Infrarotstrahlung und Sonnenschutz
Infrarotstrahlung (IR-Strahlung), auch Ultrarot- oder Wärmestrahlung genannt, ist elektromagnetische Strahlung mit einer Wellenlänge zwischen 780 nm und 1 mm – sie liegt zwischen dem sichtbaren Licht und der Mikrowellenstrahlung [S2e-Leitlinie].
Unterteilung nach Wellenlänge:
- Nahes Infrarot (NIR bzw. IR-A): 780 nm-1400 nm
- Mittleres Infrarot (MIR bzw. IR-B): 1,4 µm-3 µm
- Fernes Infrarot (FIR bzw. IR-C): 3 µm-1 mm
Die kurzwelligen IR-A-Strahlen besitzen die größte Eindringtiefe und sind daher biologisch am wirksamsten. Mittlere und ferne IR-Strahlung werden überwiegend in den oberflächlichen Hautschichten (Epidermis) absorbiert.
Biologische Wirkungen und Risiken
Penetration und Absorption:
- IR-A-Strahlung dringt tief in die Haut bis in die Dermis (Lederhaut) ein. In tieferen Schichten fehlen Temperatursensoren, weshalb eine Überhitzung dort oft unbemerkt bleibt [S2e-Leitlinie].
- IR-B und IR-C werden überwiegend in der Epidermis (Oberhaut) absorbiert und führen zu Oberflächenerwärmung.
- Augenschäden: IR-B kann die Hornhaut und Linse schädigen; wiederholte Exposition erhöht das Risiko für Katarakt (Trübung der Augenlinse) [S2e-Leitlinie].
Thermische Wirkungen:
- IR-Strahlung wird in Wärme umgewandelt und führt zu:
- Vasodilatation (Gefäßerweiterung)
- gesteigerter Mikrozirkulation (Durchblutung kleinster Gefäße)
- Aktivierung der Schweißdrüsen
- transienter Gewebeerwärmung (kurzzeitige Erwärmung des Gewebes)
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Eine übermäßige Wärmeeinwirkung kann zu Verbrennungen, Erythema ab igne (netzförmige Hautveränderungen) oder Gefäßschäden führen [1].
Nicht-thermische Effekte:
- Oxidativer Stress: IR-A-Strahlung induziert reaktive Sauerstoffspezies (ROS – aggressive Sauerstoffverbindungen) und aktiviert Matrix-Metalloproteinasen (MMP-1, MMP-9 – Enzyme, die Bindegewebsstrukturen abbauen), was den Abbau von Kollagen und Elastin (strukturgebende Proteine der Haut) fördert [1].
- DNA-Schäden: In-vitro-Daten deuten auf DNA-Strangbrüche (Verletzungen der Erbsubstanz) und Genexpressionsänderungen hin, eine direkte Karzinogenität (Krebserzeugung) ist jedoch nicht belegt [2].
- Hautalterung: Wiederholte Exposition beschleunigt über oxidativen Stress und MMP-Aktivierung die Infrarot-induzierte Hautalterung (Faltenbildung).
Positive Effekte und therapeutische Nutzung
Kontrollierte IR-Strahlung kann physiologische und therapeutische Vorteile bieten:
- Förderung der Mikrozirkulation (Durchblutung kleinster Gefäße) und lokalen Durchblutung
- Beschleunigung der Wundheilung bei moderater FIR-Anwendung [3]
- Stimulation der Kollagensynthese (Bildung von Bindegewebseiweiß) und Erhöhung der Hautelastizität bei niedrig dosierter IR-A-Exposition [3]
- Muskelentspannung und Linderung muskuloskelettaler Beschwerden (Muskeln und Bewegungsapparat)
Diese Effekte treten bei niedriger Leistungsdichte auf; bei höherer Intensität überwiegen thermische Risiken.
