Rapid progrediente Glomerulonephritis – Einleitung

Die Rapid progrediente Glomerulonephritis (RPGN) ist eine seltene und akut verlaufende Form der Glomerulonephritis, die durch eine rasch fortschreitende Verschlechterung der Nierenfunktion gekennzeichnet ist. Ohne rasche Diagnostik und Therapie kann sie innerhalb weniger Tage bis Wochen zu einer terminalen Niereninsuffizienz (Nierenversagen) führen.

Synonyme und ICD-10: Glomerulonephritis, rasch progredient; engl. rapidly progressive glomerulonephritis ICD-10-GM N01.-: Rapid-progressives nephritisches Syndrom

Anatomie und Funktionen

Die Glomerula (Nierenkörperchen) in der Niere sind für die Filtration des Blutes und die Bildung von Primärharn verantwortlich. Bei einer Glomerulonephritis, insbesondere bei der RPGN, kommt es zu einer Entzündung dieser Glomerula, was die Filtrationsfunktion der Niere stark beeinträchtigt und zu einer schnellen Verschlechterung der Nierenfunktion führen kann.

Charakteristische Laborbefunde

  • Stark erhöhte Serumkreatinin- und Harnstoffwerte: Zeichen der eingeschränkten Nierenfunktion.
  • Proteinurie: Erhöhte Eiweißausscheidung im Urin.
  • Hämaturie: Nachweis von Blut im Urin.
  • Anstieg der Autoantikörper: Je nach Typ z. B. Anti-GBM-Antikörper (Typ 1) oder ANCA (Typ 3).

Formen der Erkrankung

Die RPGN wird in folgende Typen unterteilt:

  • Typ 1
    • Ursache: Antikörper gegen die glomeruläre Basalmembran (Goodpasture-Syndrom).
    • Anteil: 12 % der Fälle.
  • Typ 2
    • Ursache: Ablagerung von Immunkomplexen, tritt häufig bei Autoimmunerkrankungen wie Lupus erythematodes auf.
    • Anteil: 44 % der Fälle.
  • Typ 3
    • Ursache: Fehlen von Immunkomplexen und Antibasalmembran-Antikörpern, häufig ANCA-assoziiert (Pauci-Immun-Glomerulonephritis).
    • Anteil: 44 % der Fälle.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Beide Geschlechter können betroffen sein, jedoch gibt es bei bestimmten Typen (z. B. Typ 1, Goodpasture-Syndrom) eine leichte männliche Prädominanz.

Häufigkeitsgipfel:
Am häufigsten bei Erwachsenen mittleren Alters, kann aber auch in anderen Altersgruppen auftreten.

Prävalenz
(Krankheitshäufigkeit): Selten, die Inzidenz beträgt etwa 1 Fall pro 100.000 Einwohner pro Jahr in Deutschland.

Verlauf und Prognose

Verlauf

Initialphase

  • Symptomatik: Die RPGN beginnt oft mit unspezifischen Symptomen wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Anämie (Blutarmut). Hämaturie (Blut im Urin) und Proteinurie (Eiweiß im Urin) sind frühe Anzeichen. Viele Patienten entwickeln eine Oligurie (reduzierte Urinproduktion), was auf eine rasch fortschreitende Nierenschädigung hinweist.
  • Rascher Funktionsverlust: Innerhalb von Tagen bis wenigen Wochen kommt es zu einer signifikanten Verschlechterung der Nierenfunktion, gekennzeichnet durch einen schnellen Anstieg des Serumkreatinins. Unbehandelt kann die Erkrankung rasch zur terminalen Niereninsuffizienz (Nierenversagen) führen.

