Oberflächliche Venenentzündung (Thrombophlebitis) – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Bei der Thrombophlebitis handelt es sich um eine Phlebitis (Venenentzündung) oberflächlicher Venen, die zu einer Thrombose (Verschluss der Vene) führt (= oberflächliche Venenthrombose, OVT). Die OVT wird wie folgt unterteilt:
- Thrombophlebitis in gesunden Venen (z. B. nach intravenöser Infusion)
- die Varikophlebitis in Varizen (Krampfadern) und
- transfasziale Phlebitis, die in die tiefen Venen einwächst (bei mündungsnaher OVT der Vena saphena oder großer Astvenen mit weniger als drei Zentimeter Crossenabstand → Risikofaktoren für venöse Thromboembolien (VTE) → Vollkoagulation erforderlich!)
Es gibt drei Faktoren, die zur Entstehung eines Thrombus beitragen können (Virchow-Trias)
- Endotheländerungen (Gefäßwandveränderung) wie durch Atherosklerose (Arteriosklerose, Arterienverkalkung), Entzündungen, Traumata (Verletzungen) oder Operationen (v. a. nach großen orthopädischen oder urologischen Operationen)
- Verminderte Strömungsgeschwindigkeit des Blutes wie nach Immobilisation (Bettruhe, Gips), durch lokale Abflussbehinderungen (langes Sitzen, Tumoren etc.) und bei Erkrankungen wie beispielsweise Varizen (Krampfadern), postthrombotisches Syndrom (PTS) oder Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
- Veränderungen in der Blutzusammensetzung (Hyperkoagulabilität/vermehrte Gerinnbarkeit des Blutes):
- Hereditäre Thrombophilien ("angeborene Thromboseneigung"; s. u. biographische Ursachen/genetische Belastung)
- Erworbene Thrombophilien (s. u. Krankheiten)
- Erhöhte Blutviskosität (Zähflüssigkeit des Blutes; s. u. Krankheiten)
Ätiologie (Ursachen)
Biographische Ursachen
- Genetische Belastung
- Genetisches Risiko abhängig von Genpolymorphismen:
- Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
- Gene: F2, F5, LPL, SELE
- SNP: rs6025 (Faktor V Leiden) im Gen F5
- Allel-Konstellation: AG (5-10-fach)
- Allel-Konstellation: AA (50-100-fach)
- SNP: rs1799963 (Prothrombin-Mutation (Faktor-II-Mutation) im Gen F2
- Allel-Konstellation: AG (5,0-fach)
- Allel-Konstellation: AA (> 5,0-fach)
- SNP: rs5361 im Gen SELE
- Allel-Konstellation: CC (4,0-fach)
- Allel-Konstellation: AG (3,0-fach)
- Allel-Konstellation: GG (> 3,0-fach)
- Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
- Genetische Erkrankungen
- Antithrombin III-Mangel (AT-III) – autosomal-dominanter Erbgang
- APC-Resistenz (Faktor V-Leiden) – autosomal-dominanter Erbgang (sehr häufig)
- Faktor VIII (antihämophiles Globulin A); – autosomal-rezessive Erbgang
- Hyperhomocysteinämie – Prävalenz für Träger der homozygoten MTHFR-Mutation (Methylen-Tetrahydrofolat-Reduktase (MTHFR)-Mangel) beträgt in der Normalbevölkerung 12-15 %, bei Patienten mit tiefen Venenthrombosen sogar bis zu 25 %. Der Anteil heterozygoter Träger kann bis zu 50 % ausmachen.(sehr häufig)
- Prothrombinmutation (Faktor II-Mutation) – autosomal dominanter Erbgang (sehr häufig)
- Protein-C-Mangel – autosomal-dominanter Erbgang
- Protein-S-Mangel – in der Regel mit autosomal-dominantem Erbgang; verursacht durch Mutationen im PROS1-Gen