Gefährdungspotenziale und arbeitsmedizinische Aspekte
Die S2e-Leitlinie „Arbeit unter Einwirkung von Infrarotstrahlung (Wärmestrahlung)“ (AWMF-Registernummer 002-010) beschreibt die Gefährdungen für Haut und Auge unter beruflicher Exposition (Berufseinwirkung):
Gefährdungen:
- Hautrötung, Verbrennung, Pigmentveränderungen
- Hornhaut- und Linsenschäden (Katarakt – Trübung der Augenlinse)
- Netzhautschäden (Schädigung der Retina) bei hoher NIR-Intensität (z. B. Laserquellen)
- Wärmestress und Hitzeschock (Überhitzungszustände)
Langzeitfolgen:
- Gefäßveränderungen, Kollagendegeneration (Abbau von Bindegewebe)
- mögliche Verstärkung UV-bedingter Hautschäden (synergistische Photokarzinogenese – gemeinschaftlich verursachte Hautkrebsauslösung)
Eine direkte karzinogene Wirkung ist bislang nicht nachgewiesen, synergistische Effekte mit UV-Strahlung sind jedoch möglich [1].
Schutzmaßnahmen gemäß [S2e-Leitlinie]
Technische Maßnahmen:
- Abschirmung oder Abschattung von Infrarotquellen
- Minimierung reflektierender Oberflächen
- Einhaltung sicherer Abstände
Organisatorische Maßnahmen:
- Begrenzung der Expositionszeit
- regelmäßige Pausen und Wärmeregulation
- Schulung und Aufklärung exponierter Personen
Persönliche Schutzmaßnahmen:
- hitzereflektierende Schutzkleidung
- Augenschutz (IR-absorbierende Filtergläser)
- ausreichende Hydratation (Flüssigkeitszufuhr) und Kühlung
- kontinuierliche Temperaturüberwachung bei längerer Wärmearbeit
Überwachung:
- arbeitsmedizinische Kontrolluntersuchungen (Haut, Auge)
- Dokumentation der Expositionsbedingungen
Infrarotstrahlung und Sonnenschutz im Alltag
Natürliche Sonnenstrahlung enthält bis zu 50 % Infrarotanteil. Zusammen mit UVA- und UVB-Strahlung trägt IR zur photothermischen Hautbelastung (kombinierte Licht- und Wärmewirkung) bei.
Empfohlene Schutzmaßnahmen:
- Aufenthalt im Schatten (besonders zwischen 11-15 Uhr)
- leichte, dicht gewebte Kleidung
- breitkrempiger Hut, Sonnenbrille mit IR- und UV-Filter
- ausreichende Flüssigkeitszufuhr
- Vermeidung direkter Wärmeeinwirkung durch heiße Oberflächen
Sonnenschutzmittel:
Konventionelle Präparate schützen vor UVA und UVB, nicht zuverlässig vor Infrarotstrahlung.
Antioxidantienhaltige Produkte (Vitamin C, E, Polyphenole) können IR-bedingten oxidativen Stress teilweise kompensieren, ihre Wirksamkeit ist aber bislang nicht standardisiert [1].
Fazit
Infrarotstrahlung ist ein wesentlicher Bestandteil des Sonnenlichts und wirkt sowohl physiologisch nützlich (z. B. Mikrozirkulation, Wärmehaushalt) als auch potenziell schädlich (oxidativer Stress, Hautalterung, thermische Schäden).
Die S2e-Leitlinie betont den Schutz von Haut und Augen, insbesondere bei beruflicher Exposition.
Im Alltag schützt die Kombination aus Kleidung, Schatten und antioxidativ wirksamer Hautpflege indirekt auch vor Infrarot-bedingten Schäden.
Eine standardisierte Infrarot-Filtertechnologie in Sonnenschutzmitteln ist Gegenstand aktueller Forschung.
Literatur
- Cho S, Shin MH, Kim YK, Seo JE, Lee YM, Park CH, Chung JH. Effects of infrared radiation and heat on human skin aging in vivo. J Investig Dermatol Symp Proc. 2009;14(1):15–19. doi:10.1038/jidsymp.2009.7
- Schroeder P, Haendeler J, Krutmann J. The role of near infrared radiation in photoaging of the skin. Exp Gerontol. 2008;43(7):629–632. doi:10.1016/j.exger.2008.04.010
- Vatansever F, Hamblin MR. Far infrared radiation (FIR): its biological effects and medical applications. Photonics Lasers Med. 2012;1(4):255–266. doi:10.1515/plm-2012-0034
Leitlinien
- S2e-Leitlinie: Arbeit unter Einwirkung von Infrarotstrahlung (Wärmestrahlung) – Gefährdungen und Schädigungen von Augen und Haut. (AWMF-Registernummer: 002-010), Juli 2019 Langfassung