Mandelentzündung (Tonsillitis) – Einleitung

Die Tonsillitis, umgangssprachlich als Mandelentzündung bekannt, ist eine entzündliche Erkrankung der Gaumenmandeln (Tonsillae palatinae), die durch virale oder bakterielle Infektionen verursacht wird. Die Entzündung führt typischerweise zu Halsschmerzen, Fieber und geschwollenen Mandeln. Sie kann akut oder chronisch verlaufen.

Synonyme und ICD-10: Angina; Angina catarrhalis; Angina Plaut-Vincentii; Angina tonsillaris; Pharyngotonsillitis; Streptokokken-Angina; Streptokokken Tonsillitis; Tonsillopharyngitis; ICD-10-GM J35.0: Chronische Tonsillitis; ICD-10-GM J03.-: Akute Tonsillitis

Anatomie und Funktionen

Die Gaumenmandeln (Tonsillae palatinae) gehören zum lymphatischen Rachenring und sind Teil des Immunsystems. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Erregern, die über den Mund- und Rachenraum in den Körper eindringen. Die Mandeln bestehen aus lymphatischem Gewebe und sind bei Kindern besonders aktiv, nehmen jedoch im Laufe des Lebens an Größe und Funktion ab.

Charakteristische Laborbefunde

Bei Tonsillitis können folgende Laborbefunde charakteristisch sein:

  • Leukozytose: Erhöhte Anzahl von weißen Blutkörperchen, insbesondere bei bakteriellen Infektionen.
  • Erhöhtes C-reaktives Protein (CRP): Ein Marker für akute Entzündungen im Körper.
  • Antistreptolysin-O-Titer (ASL-Titer): Hinweis auf eine Infektion mit Streptokokken der Gruppe A.
  • Schnelltest auf Streptokokken-Antigene: Kann in der Praxis durchgeführt werden, um eine Streptokokkeninfektion zu bestätigen.

Gemäß der aktuellen S2k-Leitlinie soll bei Patienten mit Halsschmerzen mit oder ohne Schluckbeschwerden nur noch eine der drei folgenden Diagnosen angegeben werden:

  • Akute Tonsillitis (Mandelentzündung)
  • Akute Pharyngitis (Rachenschleimhautentzündung)
  • Akute Tonsillopharyngitis (Entzündung der Mandeln und der Rachenschleimhaut)

Formen der Tonsillitis

Nach Lokalisation

  • Unilaterale (einseitige) Tonsillitis
  • Bilaterale (beidseitige) Tonsillitis

Nach klinischem Aspekt 

  • Katarrhalische Angina: Rötung und Schwellung der Tonsillen
  • Follikuläre Angina: Stippchenförmige fibrinöse Beläge auf den Krypten der Tonsillen
  • Lakunäre Angina: Rötung und konfluierende (ineinanderfließende) fibrinöse Beläge

Nach zeitlichem Verlauf 

  • Akut (Tonsillitis acuta)
  • Rezidivierende (akute) Tonsillitis (RAT): Wiederholtes Auftreten akuter Tonsillitiden mit beschwerdefreien oder beschwerdearmen Intervallen

Nach Schweregrad 

  • Einfache Tonsillitis
  • Eitrige Tonsillitis
  • Nekrotisierende (mit Vernarbung des betroffenen Gewebes einhergehende) Tonsillitis

Ursachen

Die akute Tonsillitis wird überwiegend durch virale Erreger wie Rhinoviren, Adenoviren, Coronaviren oder Influenzaviren verursacht. Etwa 20-30 % der Fälle sind jedoch bakterieller Natur, wobei Streptokokken der Gruppe A (Streptococcus pyogenes) der häufigste Erreger sind.

Differentialdiagnosen

Bei der Diagnose einer Tonsillitis sollten folgende Differentialdiagnosen in Betracht gezogen werden:

  • Mononukleose (Pfeiffersches Drüsenfieber)
  • Diphtherie
  • Epiglottitis (Kehldeckelentzündung)
  • Peritonsillarabszess (Abszessbildung/Eiterhöhle in dem die Gaumenmandel umgebenden lockeren Bindegewebe.)
  • Zahn- oder Kieferhöhlenentzündungen

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Tonsillitis tritt bei beiden Geschlechtern gleich häufig auf.

Häufigkeitsgipfel:
Die Erkrankung tritt häufiger bei Kindern und Jugendlichen auf, insbesondere im Alter zwischen 5 und 15 Jahren.

Prävalenz
(Krankheitshäufigkeit): Tonsillitis ist eine der häufigsten Infektionen des Hals-Rachen-Raums. Sie betrifft jährlich etwa 10 % der Kinder und 5-10 % der Erwachsenen.

Inzidenz
(Häufigkeit von Neuerkrankungen): In Industrieländern werden etwa 30-50 pro 1.000 Kinder und 10-20 pro 1.000 Erwachsene jährlich mit Tonsillitis diagnostiziert.

