach einem Training eine Erhöhung des extrazellulären Volumens bewirkt.

Das Pankreas

  • Entscheidend für jede Funktion des Körpers ist die Energiebereitstellung in Form von Glucose, Aminosäuren und Fettsäuren. Die Versorgung der Gewebe mit der energetisch geladenen Substanz Glucose erfolgt über die Regulation durch Insulin und Glukagon. Bei einem hohen Glucose-Serumspiegel wird durch die B-Zellen des Pankreas Insulin sezerniert, welches die Aufnahme von Glucose über spezifische Transportes in periphere Gewebe fördert. Überdies werden katabole Enzyme gehemmt und anabole Enzymkaskaden gefördert. Entscheidend für den Wirkmechanismus ist der hohe Verbleib des Insulins in der Leber. Das Glukagon hingegen wird durch die A-Zellen des Pankreas ausgeschüttet und erhöht Glucose-Serumspiegel durch Stimulation der Gluconeogenese und der Glykogenolyse.
  • Neben der Abhängigkeit vom Blutzuckerspiegel erfolgt die Freisetzung von Insulin und Glukagon auch getriggert durch das autonome Nervensystem. Durch Adrenalin und Noradrenalin werden in der Leber katabole Mechanismen gefördert, um Glucose bereitzustellen (unter anderem für die Muskulatur).

Der Hypothalamus und die Hypophyse

  • Bei körperlicher Aktivität wird im Hypothalamus vermehrt Gonadotropin-releasing hormone (GnRH) freigesetzt, was zur LH-Stimulation (Luteinisierendes Hormon) beiträgt. Durch das LH wird vermehrt Testosteron produziert, welches an Rezeptoren in der Zelle bindet und zur verstärkten Bildung von kontraktilen Proteinen beispielsweise in der Muskulatur führt.
  • Bei einer maximalen sportlichen Belastung erfolgt zusätzlich zum Testosteronanstieg eine Erhöhung der Konzentration vom adrenokortikotropen Hormon (ACTH), was zur vermehrten Cortisol-Ausschüttung in der Nebennierenrinde führt. Durch das Cortisol wird mehr Glucose freigesetzt.
  • Des Weiteren wird durch das intensive Training ein Anstieg des Wachstumshormons GH (somatotropes Hormon (STH) bzw. Somatotropin) im Hypophysenvorderlappen induziert. Das GH selbst kann an Rezeptoren an der Skelettmuskelmembran binden und dort einen direkten anabolen Effekt hervorrufen. Die Erhöhung des GH-Spiegels wird durch eine Hypoxie, eine Hypoglykämie, eine Hypoinsulinämie oder eine erhöhte Laktatkonzentration erreicht. 
  • Zusätzlich zu den weiteren Effekten des Sports auf das Hormonsystem werden β-Endorphine sezerniert, wenn der anaerobe Leistungsbereich erreicht wird.

Die Thyroidea

  • Die Schilddrüsenhormone T3 und T4 spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle in der Regulation der Körperfunktionen beim intensiven Training. Unter körperlicher Belastung kann durch die Schilddrüsenhormone ein positiv chronotroper und inotroper Effekt hervorgerufen werden. Man geht davon aus, dass die Hormone der Thyroidea in weitere Mechanismen der Regulation der Hämostase eingebunden sind, allerdings konnte dies bislang nicht eindeutig festgestellt werden.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das körperliche Training die Hormonregulation umfassend beeinflusst und erst die Hormone die Durchführung des Trainings durch den Abbau von Substraten und durch die Anpassung der Hämodynamik ermöglichen.

Literatur

  1. Ahonen J: Sportmedizin und Trainingslehre. Thieme Verlag 2008
  2. Hollmann W: Sportmedizin: Grundlagen von körperlicher Aktivität, Training und Präventivmedizin. Schattauer Verlag 2009
  3. Graf C: Lehrbuch der Sportmedizin. Deutscher Ärzte Verlag 2012
  4. de Marées H: Sportphysiologie. Sportverlag Strauß 2017
  5. Schmidt R: Physiologie des Menschen. Springer Verlag 2019
  6. Pape HC et al.: Physiologie. Georg Thieme Verlag 2019