Medikamente und Sonnenschutz

Zahlreiche systemisch (den ganzen Körper betreffend) oder topisch (äußerlich) verabreichte Medikamente können die Lichtempfindlichkeit (Überempfindlichkeit gegenüber Sonnenlicht) der Haut erhöhen. Dies geschieht durch phototoxische (lichtbedingte Gewebeschädigung) oder photoallergische (durch Licht ausgelöste allergische) Reaktionen, die bei Sonnenexposition (Sonnenbestrahlung) zu entzündlichen, pigmentverändernden oder bullösen (blasenbildenden) Hautreaktionen führen können [1, 2].

Ferner begünstigen hormonelle Medikamente wie orale Kontrazeptiva (Antibabypille) oder eine Hormonersatztherapie (HRT, Behandlung mit weiblichen Hormonen in den Wechseljahren) eine lichtinduzierte Überpigmentierung (Chloasma, Melasma – fleckige Braunfärbung).
Ein konsequenter Sonnenschutz ist daher bei medikamentös behandelten Patienten essenziell, um akute Hautschäden und langfristige photokarzinogene Effekte (lichtbedingte Krebserkrankungen der Haut) zu vermeiden.

Pathophysiologie der Photosensibilisierung

Photosensibilisierung (erhöhte Lichtempfindlichkeit) bezeichnet die Herabsetzung der Lichtreizschwelle der Haut durch chemische Substanzen, die entweder systemisch oder lokal (örtlich) wirken [1, 3].

Zwei Hauptmechanismen sind zu unterscheiden:

  • Phototoxische Reaktionen – direkte Zellschädigung durch energiereiche Lichtstrahlen, meist dosisabhängig.
  • Photoallergische Reaktionen – immunologisch vermittelte (durch das Abwehrsystem ausgelöste) Reaktionen vom verzögerten Typ nach Aktivierung eines Arzneistoffs durch Licht.

Die klinischen Manifestationen (sichtbaren Erscheinungen) reichen von verstärktem Sonnenbrand und Erythem (Hautrötung) bis zu Pigmentverschiebungen, Pseudoporphyrie (blasenbildende Hautveränderungen), Photoonycholyse (Ablösung der Nagelplatte), lichenoiden Reaktionen (flechtenartige Hautveränderungen), subkornealer Pustelbildung (Pusteln unter der Hornschicht), subakutem kutanem Lupus erythematodes (entzündliche Autoimmunerkrankung der Haut), phototoxischer Purpura (Kapillarblutungen) und langfristig Photokarzinogenese (lichtbedingte Entstehung von Hautkrebs, z. B. Plattenepithelkarzinom).

Nahezu jedes zweite in Deutschland verordnete Medikament kann potenziell photosensibilisierende Effekte zeigen [1-4].

Photosensibilisierende Medikamente

Wirkstoffgruppe Wirkstoff Wirkstoffgruppe Wirkstoff
Antidepressiva (stimmungsaufhellende Mittel) Amitriptylin, Clomipramin, Desipramin, Doxepin, Imipramin, Nortriptylin, Trimipramin, Sertralin, Citalopram, Fluoxetin Diuretika (harntreibende Mittel) Amilorid, Bendroflumethiazid, Furosemid, Hydrochlorothiazid (HCT), Spironolacton, Triamteren, Xipamid
Antiepileptika (Mittel gegen Krampfanfälle) Carbamazepin, Lamotrigin, Levetiracetam, Phenobarbital, Phenytoin, Topiramat, Valproinsäure Hormone Corticosteroide (Kortisonpräparate), Östrogene, Progesterone (Gelbkörperhormon), Tamoxifen
Antihistaminika (Mittel gegen Allergien) Cyproheptadin, Diphenhydramin, Loratadin Kardiovaskulär wirksame Substanzen (Herz-Kreislauf-Medikamente) Amiodaron, Captopril, Chinidin, Enalapril, Nifedipin, Simvastatin
Antimikrobielle Substanzen (Antibiotika und Antimykotika) Ciprofloxacin, Doxycyclin, Levofloxacin, Lomefloxacin, Minocyclin, Sulfamethoxazol/Trimethoprim, Voriconazol, Griseofulvin, Isoniazid Nichtsteroidale Antirheumatika (entzündungshemmende Schmerzmittel) Diclofenac, Ibuprofen, Ketoprofen, Naproxen, Piroxicam
Antipsychotika (Mittel gegen Psychosen) Chlorpromazin, Chlorprothixen, Fluphenazin, Haloperidol, Perazin, Promazin, Promethazin, Thioridazin Substanzen gegen Malaria Chinin, Chloroquin, Hydroxychloroquin, Mefloquin, Pyrimethamin
Systemische Dermatika (innerlich angewendete Mittel gegen Hautkrankheiten) Isotretinoin, Acitretin, Methoxsalen Zytotoxische und onkologische Substanzen (Krebsmedikamente) Azathioprin, Dacarbazin, Fluorouracil, Methotrexat (MTX), Procarbazin, Vemurafenib, Imatinib, Sorafenib
Weitere Goldsalze, Hämatoporphyrin    