- Sichelzellenanämie (med.: Drepanozytose; auch Sichelzellanämie, engl.: sickle cell anemia) – genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang, die die Erythrozyten (rote Blutkörperchen) betrifft; sie gehört zur Gruppe der Hämoglobinopathien (Störungen des Hämoglobins; Bildung eines irregulären Hämoglobins, dem sogenannten Sichelzellhämoglobin, HbS)
- Genetisches Risiko abhängig von Genpolymorphismen:
- Lebensalter – höheres Lebensalter (> 60 Jahre)
Verhaltensbedingte Ursachen
- Genussmittelkonsum
- Tabak (Rauchen)
- Adipositas (Übergewicht)
Krankheitsbedingte Ursachen
Blut, blutbildende Organe – Immunsystem (D50-D90)
- Thrombophilie (Thromboseneigung) – z. B. heterozygote Faktor V-Mutation (65 %), Protein C-Mangel (15 %), Protein S-Mangel (10 %), Hyperhomocysteinämie (10 %), Antiphospholipidantikörper (5 %)
Herzkreislaufsystem (I00-I99)
- asymptomatische Lungenembolie (2-13 %; gesichert durch systematische Lungenscans)
- Kann assoziiert auftreten mit einer tiefen Venenthrombose (TVT; vorwiegend distal; 6-36 %)
- Morbus Mondor (Synonyme: Mondor-Krankheit; Eisendrahtphlebitis, Phlebitis Mondor) – Thrombophlebitis der Venae thoracoepigastricae oder deren Äste an der Vorderseite des Thorax (Brustkorb). Dabei können auch die Mammae (Brüste) betroffen sein.
- Thrombangiitis obliterans (Synonyme: Endarteriitis obliterans, Morbus Winiwarter-Buerger, Von-Winiwarter-Buerger-Krankheit, Thrombangitis obliterans) ‒ Vaskulitis (Gefäßerkrankung), die mit rezidivierenden (wiederkehrenden) arteriellen und venösen Thrombosen (Blutgerinnsel (Thrombus) in einem Blutgefäß) einhergeht; Symptome: belastungsabhängige Schmerzen, Akrozyanose (Blaufärbung der Körperanhänge) und trophische Störungen (Nekrose/ Gewebeschäden, die durch das Absterben von Zellen entstehen und Gangrän der Finger und Zehen im fortgeschrittenen Stadium)
- Varikosis (Krampfadern)
Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)
- Kann assoziiert auftreten mit einem Malignom (Lunge, Prostata)
Labordiagnosen – Laborparameter, die als unabhängige Risikofaktoren gelten
- Hyperhomocysteinämie – erhöhte Konzentration der Aminosäure Homocystein im Blut
Medikamente
- Hormonersatztherapie (HET)
- Orale Kontrazeptiva (Antibabypille)
Weitere Ursachen
- Immobilität
- Krankenhausaufenthalt
- Schwangerschaft und Wochenbett; Risikofaktoren:
- Mütterliches Alter > 35 Jahre
- Adipöse Patientin
- Mehrlinge
- Präeklampsie – schwangerschaftsinduzierte Hypertonus (Bluthochdruck) und Proteinurie (erhöhte Ausscheidung von Eiweiß mit dem Urin)
- Traumata
- Hoher peripartaler Blutverlust – Blutung, die bei der Mutter kurz vor, während oder kurz nach der Geburt (peripartal) auftritt
- Notkaiserschnitt
- Trauma (Verletzungen)
- Venenwandverletzung (lokale Trauma) und ggf. auch bakterielle Infektion mit Entzündung der Venenwand (= sekundärer Thrombus/Blutpfropf) → Infusionsthrombophlebitis (häufigste Form der OVT in nichtvarikösen Venen)
- Intravenöse Katheter (Venenverweilkanüle)
- Intravenöse Infusionen mit venenreizenden Medikamenten wie Kalium oder Zytostatika (Medikamente zur Behandlung von bösartigen Neubildungen)
- Zust. n. Operationen