Hitzschlag und Sonnenstich – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Hitzeerkrankungen umfassen verschiedene Krankheitsbilder, die durch eine übermäßige Hitzebelastung entstehen. Sie reichen von milden Formen wie Hitzekrämpfen hin zum potenziell lebensbedrohlichen Hitzschlag. Die Pathogenese ist abhängig von der Dauer und Intensität der Hitzeeinwirkung, der individuellen Konstitution des Patienten und der Fähigkeit des Körpers, die überschüssige Wärme auszugleichen. Nachfolgend werden die wichtigsten Formen und ihre Pathogenese differenziert erläutert.

Sonnenstich

Ein Sonnenstich entsteht durch eine lang andauernde direkte Sonneneinstrahlung auf den ungeschützten Kopf und Nackenbereich, was zu einer lokalen Überwärmung und Irritation der Meningen (Hirnhäute) und des Hirngewebes führt. Dies kann eine Entzündungsreaktion im Gehirn und in den Hirnhäuten verursachen, die Kopfschmerzen, Übelkeit und im schlimmsten Fall neurologische Symptome wie Schwindel und Bewusstseinsstörungen auslöst.

  • Mechanismus: Die intensive Sonneneinstrahlung führt zur lokalen Vasodilatation (Gefäßerweiterung), einer vermehrten Durchblutung des Kopfbereichs und damit zu einer Erhöhung des intrakraniellen Drucks. Der Körper versucht, die Temperatur durch Schwitzen zu regulieren, was jedoch aufgrund der isolierten Überhitzung des Kopfbereichs bei einem Sonnenstich nicht ausreichend ist.

Hitzeerkrankungen und ihre Pathogenese

Hitzeerkrankungen können sich unabhängig voneinander und scheinbar schlagartig entwickeln, ohne dass es eine bestimmte Abfolge von Krankheitsstadien gibt.

Hitzekollaps (Hitzesynkope)

Ein Hitzekollaps (auch Hitzesynkope oder Hitzeohnmacht genannt) tritt auf, wenn es durch die Hitzeeinwirkung zu einer starken peripheren Vasodilatation (Gefäßerweiterung) kommt. Infolge der Umverteilung des Blutes in die peripheren Gefäße (z. B. Arme und Beine) sinkt der venöse Rückstrom zum Herzen ab, was einen Blutdruckabfall verursacht.

  • Mechanismus: Die reduzierte Blutmenge im zentralen Kreislauf führt zu einer vorübergehenden Minderdurchblutung des Gehirns. Die daraus resultierende Hypoperfusion (Minderversorgung) des Gehirns äußert sich in Schwindel, Schwäche und einer plötzlichen Synkope (kurzzeitiger Bewusstseinsverlust).

Hitzekrämpfe

Hitzekrämpfe entstehen durch Flüssigkeits- und Elektrolytverluste, insbesondere durch den Verlust von Natrium über starkes Schwitzen. Diese elektrolytische Dysbalance führt zu einer Übererregbarkeit der Muskeln.

  • Mechanismus: Die Reduktion der Natriumkonzentration im Extrazellularraum (Flüssigkeit außerhalb der Zellen) führt zu einer Veränderung des Membranpotentials der Muskelzellen, was unwillkürliche Muskelkontraktionen (Krämpfe) auslöst. Hitzekrämpfe treten typischerweise in der Bein- oder Bauchmuskulatur auf und sind schmerzhaft.

Hitzeerschöpfung

Die Hitzeerschöpfung ist eine Folge von Flüssigkeitsmangel (hydroprive Form) oder Salzmangel (saloprive Form) durch anhaltendes Schwitzen.

  • Hydroprive Hitzeerschöpfung: Entsteht durch Wasserverarmung bei unzureichender Flüssigkeitszufuhr. Der Körper versucht, die durch Schwitzen verlorene Flüssigkeit auszugleichen, was zu einer Hypovolämie (verminderte Blutmenge) und damit zu einer reduzierten Sauerstoffversorgung der Organe führt.
  • Saloprive Hitzeerschöpfung: Entsteht durch Verlust von Natrium und anderen Elektrolyten. Der daraus resultierende Salzmangel beeinträchtigt die neuromuskuläre Erregbarkeit und führt zu Muskelschwäche, Schwindel und Benommenheit.

Hitzschlag

Der Hitzschlag ist die schwerste Form der Hitzeschädigung und stellt einen medizinischen Notfall dar. Er tritt auf, wenn die Körperkerntemperatur auf über 40 °C ansteigt und die thermoregulatorischen Mechanismen des Körpers versagen. Die Überproduktion von Wärme und die Verminderung der Wärmeabgabe führen zu einer endogenen septischen Reaktion.

  • Mechanismus: Bei einem Hitzschlag kommt es zu einer zentralen Temperaturdysregulation und einer direkten Schädigung der Organe durch den Temperaturanstieg. Der Körper reagiert mit einer vermehrten Ausschüttung von Zytokinen (Entzündungsbotenstoffen), ähnlich wie bei einer Sepsis (Blutvergiftung), was zu einem Multiorganversagen (MOV) führen kann. Besonders betroffen sind Leber, Lunge und das zentrale Nervensystem (ZNS).
  • Risikofaktoren für Hitzschlag: Personen mit schweren Vorerkrankungen wie Diabetes mellitus oder Alkoholismus sind besonders gefährdet, da ihre thermoregulatorischen Mechanismen bereits eingeschränkt sind.