(Aktualisiert nach Blakely et al. [3] und Hofmann & Weber [4])

Diagnostisches Vorgehen bei Verdacht auf phototoxische/photoallergische Reaktionen

  • Lichttreppen-Untersuchung (Phototestung – Testung der Lichtempfindlichkeit) mit Bestimmung der minimalen Erythemdosis (MED – kleinste UV-Dosis, die eine Hautrötung verursacht).
    Cave: Medikamente nicht absetzen.
  • Durchführung:
    • Testareal: lichtgeschützte Hautregion (z. B. Rücken).
    • Mehrstufige UV-Bestrahlung mit ansteigender Dosis („Lichttreppe“).
    • Auswertung nach 24 h: Ermittlung der minimalen Dosis, die ein Erythem hervorruft.
  • Ergebnis: Bestimmung der MED ermöglicht Beurteilung der individuellen Lichtempfindlichkeit und Planung der Therapie.

Prophylaktische Maßnahmen

  • Medikamente mit kurzer Halbwertszeit bevorzugt abends einnehmen.
  • Solarien meiden.
  • Sonnenexposition (Sonnenbestrahlung) zwischen 11 und 15 Uhr vermeiden.
  • Sonnenschutzmittel mit hohem UV-A- und UV-B-Filter verwenden.
  • Kleidung mit UV-Schutz tragen.
  • Bei Langzeiteinnahme: UV-undurchlässige Fensterfolien nutzen.

Therapeutische Maßnahmen

  • Topische Glucocorticoide (kortisonhaltige Cremes), ggf. kombiniert mit Antiseptika (keimtötende Mittel).
  • Verbrennungs-Therapie bei großflächigen, blasigen Reaktionen.
  • Hyperpigmentierungen (braune Flecken): Kombination aus Hydrochinon (5 %), Hydrocortison (1 %) und Tretinoin (0,1 %).
  • Lasertherapie bei Amiodaron- oder Minocyclin-induzierter Pigmentierung.

Weitere Hinweise

Neben Medikamenten können auch andere Substanzen Photosensibilisierung hervorrufen:

  • Saccharin (Süßstoff)
  • Zitronen- oder Limonenöl
  • Farb- und Duftstoffe
  • Parfüms mit Bergamotte- oder Zitronenöl – können unter UV-Einwirkung (Sonnenlicht) braune Flecken verursachen.

Fazit

Eine Vielzahl häufig verordneter Arzneimittel kann photosensibilisierende oder pigmentverändernde Reaktionen auslösen [1-4].
Eine sorgfältige Anamnese (Erhebung der Krankengeschichte) und Patientenaufklärung über Lichtschutzmaßnahmen sind entscheidend, um akute Hautschäden und langfristige photokarzinogene Risiken (lichtbedingte Hautkrebsrisiken) zu vermeiden.
Regelmäßige Anwendung von Sonnenschutzmitteln mit UV-A/UV-B-Filtern, physikalischem Lichtschutz (Kleidung, Brillen) und angepasster Medikamenteneinnahme sind die Grundlage einer sicheren Photoprotektion (Lichtschutzstrategie).

Literatur

  1. Drucker AM, Rosen CF. Drug-induced photosensitivity. Drug Saf. 2011;34(10):821-837. doi:10.2165/11592780-000000000-00000
  2. Moore DE. Drug-induced cutaneous photosensitivity: incidence, mechanism, prevention and management. Drug Saf. 2002;25(5):345-372. doi:10.2165/00002018-200225050-00004
  3. Blakely KM, Drucker AM, Rosen CF. Drug-Induced Photosensitivity—An Update: Culprit Drugs, Prevention and Management. Drug Saf. 2019;42(7):827-847. doi:10.1007/s40264-019-00806-5
  4. Hofmann GA, Weber B. Drug-induced photosensitivity: culprit drugs, potential mechanisms and clinical consequences. J Dtsch Dermatol Ges. 2021;19(1):19-29. doi:10.1111/ddg.14314

Leitlinie

  1. S3-Leitlinie: Prävention von Hautkrebs. (AWMF-Registernummer: 032 - 052OL), März 2021 Kurzfassung Langfassung