Eiweiß-Elektrophorese im Urin
Die Eiweiß-Elektrophorese im Urin ist ein diagnostisches Verfahren zur qualitativen Auftrennung und Beurteilung von Eiweißfraktionen im Urin. Sie dient der differentialdiagnostischen Einordnung von Proteinurien (Eiweißausscheidung im Urin) und ermöglicht Rückschlüsse auf glomeruläre (Nierenkörperchen betreffende), tubuläre (Nierenkanälchen betreffende) oder gemischte Schädigungen des Nephrons (funktionelle Einheit der Niere).
Synonyme
- Urinelektrophorese
- Urin-Eiweiß-Elektrophorese
Das Verfahren
- Benötigtes Material
- Spontanurin (Mittelstrahlurin)
- 24-Stunden-Urin (gesammelter Tagesurin)
- Vorbereitung des Patienten
- Bei Verwendung von 24-Stunden-Urin ist die exakte Sammelmenge anzugeben.
- Alternativ kann der zweite Morgenurin verwendet werden (entspricht qualitativ dem Sammelurin).
- Störfaktoren
- Starke körperliche Belastung vor der Uringewinnung
- Polyurische Phasen (vermehrte Harnausscheidung) bei Nierenerkrankungen
- Unvollständige oder kontaminierte Urinsammlung
- Methode
- Elektrophoretische Auftrennung (Trennung im elektrischen Feld) von Eiweißfraktionen (Eiweißbestandteilen) – z. B. auf Agarosegel oder Acetatfolie
- Detektion mittels Färbung (z. B. Coomassie Brilliant Blue, Silberfärbung)
- Halbquantitative (ungefähre) Beurteilung der Fraktionen
Normbereiche (je nach Labor)
Fraktion | Normalbefund (24h-Urin) |
---|---|
Gesamteiweiß | < 150 mg/24 h |
Albumin | < 30 mg/24 h |
Alpha-1-Fraktion | physiologisch unauffällig |
Alpha-2-Fraktion | physiologisch unauffällig |
Beta-Fraktion | physiologisch unauffällig |
Gamma-Fraktion | physiologisch unauffällig |
Normbereiche sind methoden- und laborabhängig.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Diagnostik und Differentialdiagnostik (Unterscheidung zwischen möglichen Ursachen) von Proteinurien
- Verlaufskontrolle bei bekannten Nephropathien (Nierenerkrankungen)
- Glomeruläre Erkrankungen (Nierenkörperchen betreffende Erkrankungen)
- Akute oder chronische Glomerulonephritis (Nierenkörperchenentzündung)
- IgA-Nephritis (Form der Glomerulonephritis)
- Rapid progressive Glomerulonephritis (rasch fortschreitende Nierenkörperchenentzündung, RPGN)
- Nephrotisches Syndrom (Sammelbegriff für Nierenfunktionsstörung mit Eiweißverlust)
- Mikrohämaturie (mikroskopisch sichtbares Blut im Urin)
- Tubulointerstitielle Erkrankungen (Nierenkanälchen und Zwischengewebe betreffende Erkrankungen)
- Interstitielle Nephritis (Entzündung des Zwischengewebes der Niere)
- Pyelonephritis (Nierenbeckenentzündung)
- Fanconi-Syndrom (tubuläre Rückresorptionsstörung)
- Systemerkrankungen mit renaler Beteiligung (Nierenschädigung bei Autoimmunerkrankungen)
- Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)
- Kollagenosen (entzündlich-rheumatische Bindegewebserkrankungen), z. B.:
- Systemischer Lupus erythematodes (SLE; Autoimmunerkrankung)
- Polymyositis/Dermatomyositis (entzündliche Muskelerkrankungen)
- Sjögren-Syndrom (Autoimmunerkrankung der Speicheldrüsen)
- Sklerodermie (Verhärtung von Haut und Organen)
- Sharp-Syndrom (Mischkollagenose)
- HELLP-Syndrom (Komplikation in der Schwangerschaft mit Blutgerinnungs- und Leberstörung)
- Onkologische Fragestellungen
- Monoklonale Gammopathie (monoklonale Eiweißvermehrung), z. B. Multiples Myelom (Plasmozytom, Knochenmarkkrebs)
- Sonstige
- Zustand nach Nierentransplantation (Nierenspende)
- Hämodialysepatienten (Patienten mit Blutwäsche)
- Glomeruläre Erkrankungen (Nierenkörperchen betreffende Erkrankungen)
Interpretation
- Erhöhte Werte einzelner Fraktionen
- Albuminurie (Albumin im Urin): Hinweis auf glomeruläre Schädigung
- Alpha-1- oder Alpha-2-Anstieg: mögliche akute Entzündungsreaktion
- Beta- oder Gamma-Anstieg: Hinweis auf immunologische Prozesse oder Paraproteinämie (krankhafte Eiweißbildung)
- Differenzierung der Proteinurie
- Glomeruläre Proteinurie: vorwiegend Albumin
- Tubuläre Proteinurie: kleine Proteine wie Alpha-1-Mikroglobulin oder Retinolbindungsprotein
- Überlaufproteinurie: z. B. Bence-Jones-Proteine bei Myelomerkrankungen (Tumoren des Knochenmarks)
- Spezifische Konstellationen (optional)
- Bence-Jones-Proteinurie: monoklonale freie Leichtketten (kappa oder lambda) – Hinweis auf Plasmozytom
- Kombination mehrerer Fraktionen: spricht für komplexe Schädigung (z. B. chronische Niereninsuffizienz)
Weiterführende Diagnostik
- Quantitative Eiweißbestimmungen
- Albumin im Urin (Mikro- und Makroalbuminurie)
- Alpha-1-Mikroglobulin, Beta-2-Mikroglobulin
- Immunfixationselektrophorese im Urin
- bei Verdacht auf Bence-Jones-Proteinurie oder andere monoklonale Gammopathien
- Zusätzliche Parameter
- Kreatinin im Urin (zur Berechnung der Protein-Kreatinin-Ratio)
- Glomeruläre Filtrationsrate (GFR; Maß für die Nierenleistung)
- Serumanalyse (z. B. Paraproteine, Entzündungsparameter, Autoantikörper)