Plättchenfunktionsanalyse

Die Plättchenfunktionsanalyse (Synonyme: Plättchenfunktionstestung, Thrombozytenfunktionsanalyse, Thrombozytenaggregationsdiagnostik) umfasst diagnostische Verfahren zur Erfassung qualitativer Thrombozytenfunktionsstörungen (Funktionsstörungen der Blutplättchen). Sie ist ein unverzichtbarer Bestandteil der hämostaseologischen Diagnostik (Untersuchung der Blutgerinnung) bei Blutungsneigung trotz normaler Thrombozytenzahl (Anzahl der Blutplättchen) und unauffälliger Globaltests der Gerinnung (z. B. PTT, Quick, INR).

Das Verfahren

Benötigtes Material

  • Zitrathaltiges Vollblut (Blutprobe mit Gerinnungshemmer für PFA-100)
  • Thrombozytenreiches Plasma (Plasma mit hohem Blutplättchenanteil für Aggregometrie)

Vorbereitung des Patienten

  • Absetzen thrombozytenhemmender Medikamente (z. B. Acetylsalicylsäure (ASS), Clopidogrel, nichtsteroidale Antirheumatika) mind. 7–10 Tage vor der Testung
  • Keine körperliche Belastung am Vortag
  • Nüchtern nicht erforderlich, aber keine fettreiche Mahlzeit vor der Blutentnahme

Störfaktoren

  • Medikamente mit Thrombozytenhemmung (z. B. ASS, NSAR)
  • Hämolyse (Zellzerfall im Blut) oder Thrombozytenlyse (Zerfall von Blutplättchen)
  • Thrombozytopenie (erniedrigte Blutplättchenzahl < 100.000/μl)
  • Hyperlipidämie (erhöhte Blutfette), Hyperbilirubinämie (erhöhtes Bilirubin im Blut)

Diagnostische Methoden

  • PFA-100 (Platelet Function Analyzer 100)
    Simulation des primären Hämostasevorgangs (erster Schritt der Blutstillung) unter Flussbedingungen; Messung der Verschlusszeit (Closure Time, CT) durch Thrombozytenaggregation (Zusammenlagerung der Blutplättchen).
    • Testkartuschen: Collagen/Epinephrin (CEPI) und Collagen/ADP (CADP)
    • Verlängerte CT bei Thrombozytopathien (Funktionsstörung der Blutplättchen), v.-Willebrand-Syndrom, ASS-Einnahme
  • Lichttransmissionsaggregometrie (LTA)
    Goldstandard der Thrombozytenfunktionsdiagnostik. Erfasst Aggregation (Zusammenlagerung) nach Zugabe von Induktoren wie ADP, Kollagen, Ristocetin, Arachidonsäure u. a.
    • Messung der Lichtdurchlässigkeit in thrombozytenreichem Plasma
    • Differenzierte Beurteilung erblicher oder medikamentös bedingter Funktionsstörungen
  • Impedanzaggregometrie (z. B. Multiplate®)
    Elektrische Widerstandsänderung durch Anlagerung aktivierter Thrombozyten an Elektroden im Vollblut
    • Einsatz u. a. zur Therapiekontrolle bei Plättchenhemmung (z. B. Clopidogrel)
  • Durchflusszytometrie (Flow Cytometry)
    Quantitative Erfassung aktivierter Oberflächenmarker (z. B. P-Selectin, aktiviertes GPIIb/IIIa)
    • Hochspezifisch, insbesondere bei Verdacht auf komplexe Defekte

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Abklärung einer Blutungsneigung mit unauffälligem kleinen Blutbild (Basisuntersuchung der Blutzellen) und unauffälliger Globalgerinnung
  • Verdacht auf erbliche Thrombozytopathien (z. B. Glanzmann-Thrombasthenie, Bernard-Soulier-Syndrom)
  • Kontrolle einer medikamentösen Thrombozytenaggregationshemmung (z. B. ASS, Clopidogrel)
  • Verdacht auf erworbene Thrombozytenfunktionsstörungen (z. B. bei Niereninsuffizienz, Leberzirrhose)

Normwerte

Die Normwerte variieren je nach Methode und Labor. Beispiele:

  • PFA-100 Closure Time
    • CEPI: < 180 Sekunden
    • CADP: < 120 Sekunden
  • Lichttransmissionsaggregometrie
    • Aggregationswerte in % der maximalen Lichtdurchlässigkeit (abhängig vom verwendeten Induktor)

Interpretation

  • Verlängerte PFA-100-Verschlusszeit – Hinweis auf eine gestörte primäre Hämostase (erste Phase der Blutstillung), z. B. bei von-Willebrand-Syndrom (erbliche Blutgerinnungsstörung), kongenitalen Thrombozytopathien (angeborene Funktionsstörungen der Blutplättchen) oder bei Einnahme von Acetylsalicylsäure (ASS) (z. B. Aspirin)
  • Pathologische LTA-Kurven – charakteristisch bei hereditären Thrombozytenfunktionsstörungen (erbliche Störungen der Blutplättchenfunktion) wie Glanzmann-Thrombasthenie (seltene Blutungsneigung) oder Bernard-Soulier-Syndrom (vergrößerte Blutplättchen mit Funktionsstörung) sowie bei medikamentös induzierten Aggregationshemmungen (durch Medikamente bedingte Hemmung der Blutplättchenverklumpung)
  • Abgeschwächte Impedanzmessung – Hinweis auf eine reduzierte Thrombozytenfunktion (eingeschränkte Funktion der Blutplättchen), typischerweise bei effektiver medikamentöser Plättchenhemmung (z. B. Clopidogrel, Ticagrelor) (Arzneimittel zur Hemmung der Blutplättchenaggregation)
  • Fehlende Aktivierung in der Durchflusszytometrie – beweisend für Defekte der thrombozytären Oberflächenrezeptoren (Eiweißstrukturen auf der Oberfläche von Blutplättchen) (z. B. GPIIb/IIIa bei Glanzmann-Thrombasthenie)

Weiterführende Diagnostik

  • v.-Willebrand-Diagnostik (Untersuchung auf das von-Willebrand-Syndrom)
  • Molekulargenetische Diagnostik (Erbgutanalyse) bei Verdacht auf erbliche Thrombozytenfunktionsstörung
  • Gerinnungsfaktorenanalytik, Thromboelastographie, ROTEM bei komplexer Blutungsneigung

Literatur

  1. Paniccia R et al. Platelet function tests: a comparative review. Vasc Health Risk Manag. 2015;11:133-148. https://doi.org/10.2147/VHRM.S44469