Tagesprofil des Urin-pH-Wertes (Messprotokoll)
Der Urin-pH-Wert ist ein orientierender Parameter zur Beurteilung der renalen Säureausscheidung und erlaubt Rückschlüsse auf den Säure-Basen-Haushalt des Organismus im Tagesverlauf. Voraussetzung für den optimalen Ablauf der Stoffwechsel- und Immunprozesse ist ein stabiles Säure-Basen-Gleichgewicht (Homöostase) der Körperzellen (Gleichgewichtszustand).
Alle Stoffwechsel- und Immunprozesse des Organismus besitzen einen relativ engen pH-Wert-Bereich, in dem sie optimal ablaufen. Der physiologische Blut-pH-Wert liegt bei 7,36-7,44. Außerhalb der Extremwerte von etwa 7,1 und 7,7 ist ein Leben nicht mehr möglich. Bereits geringfügige Abweichungen vom optimalen pH-Bereich können zahlreiche Stoffwechselprozesse beeinträchtigen und zur Entwicklung von Erkrankungen beitragen. Bei vielen chronischen Erkrankungen findet sich eine latente metabolische Azidose (verdeckte Stoffwechselübersäuerung), die endogene Regulations- und Selbstheilungsmechanismen behindert.
Die Analyse des Säure-Basen-Haushaltes erfolgt orientierend über die Bestimmung des Urin-pH-Wertes mittels Teststreifen. Die Untersuchung wird als Verlaufsbeobachtung durchgeführt, üblicherweise über einen Zeitraum von 5-7 Tagen. Hierzu eignen sich pH-Indikatorstreifen (z. B. Indikatorpapier für Uralyt-U), die in Apotheken erhältlich sind.
Synonyme
- Urin-pH-Tagesprofil
- pH-Tagesprofil des Urins
- Tagesprofil der renalen Säureausscheidung
Das Verfahren
- Benötigtes Material
- Urin (Spontanurin)
- pH-Teststreifen (Indikatorpapier)
- Vorbereitung des Patienten
- Keine spezielle Vorbereitung erforderlich
- Durchführung unter Alltagsbedingungen empfohlen
- Störfaktoren
- Unregelmäßige Messzeiten
- Akute Infekte
- Ausgeprägte diätetische Veränderungen
- Medikamente mit Einfluss auf den Säure-Basen-Haushalt
- Methode
- Semiquantitative Bestimmung des Urin-pH-Wertes mittels Indikatorpapier
Normbereiche (orientierend)
| Parameter / Messzeitpunkt | Referenz- bzw. Zielbereich | Bemerkung |
|---|---|---|
| Blut-pH (physiologisch) | 7,36-7,44 | Eng regulierter Normalbereich des extrazellulären Milieus (Flüssigkeitsraum außerhalb der Zellen) |
| Blut-pH (Extremgrenzen) | 7,1-7,7 | Außerhalb dieses Bereiches nicht mit dem Leben vereinbar |
| Urin-pH – erster Morgenurin | ca. 6,3-6,5 | Physiologisch leicht sauer |
| Urin-pH – postprandial (1-2 h nach Mahlzeiten) | ≥ 6,8 | Entspricht der physiologischen „Basenflut“ |
| Urin-pH – Tagesmittelwert | ≥ 6,3 | Orientierender Zielwert im Tagesprofil |
| Urin-pH – pathologische Untergrenze | < 6,0 | Hinweis auf latente metabolische Azidose (verdeckte Stoffwechselübersäuerung) |
| Urin-pH – Säurestarre | kein Wert > 5,5 | Ausgeprägte Störung der renalen Alkalisierung (verminderte Alkalisierung durch die Niere) |
Die angegebenen Norm- und Zielbereiche dienen der orientierenden Beurteilung im Rahmen eines Urin-pH-Tagesprofils und sind im klinischen Kontext zu interpretieren.
Durchführung des Tagesprofils
- Messung des Urin-pH-Wertes tagsüber alle 2-3 Stunden
- Dokumentation der Einzelwerte in einem Messprotokoll
- Durchführung über mindestens 5-7 Tage empfohlen
- Beachtung des zirkadianen Rhythmus (Tag-Nacht-Rhythmus) mit physiologischem Auf und Ab der pH-Werte
Interpretation
- Physiologische Konstellation
- Leicht saurer erster Morgenurin
- Postprandialer Anstieg des Urin-pH-Wertes („Basenflut“)
- Schwankungen des pH-Wertes im Tagesverlauf
- Hinweis auf latente metabolische Azidose
- Erster Morgenurin wiederholt < 6,0
- Mittelwert des Tagesprofils < 6,3
- Hinweis auf ausgeprägte Störung der renalen Alkalisierung („Säurestarre“)
- Kein gemessener pH-Wert im Tagesprofil > 5,5
Klinische Relevanz
- Urin-pH-Werte konstant < 6 im Tagesprofil
- Ausgeprägt saure Urinumgebung
- Begünstigung der Kokristallation von Harnsäure und Calciumoxalat
- Erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Urolithiasis (Harnsteinleiden)
- Chronische Konstellationen
- Assoziation mit persistierenden Stoffwechselstörungen
- Hinweis auf eingeschränkte endogene Regulationsmechanismen des Säure-Basen-Haushaltes
Weiterführende Diagnostik
- Blutgasanalyse
- Serum-Elektrolyte
- Nierenparameter
- 24-h-Urinanalyse bei Verdacht auf Nephrolithiasis (Nierensteinleiden)
- Ernährungs- und Medikationsanamnese
Beispiele
| 6 Uhr | 9 Uhr | 12 Uhr | 15 Uhr | 18 Uhr | 21 Uhr | |
| Normal | 6,3 | 7,0 | 6,5 | 6,8 | 6,3 | 7,1 |
| Übersäuerung | 5,8 | 6,3 | 6,0 | 6,4 | 5,8 | 6,2 |
| Säurestarre | 5,0 | 5,2 | 5,1 | 5,4 | 5,0 | 5,3 |
Urin-pH-Wert-Protokoll
Bitte tragen Sie jeden Morgen den pH-Wert Ihres ersten Urins ein.
Bitte erstellen Sie jeden zweiten Tag ein Tagesprofil Ihres Urin-pH-Wertes im 3-Stunden-Raster.
| Datum | Morgens erster Urin | 6 Uhr | 9 Uhr | 12 Uhr | 15 Uhr | 18 Uhr | 21 Uhr | Tages- Mittelwert |
Literatur
- Kraut JA, Madias NE. Metabolic acidosis: pathophysiology, diagnosis and management. Nat Rev Nephrol. 2010;6:274-285. https://doi.org/10.1038/nrneph.2010.33
- Worcester EM, Coe FL. Nephrolithiasis. Prim Care. 2008;35:369-391. https://doi.org/10.1016/j.pop.2008.01.005