Saisonale Häufung der Erkrankung:
Tonsillitis tritt vermehrt in den kalten Jahreszeiten auf, insbesondere im Herbst und Winter.

Infektionsepidemiologie

Erreger: Viren (Rhinoviren, Coronaviren) und Bakterien (Streptococcus pyogenes).

Erregerreservoir:
Der Mensch.

Vorkommen:
Weltweit, besonders häufig in Regionen mit kühlerem Klima.

Mensch-zu-Mensch-Übertragung:
Ja, durch direkten Kontakt oder Tröpfcheninfektion.

Kontagiosität
(Ansteckungskraft bzw. Übertragungsfähigkeit des Erregers): Hoch, insbesondere bei ß-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A.

Übertragungsweg:
Tröpfcheninfektion durch Husten, Niesen oder engen Kontakt.

Eintrittspforte:
Schleimhäute des Rachenraums.

Inkubationszeit
(Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Erkrankung): 1-3 Tage.

Krankheitsdauer:
In der Regel 7-14 Tage.

Dauer der Infektiosität:
Bis 24 Stunden nach Beginn der Antibiotikatherapie bei bakteriellen Infektionen.

Seroprävalenz
(Häufigkeit des serologischen Nachweises spezifischer Antikörper): Hohe Durchseuchung in der Bevölkerung, insbesondere in Regionen mit kühlerem Klima.

Erregerspezifische Immunität:
Keine vollständige Immunität nach Infektion; Reinfektionen sind möglich.

Verlauf und Prognose

Verlauf

Akute Tonsillitis

  • Symptome: Beginnt häufig mit plötzlichen Halsschmerzen, Fieber, Schluckbeschwerden und geröteten, geschwollenen Mandeln. Es können weiße Beläge oder Eiteransammlungen auf den Mandeln sichtbar sein.
  • Dauer: Die Krankheitsdauer beträgt in der Regel 7-14 Tage.
  • Behandlung: Eine virale Tonsillitis heilt meist ohne Antibiotika. Eine bakterielle Tonsillitis, insbesondere durch ß-hämolysierende Streptokokken, erfordert in der Regel eine Antibiotikatherapie (Penicillin ist das Mittel der Wahl).

Rezidivierende (akute) Tonsillitis (RAT)

  • Symptome: Wiederholtes Auftreten akuter Tonsillitiden mit beschwerdefreien oder beschwerdearmen Intervallen. Kann zu chronischer Entzündung und häufigen Halsschmerzen führen.
  • Behandlung: In Fällen häufiger Rezidive kann eine Tonsillektomie (operative Entfernung der Mandeln) erforderlich werden.

Prognose

Akute Tonsillitis

  • Erholungsrate: Die Prognose bei einer akuten Tonsillitis ist in der Regel gut. Virale Infektionen heilen oft ohne spezifische Therapie, während bakterielle Infektionen nach Beginn der Antibiotikatherapie schnell abklingen.
  • Komplikationen: Bei korrekter und rechtzeitiger Behandlung sind Komplikationen selten. Eine unbehandelte bakterielle Tonsillitis kann jedoch zu schwerwiegenden Folgeerkrankungen wie akutem rheumatischem Fieber, Glomerulonephritis oder Endo-, Myo- und Perikarditis (Entzündung der Herzinnenhaut, des Herzmuskels und des Herzbeutels) führen.

Rezidivierende (akute) Tonsillitis

  • Langzeitprognose: Kann zu chronischer Tonsillitis führen, bei der die Gaumenmandeln dauerhaft entzündet bleiben. Dies kann zu wiederkehrenden Halsschmerzen und möglichen Folgeerkrankungen führen.
  • Chirurgische Intervention: Eine Tonsillektomie kann die Häufigkeit der Tonsillitiden reduzieren und die Lebensqualität verbessern. Nach der Entfernung der Mandeln tritt die Tonsillitis nicht mehr auf, jedoch kann es in seltenen Fällen zu anderen Infektionen im Rachenraum kommen.

Chronische Tonsillitis

  • Symptome: Anhaltende, oft milde Halsschmerzen, Mundgeruch, geschwollene Lymphknoten.
  • Behandlung: Oft wird eine Tonsillektomie empfohlen, um chronische Symptome und mögliche Komplikationen zu vermeiden.

Zusammenfassung

  • Akute Tonsillitis: Gute Prognose mit entsprechender Behandlung, seltene Komplikationen.
  • Rezidivierende Tonsillitis: Kann zu chronischen Beschwerden führen, operative Entfernung der Mandeln häufig notwendig.
  • Chronische Tonsillitis: Oft persistierende Symptome, Tonsillektomie kann Erleichterung und Vermeidung von Komplikationen bringen.

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Entzündliche Erkrankungen der Gaumenmandeln / Tonsillitis, Therapie. (AWMF-Register Nr. 017 - 024), August 2015. Langfassung