Zusammenhang zwischen Hitzeerschöpfung und Hitzschlag

Ein Hitzschlag entwickelt sich häufig aus einer Hitzeerschöpfung, wenn die thermoregulatorischen Mechanismen des Körpers durch den anhaltenden Flüssigkeits- und Elektrolytverlust weiter überfordert werden. Die Symptome verschlechtern sich rapide, und ohne rechtzeitige Therapie kann es zu einem lebensbedrohlichen Zustand kommen.

Klinische Relevanz und Prävention

Die Frühzeichen einer Hitzebelastung (z. B. Schwindel, Übelkeit, Kopfschmerzen) sollten frühzeitig erkannt und behandelt werden, um ein Fortschreiten zu schwerwiegenden Hitzeschäden wie einem Hitzschlag zu verhindern. Risikogruppen sollten in heißen Klimazonen besonders geschützt werden, und ausreichende Flüssigkeitszufuhr sowie die Vermeidung von direkter Sonnenexposition sind essenziell.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Lebensalter – höheres Alter*
  • Niedriger Fitnesslevel* (s.a. Übergewicht und Trainingszustand unter "Übergewicht")
  • Soziale Isolation (Risikofaktor für die Entwicklung eines Hitzschlags)
  • Leben im Dachgeschoss (Risikofaktor für die Entwicklung eines Hitzschlags)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Keine ausreichende Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr (Elektrolytmangel), d. h. unzureichende Ausgleich von Schweißverlusten
  • Genussmittelkonsum
    • Alkohol* (Alkoholkonsum gilt unabhängig von einer körperlichen Belastung als Risikofaktor für eine Hitzeerkrankung)
  • Drogenkonsum (kann eine Hyperthermie auslösen)
    • 3,4-Methylendioxypyrovaleron (MDPV, „Badesalze“)
    • Amphetamine (indirektes Sympathomimetikum) 
    • Kokain
    • "Magic mushrooms“ (Psilocybin)
    • Methylendioxyamphetamine (Ecstasy) 
    • Phenylcyclohexylpiperidin (PCP, „angel dust“)
  • Körperliche Aktivität
    • Sport
    • Schwere körperliche Belastung unter hoher Umgebungstemperatur und ungenügender Flüssigkeitszufuhr → belastungsinduzierte Hyperthermie
    • Keine Hitzeakklimatisation*
    • Dehydratation*
  • Schlafmangel*
  • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas)*; Hitzezwischenfall für:
    • Trainierte Übergewichtige: fast 4-fach höheres Risiko [1]
    • Untrainierte übergewichtige Rekruten: 8-fach erhöhtes Risiko [2]
  • Keine Kopfbedeckung (d. h. Sonnenbestrahlung auf den unbedeckten Schädel  thermische Meningitis/Hirnhautentzündung)
  • Wärmeisolierende Kleidung
  • Längeres Stehen in heißer Umgebung → s. u. Symptome/Hitzesynkope

Krankheitsbedingte Ursachen (hier: aktuelle Gesundheitssituation)*

  • Diabetes mellitus
  • Fieberhafte Erkrankungen
  • Kardiovaskuläre Erkrankungen (Herz-Kreislauf-Erkrankungen) (Risikofaktor für die Entwicklung eines Hitzschlags)
  • Virale Infektionen

Medikamente, die die Thermoregulation negativ beeinflussen bzw. eine Exsikkose (Austrocknung) provozieren können:

  • α2-Adrenozeptor-Agonisten (kurz α2-Agonisten) 
  • Abführmittel
  • Anticholinergika, Antidepressiva: Steigerung der Wärmeproduktion und somit Erhöhung der Körpertemperatur, was zu vermehrtem Schwitzen und damit auch zu Elektrolyt-Verlusten führt!
  • Antihistaminika
  • Benzodiazepine
  • Betablocker: Reduzierung des Herzzeitvolumens, was die Hitzeadaptation beeinträchtigen kann.
  • Calciumantagonisten (Calciumkanalblocker)
  • Diuretika und ACE-Hemmer/ Angiotensin II-Rezeptor-Antagonisten: Dehydratation und/oder Elektrolytimbalance durch eine Hyponatriämie 
  • Ephedrinhaltige Medikamente
  • Lithium
  • Neuroleptika, Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (Selective Serotonin Reuptake Inhibitor, SSRI): Hemmung der zentralen Thermoregulation
  • Mao-Hemmer
  • Muskarin-Rezeptorantagonisten: Verminderung der Schweißsekretion und damit Gefahr der Überhitzung
  • Phenothiazine
  • Salicylate
  • Schilddrüsenhormone
  • Sedierung durch dopaminerge und Parkinson-Arzneimittel: Senkung der Wahrnehmung der Hitzeerschöpfung bzw. Verminderung des Durstgefühls und damit Gefahr der Exsikkose
  • Serotoninfreisetzende Stoffe (SSRI, Tramadol, Triptane)
  • Trizyklische Antidepressiva

Umweltbelastung – Intoxikationen

  • Hohe Umgebungstemperatur*
    • Hitze (Hitzetag: > 30 °C; Wüstentag: > 35 °C)
      Beachte: Ab 37 Grad kann es für Menschen kritisch werden, besonders wenn es schwül ist. 
  • Hohe Luftfeuchtigkeit*
  • Fehlende Luftbewegung*
  • Fehlender Schatten*

*Risikofaktoren eines anstrengungbedingten Hitzschlags

Literatur

  1. Bedno SA, Li Y, Han W et al.: Exertional heat illness among overweight U.S. Army recruits in basic training. Aviat Space Environ Med 2010; 81: 107-11
  2. Bedno SA, Urban N, Boivin MR, Cowan DN: Fitness, obesity and risk of heat illness among army trainees. Occup Med 2014 Sep;64(6):461-7. doi: 10.1093/occmed/kqu062. Epub 2014 Jul 14.