Ursachen
Nierensteine (Nephrolithiasis)

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Ursache der Harnsteinbildung ist bislang nicht vollständig geklärt. Eindeutig ist jedoch, dass es sich um ein multifaktorielles Geschehen handelt.

Man diskutiert zwei Hypothesen

  • Kristallisationstheorie – Konkrementbildung in einer übersättigten Lösung
  • Kolloidtheorie – Anlagerung von Harnsalzen an harnpflichtige organische Substanzen

Wahrscheinlich liegt eine Kombination beider Theorien vor.
Unumstritten ist die Tatsache, dass eine übersättigte Lösung vorliegen muss. Dazu kommt, dass in allen Steinarten harnpflichtige organische Substanzen als Gerüst nachzuweisen sind.

Beachte: 

  • Die meisten Steine bestehen aus Calciumoxalat (80 % der Fälle)
  • Harnsteine ohne Calciumoxalat gehen mit einem erhöhten Risiko für Komplikationen einher, da solche Steine sehr groß werden können. Dabei handelt es sich in ca. 10 % der Fälle um Steine aus Harnsäure und in 8 % aus Carbapatit (Karbonathydroxylapatit, Dahlit) und in 2 % der Fälle aus Struvit (Infektstein, Magnesium-Ammonium-Phosphat-Hexahydrat), Brushit (Kalziumhydrogenphosphat-Dihydrat) und Zystin.
    Am größten waren die seltenen Steine: Struvit (7,9 mm), Zystin (6,8 mm) und Brushit (6,2 mm). Im Vergleich dazu hatten Steine mit Calciumoxalat-Monohydrat im Schnitt einen Durchmesser von 3,6 mm, solche mit Calciumoxalat-Dihydrat von 4,5 mm [6].
  • Harnsäure-, calciumphosphat- oder ammoniumurathaltige Nierensteine weisen stets auf eine systemische Säure-Basen-Störung hin. 

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Erkrankungen
    • Cystinurie – genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang; führt zu einer erhöhten Ausscheidung der Aminosäure Cystin, sowie den verwandten Aminosäuren Arginin, Lysin und Ornithin im Urin
    • Fructose-Transporter-Gens SLC2A9: genetisch bedingte Störung der renalen Ausscheidung der Harnsäure aufgrund einer Genvariante [1]
    • Hereditäre Hyperoxalurie (primäre Hyperoxalurie) – angeborene Stoffwechselstörung mit autosomal-rezessivem Erbgang, bei der zu viel Oxalat im Urin vorkommt
    • Infantile Hyperkalzämie (infantile Hypercalcämie) – genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang; Manifestationsalter: Kleinkindalter, Neugeborenenzeit; Kinder entwickeln nach Gabe höheren Dosen von Vitamin D zur Rachitisprophylaxe zum Teil eine symptomatische Hypercalcämie bei supprimiertem Parathormon (PTH) sowie eine Hypercalciurie (vermehrte Ausscheidung von Calcium im Urin) und Nephrokalzinose (Ansammlung multipler kleiner, strahlendichter Verkalkungen, die sich im Nierenparenchym verteilen)
    • Lesch-Nyhan-Syndrom (LNS; Synonyme: Hyperurikämie-Syndrom; Hyperurikose) – X-chromosomal-rezessiv vererbte Stoffwechselerkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis (Störung im Purinstoffwechsel)
    • Mukoviszidose (Zystische Fibrose) – genetische Erkrankung mit autosomal-dominantem Erbgang, die durch die Produktion von zu zähmen Sekret in verschiedenen Organen gekennzeichnet ist.
    • Renale tubuläre Azidose (RTA) – genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang, die zu einem Defekt der H+-Ionensekretion im Tubulussystem der Niere führt und infolgedessen zu einer Demineralisation des Knochens (Hypercalciurie und Hyperphosphaturie/vermehrte Ausscheidung von Calcium und Phosphat im Urin)
    • Xanthinurie – angeborene Stoffwechselstörung mit autosomal-rezessivem Erbgang, Störung im Purinstoffwechsel mit stark reduzierter Aktivität der Xanthinoxidase
    • 2,8-­Dihydroxyadeninurie (Mangel an Arginin-Phosphoribosyltransferase (APRT); autosomal-rezessiver Erbgang
  • Schwangerschaften – für Nulligravidae 5,2 % und steigert sich auf 12,4 % bei Frauen mit drei oder mehr Schwangerschaften [3]
  • Berufe  Ärzte, insbesondere Chirurgen (wg. schlechter Flüssigkeitsbilanz)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Dehydrierung (Austrocknung des Körpers) –durch Flüssigkeitsverlust oder mangelnde Flüssigkeitsaufnahme (Trinkmenge)
    • Fettreiche Ernährung
    • Hohe Aufnahme oxalsäurehaltiger Lebensmittel (Mangold, Kakaopulver, Spinat, Rhabarber)
    • Hohe Aufnahme von Calcium
    • Hohe Purinaufnahme (Innereien, Hering, Makrele)
    • Hoher Kochsalzkonsum (z. B. Konserven und Fertiggerichte)
    • Fructosehaltige Getränke [2] führen bei circa 5 % der Patienten zum Anstieg der Harnsäure-Serumspiegel – wegen Vorliegen einer Genvariante des Fructose-Transporter-Gens SLC2A9 – diese führt zur Störung der renalen Ausscheidung der Harnsäure [1]
    • Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – siehe Prävention mit Mikronährstoffen
  • Genussmittelkonsum
    • Alkohol (Frau: > 20 g/Tag; Mann > 30 g/Tag)
    • Tabak (Rauchen)
  • Körperliche Aktivität
    • Immobilität bzw. Immobilisation
  • Psycho-soziale Situation
    • Chronischer Stress (Dauerstress)
  • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas)