Progressionsphase

  • Komplikationen: In dieser Phase können systemische Komplikationen wie Hypertonie (Bluthochdruck), Herzinsuffizienz (Herzschwäche) und Lungenödeme (Flüssigkeitsansammlung in der Lunge) auftreten, da die Nierenfunktion weiter nachlässt. Besonders bei Typ 1 RPGN, die mit einer Antibasalmembranerkrankung einhergeht, kann es zu einer Beteiligung der Lunge (Goodpasture-Syndrom) kommen, was sich in Hämoptysen (Bluthusten) und Atemnot äußern kann.
  • Immunsuppressive Therapie: Eine aggressive Therapie mit Immunsuppressiva und Plasmapherese wird häufig in dieser Phase eingeleitet, um die Autoimmunreaktion zu stoppen und den Nierenschaden zu begrenzen.

Endphase (bei fehlender Behandlung oder Therapieversagen)

  • Terminale Niereninsuffizienz: Ohne adäquate Therapie schreitet die RPGN unweigerlich zur terminalen Niereninsuffizienz (Nierenversagen) fort. Dies erfordert eine Nierenersatztherapie wie Dialyse oder Nierentransplantation.
  • Langzeitfolgen: Auch nach erfolgreicher Behandlung können Langzeitfolgen wie chronische Niereninsuffizienz (dauerhafte Nierenschwäche) oder bleibende Nierenschäden bestehen bleiben, insbesondere bei verspäteter Diagnose.

Prognose

Therapieerfolg abhängig vom Zeitpunkt der Diagnose

  • Frühzeitige Intervention: Wenn die Behandlung in einem frühen Stadium, bevor irreversibler Nierenschaden eintritt, begonnen wird, kann in über 60 % der Fälle eine Verbesserung oder Stabilisierung der Nierenfunktion erreicht werden. Die Patienten können in vielen Fällen eine dauerhafte Dialysepflichtigkeit vermeiden.
  • Späte Diagnose: Bei später Diagnosestellung, wenn bereits erheblicher Nierenschaden vorliegt, ist die Prognose schlechter. Viele Patienten entwickeln eine chronische Niereninsuffizienz und benötigen langfristig Dialyse.

Langzeitprognose

  • Typ 1 RPGN (Goodpasture-Syndrom): Bei frühzeitiger Diagnose und konsequenter Therapie (Plasmapherese, Immunsuppression) besteht eine gute Prognose, wobei die Lungenbeteiligung eine zusätzliche Herausforderung darstellen kann.
  • Typ 2 RPGN (Immunkomplex-Glomerulonephritis): Diese Form kann rezidivierend verlaufen, insbesondere bei zugrundeliegenden Autoimmunerkrankungen wie Lupus erythematodes. Eine regelmäßige Nachsorge und Anpassung der immunsuppressiven Therapie sind erforderlich, um Rezidive zu verhindern.
  • Typ 3 RPGN (ANCA-assoziierte Vaskulitis): Auch hier hängt die Prognose von der frühzeitigen Therapie ab. Ohne Behandlung ist die Prognose schlecht, jedoch kann eine langfristige Remission durch Immuntherapie erreicht werden. Rezidive sind jedoch möglich und bedürfen einer engmaschigen Überwachung.

Lebensqualität und Mortalität

  • Lebensqualität: Patienten, die erfolgreich behandelt wurden und keine terminale Niereninsuffizienz entwickeln, können eine relativ normale Lebensqualität erreichen, benötigen jedoch meist eine dauerhafte immunsuppressive Therapie und regelmäßige nephrologische Kontrollen.
  • Mortalität: Die Mortalität (Sterberate) bei unbehandelter RPGN ist hoch, da die Erkrankung schnell zur terminalen Niereninsuffizienz führt. Mit adäquater Therapie kann die Mortalität signifikant gesenkt werden, jedoch bleiben die Langzeitfolgen wie chronische Nierenerkrankung und erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse bestehen.

Fazit: Der Verlauf und die Prognose der RPGN sind stark abhängig von der frühzeitigen Diagnosestellung und der prompten Einleitung einer zielgerichteten Therapie. Die engmaschige Überwachung und Anpassung der Therapie sind entscheidend, um Langzeitkomplikationen und Rezidive zu vermeiden.