Pränataldiagnostik

Die Pränataldiagnostik beschäftigt sich mit Untersuchungen des ungeborenen Kindes im Mutterleib (pränatal = vor der Geburt).

Sie wird vor allem Frauen ab dem 35. Lebensjahr angeboten, da die Gefahr von Fehlbildungen des Kindes aufgrund von Chromosomenveränderungen dann deutlich ansteigt.
Weiterhin lassen sich mit der Pränataldiagnostik auch verschiedene Infektionen, Stoffwechsel- und Erbkrankheiten (monogen bedingte Erkrankungen) des Kindes untersuchen.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Mütterliche Alter; mit steigendem Alter der Mutter (> 35. Lebensjahr) nimmt die Wahrscheinlichkeit einer Chromosomenstörung beim Kind zu
  • Ergebnis eines nichtinvasiven Screening-Verfahrens (z. B. Sonographie/Nackentransparenzmessung; Triple-Test)
  • Ein sonographischer Befund, der den Verdacht auf eine Chromosomenstörung möglich macht.
  • Eine Chromosomenstörung wie Translokation, Insertion oder Inversion bei einem Elternteil (in solchen Fällen ist die Wahrscheinlichkeit einer unbalanzierten Chromosomenstörung beim Kind über das mütterliche altersbedingte Risiko erhöht).
  • Familiäre genetische Belastung für eine schwere Erkrankung


Methoden der Pränataldiagnostik

Methode Zeitpunkt
Präimplantationsdiagnostik (PID)* In-vitro-Fertilisation
NIPT (nicht invasiver pränataler Test): molekulargenetischer Bluttest zum Nachweis zellfreier DNA 10+0 SSW
Chorionzottenbiopsie** (Gewebeentnahme aus dem fetalen (kindlichen) Anteil der Plazenta* (Mutterkuchen)) 11-14. SSW
Amniozentese** (Fruchtwassergewinnung durch Punktion der Fruchthöhle) 15.-17. SSW
Plazentapunktion* (Punktion der Mutterkuchen) ab 15. SSW
Kordozentese*** (Punktion der Nabelschnur, bevorzugt an der Plazentaansatzstelle) ab 16.-20 SSW
Fetale Biopsie (kindliche Gewebeentnahme) zur Diagnostik bestimmter Genodermatosen ab 20. SSW
Fetalblutentnahme (Ultraschall-gesteuerte Entnahme von kindlichem Blut aus der Nabelvene oder dem kindlichen Herzen) frühester Zeitpunkt:
20 SSW
Fetoskopie (endoskopische Betrachtung des ungeborenen Kindes; wird heute nur noch in Ausnahmefällen durchgeführt) optimaler Zeitpunkt: 
18.-24. SSW

SSW = Schwangerschaftswoche
*Untersuchung auf Chromosomenveränderung mithilfe von zellbiologischen und molekulargenetischen Untersuchungen; Nachweis bestimmter Gendefekte (Genmutationen) inkl. Aneuploidie-Screenung (Screening auf Vorliegen überzähliger oder fehlender Chromosomen)
**Untersuchung
auf Chromosomenveränderungen mithilfe einer Chromosomenanalyse; des Weiteren Gendiagnostik und biochemische Diagnostik; bei der Amniozentese zudem Diagnostik offener Neuralrohrdefekte
**
*Untersuchung auf Chromosomenveränderungen mithilfe einer Chromosomenanalyse; des Weiteren hämatologische und biochemische Diagnostik

Beachte: Präimplantationsdiagnostik (PID) ist in Deutschland bislang nur erlaubt, wenn aufgrund der genetischen Voraussetzungen der Frau oder des Mannes ein hohes Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit besteht oder eine schwerwiegende Schädigung des Embryos festgestellt werden soll.

Weitere zukünftige Verfahren

  • Eine Pränataldiagnostik ist ab der fünften Schwangerschaftswoche aus fetalen Zellen (kindliche Zellen) in einem Cervix-Abstrich (Abstrich vom Gebärmutterhals) möglich. Ca. jede 2.000ste Zelle im Abstrich ist ein Trophoblast (äußere Zellschicht einer Blastozyste (Entwicklungsstadium der Embryogenese), die diese mit der Gebärmutterwand verbindet) aus der Plazenta (Mutterkuchen) und stammt somit vom Feten [1]. Das Verfahren ist noch in der Entwicklung.
  • Der nächste Schritt in der Pränataldiagnostik ist die Sequenzierung des gesamten Exoms (Whole-Exome Sequencing, WES; potentiell kodierenden Abschnitte der DNA). 
    In Fällen fetaler struktureller Anomalien wurde fetale DNA aus Chorionzotten, Amnionflüssigkeit und Blut analysiert. Mit der WES ließen sich damit zusätzliche diagnostische genetische Varianten mit einer Rate zwischen rund 3 % und 15 % nachweisen [2].

Literatur

  1. Jain CV et al.: Fetal genome profiling at 5 weeks of gestation after noninvasive isolation of trophoblast cells from the endocervical canal. Science Translational Medicine 02 Nov 2016: Vol. 8, Issue 363, pp. 363re4. doi: 10.1126/scitranslmed.aah4661
  2. Lord J et al.: Prenatal exome sequencing analysis in fetal structural anomalies detected by ultrasonography (PAGE): a cohort study. Lancet 2019;393:747-57 https://doi.org/10.1016/S0140-6736(18)31940-8

Leitlinien

  1. S1-Leitlinie: Pränataler Schnelltest. (AWMF-Registernummer: 078 - 014), Januar 2019 Langfassung