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Anorexia nervosa (Magersucht)
  • Benigne Prostatahyperplasie – gutartige Vergrößerung der Vorsteherdrüse (Prostataadenom)
  • Gastrointestinale Funktionsstörungen (Hochrisiko-Harnstein-Patienten: z. B. chronische Pankreatitis, Colitis ulcerosa, Dünndarmresektion, Morbus Crohn, Leberzirrhose, Zöliakie)
  • Diabetes mellitus*
  • Harnabflussstörungen bzw. Harntransportstörungen
  • Harnwegsinfekte (HWI)
  • Hyperparathyreoidismus, primärer ((pHPT) – Nebenschilddrüsenüberfunktion
  • Kolitis (Darmentzündung)
  • Maligne Erkrankungen (Krebserkrankungen), z. B. Prostatakarzinom, Hämoblastosen (bösartige Erkrankungen des blutbildenden Systems), osteolytische Knochentumoren
  • Metabolische Azidose (stoffwechselbedingte Übersäuerung) → Hemmung der proximal tubulären Phosphatresorption → vermehrte Phosphatfreisetzung aus dem Knochen und gesteigerte intestinale Phosphataufnahme → Erhöhung der renalen (nierenbedingten) Phosphatausscheidung
  • Metabolisches Syndrom* – klinische Bezeichnung für die Symptomkombination Adipositas (Übergewicht), Hypertonie (Bluthochdruck), erhöhte Nüchternglucose* (Nüchternblutzucker) und Nüchterninsulin-Serumspiegels (Insulinresistenz) und Fettstoffwechselstörung (erhöhte VLDL-Triglyceride, erniedrigtes HDL-Cholesterin). Des Weiteren ist häufig auch eine Koagulationsstörung (vermehrte Gerinnungsneigung), mit einem erhöhten Risiko für Thromboembolien nachzuweisen.
  • Neurogene Blase – Funktionsstörung der Harnblase aufgrund einer Störung im Nervensystem
  • Tumorlyse-Syndrom – potenziell lebensbedrohlicher Zustand, der beim raschen Zerfall von Tumoren (meist unter chemotherapeutischer Behandlung) auftritt

*Patienten mit gestörter Glukoseintoleranz (IGT), Diabetes mellitus und metabolischem Syndrom haben ein um ca. 25 % erhöhtes Risiko für Nierensteine [7].

