Vitamin D und Sonne

Ein maßvoller Aufenthalt in der Sonne kann physiologische Vorteile haben.
Sonnenlicht fördert die Bildung von Vitamin D, das für zahlreiche Stoffwechselprozesse, die Knochengesundheit und immunologische Regulationen essenziell ist.
Da die Vitamin-D-Zufuhr über die Ernährung meist unzureichend ist, kommt der körpereigenen Synthese in der Haut besondere Bedeutung zu.

Photobiochemische Mechanismen

Für die endogene Synthese ist die UV-B-Strahlung (ultraviolette Strahlung) im Wellenlängenbereich 280-315 nm entscheidend.
Sie bewirkt die Umwandlung von 7-Dehydrocholesterol (Vitamin-D-Vorstufe in der Haut) zu Cholecalciferol (Vitamin D₃).
Danach erfolgt die Hydroxylierung

  • in der Leber zu 25-Hydroxycholecalciferol (25-OH-Vitamin D) und
  • in der Niere zu 1,25-Dihydroxycholecalciferol (Calcitriol, aktive Hormonform).

Die Synthese hängt von Intensität, Dauer und Fläche der Sonnenexposition (Sonnenbestrahlung) ab; Gesicht und Hände allein genügen nicht.

Optimale Bedingungen der Vitamin-D-Bildung

Die Bildung ist nur bei ausreichender UV-B-Intensität möglich.
In Mitteleuropa wird die Schwelle typischerweise von April bis September überschritten – mit höchster Aktivität zwischen 11-15 Uhr, wenn der UV-Index ≥ 3 beträgt [S3-Leitlinie].

Empfohlene Sonnenexposition zur körpereigenen Vitamin-D-Bildung (UV-Index 3-8)

Hauttyp Merkmale UVI 3-4 UVI 5-6 UVI 7-8 Exponierte Fläche
I sehr hell, immer Sonnenbrand 15-20 min 8-12 min 5-7 min Gesicht, Hände, Unterarme
II hell, häufig Sonnenbrand 20-25 min 10-15 min 7-9 min Gesicht, Hände, Unterarme
III hell-beige, gelegentlich Sonnenbrand 25-30 min 12-18 min 9-12 min Gesicht, Hände, Unterarme
IV olivfarben, selten Sonnenbrand 35-45 min 18-25 min 12-15 min Gesicht, Hände, Unterarme
V dunkelbraun, sehr selten Sonnenbrand 50-70 min 30-40 min 20-30 min Gesicht, Hände, Unterarme
VI sehr dunkel, keine Sonnenbrände ≥ 70 min ≥ 40 min ≥ 30 min Gesicht, Hände, Unterarme

Hinweis:
Bei UV-Index ≥ 9 genügt bereits eine Exposition von 1-5 Minuten, insbesondere bei Hauttyp I–II, zur Vitamin-D-Bildung.
Aufgrund des erhöhten Sonnenbrandrisikos wird in diesen Fällen keine gezielte Sonnenexposition empfohlen – Supplementation (Einnahme als Nahrungsergänzung) ist vorzuziehen [S3-Leitlinie].

Physiologische Wirkungen von Vitamin D

Vitamin D (Calcitriol) besitzt zahlreiche endokrine (hormonelle) und parakrine (lokale) Funktionen:

  • Förderung der Zelldifferenzierung (Zellentwicklung)
  • Hemmung der Zellproliferation (Zellvermehrung)
  • Induktion der Apoptose (programmierter Zelltod)
  • Immunmodulation (Beeinflussung der Abwehrreaktionen)
  • Regulation hormoneller Systeme (Parathormon, Renin)

Folgen eines Vitamin-D-Mangels

Ein chronischer Mangel erhöht das Risiko für [1, 2, S3-Leitlinie]:

  • Autoimmunerkrankungen (Abwehrsystem greift eigenes Gewebe an) – z. B. Typ-1-Diabetes mellitus, Multiple Sklerose, Morbus Crohn, systemischer Lupus erythematodes
  • Dermatosen (Hautkrankheiten) – Psoriasis (Schuppenflechte)
  • Infektionen – z. B. Tuberkulose
  • Kardiovaskuläre Erkrankungen (Herz-Kreislauf-Erkrankungen) – arterielle Hypertonie (Bluthochdruck)
  • Malignome (bösartige Tumoren) – Kolonkarzinom (Dickdarmkrebs); Vitamin D und Calcium wirken protektiv [1]

Vitamin-D-Supplementation

Ein erniedrigter Vitamin-D-Status sollte nicht durch intensive Sonnenexposition kompensiert werden.
Die orale Substitution (Einnahme über Tabletten oder Tropfen) ist sicherer und leitliniengerecht empfohlen [2].

Dosierungsempfehlung:

  • Erwachsene – 20 µg (800 IE) täglich
  • Zielwert im Serum – ≥ 50 nmol/l (≥ 20 ng/ml)

Einfluss von Sonnenschutzmitteln auf die Vitamin-D-Bildung

Auch bei regelmäßigem Gebrauch von Sonnenschutzmitteln mit hohem LSF (Lichtschutzfaktor) bleibt die Vitamin-D-Synthese teilweise erhalten.
Studien zeigen stabile Serumspiegel, sofern gelegentlich unbedeckte Hautareale Sonnenlicht erhalten [3].

Ernährung als Vitamin-D-Quelle

Die diätetische Aufnahme (über Lebensmittel) ist meist unzureichend:

  • Kinder – 1-2 µg/Tag
  • Erwachsene – 2-4 µg/Tag

Diese Mengen erreichen nur ≈ 10-20 % des empfohlenen Tagesbedarfs (20 µg).
Eine Kombination aus maßvoller Sonnenexposition und Supplementation ist daher erforderlich [2].

Fazit

Eine kontrollierte Sonnenexposition ermöglicht eine ausreichende endogene Vitamin-D-Bildung, ohne das Risiko UV-induzierter Hautschäden signifikant zu erhöhen.
Kurze, regelmäßige Aufenthalte im Freien sind ausreichend; bei unzureichender Exposition ist eine Supplementation medizinisch indiziert [S3-Leitlinie].

Literatur

  1. Park SY, Murphy SP, Wilkens LR, Nomura AM, Henderson BE, Kolonel LN: Calcium and vitamin D intake and risk of colorectal cancer: the Multiethnic Cohort Study. Am J Epidemiol. 2007 Apr 1;165(7):784-93. Epub 2007 Jan 10.
  2. Stege H, Schwarz T: Vitamin D und UV-Schutz. Hautarzt 2017; 68:364-367. doi:10.1007/s00105-017-3982-8
  3. Kim S et al.: Prevalence and correlates of sun protections with sunburn and vitamin D deficiency in sun-sensitive individuals. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2020; 34: 2664-72 https://doi.org/10.1111/jdv.16681

Leitlinie

  1. S3-Leitlinie: Prävention von Hautkrebs. (AWMF-Registernummer: 032 - 052OL), März 2021 Kurzfassung Langfassung