Labordiagnosen – Laborparameter, die als unabhängige Risikofaktoren gelten

  • HDL-Cholesterin ↓ (je nach Studie < 40 bzw. 45 mg/dl bei Männern und < 50 bzw. 60 mg/dl bei Frauen) [5]
  • Hypercalcämie (Calciumüberschuss)
  • Hypercalciurie – erhöhte Calciumsausscheidung im Urin
  • Hyperglykämie (Überzuckerung), chronische [7]
  • Hyperoxalurie (zu hoher Blutoxalatspiegel) – bei verschiedenen Erkrankungen wie Morbus Crohn (chronisch-entzündliche Darmerkrankung), Pankreasinsuffizienz (Funktionsverminderung der Bauchspeicheldrüse) oder nach operativer Therapie bei Adipositas (Fettsucht)
  • Hyperurikämie – erhöhter Harnsäurespiegel im Blut
  • Triglyceride > 150 mg/dl [5]

Medikamente

  • Chronische Antibiotikatherapie (Medikamente zur Therapie von bakteriellen Infekten); Antibiotikaklassen [4]:
    • orale Sulfonamide: Odds Ratiovon 2,33 (95-%-Konfidenzintervall 2,19 bis 2,48)
    • Cephalosporine: 1,88 (1,75-2,01)
    • Chinolone/Fluorchinolone/Gyrasehemmer (Ciprofloxacin, Moxifloxacin, Nalidixinsäure, Norfloxacin, Lomefloxacin, Levofloxacin, Ofloxacin): 1,67 (1,54-1,81)
    • Nitrofurantoin/Methenamin: 1,70 (1,55-1,88)
    • Breitspektrumpenicilline: 1,27 (1,18-1,36) 
  • Laxantienabusus – Abhängigkeit von Abführmitteln
  • Protonenpumpenhemmer (Protonenpumpeninhibitoren, PPI; Säureblocker) – signifikante jährliche Zunahme des Nierensteinrisikos um 5 % und des Rezidivrisikos um 10 % im Vergleich zu solchen ohne PPI [8]
  • Vitamin D-Intoxikation (z. B. wg. Rachitisprophylaxe/Vorbeugung der Knochenerweichung bei Kindern)

Operationen

  • Urologische Eingriffe bzw. Operationen

Weiteres

  • Einzelnierensituation
  • Schwangerschaft – schwanger gewesen zu sein, führt zu einer Verdopplung des Erkrankungsrisikos

Literatur

  1. Vitart V, Rudan I, Hayward C, Gray NK, Floyd J, Palmer CN, Knott SA, Kolcic I, Polasek O, Graessler J, Wilson JF, Marinaki A, Riches PL, Shu X, Janicijevic B, Smolej-Narancic N, Gorgoni B, Morgan J, Campbell S, Biloglav Z, Barac-Lauc L, Pericic M, Klaric IM, Zgaga L, Skaric-Juric T, Wild SH, Richardson WA, Hohenstein P, Kimber CH, Tenesa A, Donnelly LA, Fairbanks LD, Aringer M, McKeigue PM, Ralston SH, Morris AD, Rudan P, Hastie ND, Campbell H, Wright AF.: SLC2A9 is a newly identified urate transporter influencing serum urate concentration, urate excretion and gout. Nat Genet. 2008 Apr;40(4):437-42. Epub 2008 Mar 9.
  2. Taylor EN, Curhan GC.: Fructose consumption and the risk of kidney stones. Kidney Int. 2008 Jan;73(2):207-12. Epub 2007 Oct 10.
  3. Reinstatler L et al.: Association of pregnancy with stone formation among US women: A National Health and Nutrition Examination Survey analysis 2007-2012. J Urol 2017, online 23. Februar; doi: 10.1016/j.juro.2017.02.3233
  4. Tasian GE et al.: Oral Antibiotic Exposure and Kidney Stone Disease. JASN Published online before print May 10, 2018, doi: 10.1681/ASN.2017111213
  5. Besiroglu H et al.: Association between blood lipid profile and urolithiasis: A systematic review and meta-analysis of observational studies. Int J Urol 2018, online 27. August https://doi.org/10.1111/iju.13781
  6. Keller EX et al.: Stone composition independently predicts stone size in 18,029 spontaneously passed stones. World J Urol 2019;37:2493–2499; https://doi.org/10.1007/s00345-018-02627-0
  7. Geraghty R et al.: Does chronic hyperglycaemia increase the risk of kidney stone disease? results from a systematic review and meta-analysis. BMJ Open 2020;10:e032094. doi:10.1136/ bmjopen-2019-032094n
  8. Liu W et al.: Association of proton pump inhibitor use with risk of kidney stones: an analysis of cross-sectional data from the US National Health and Nutrition Examination Survey (2007–2018). BMJ Open 2023;13:e075136. https://doi.org/10.1136/bmjopen-2023-075136
     
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