Kreatinin-Clearance

Bei der Kreatinin-Clearance handelt es sich um eine Untersuchungsmethode zur Bestimmung der Clearance-Funktion der Nieren. Dieses ermöglicht eine relativ genaue Bestimmung der glomerulären Filtrationsrate (GFR) und damit die Beurteilung der Nierenfunktion.
Mit dem Begriff Clearance ist die Entfernung von bestimmten Substanzen aus dem Blut in einer bestimmten Zeit gemeint
.

Bei Kreatinin
handelt es sich um ein Stoffwechselprodukt, welches mit dem Harn ausgeschieden wird (harnpflichtig). Kreatinin wird im Muskelgewebe aus Creatin gebildet. Creatin selbst ist eine Substanz in den Muskeln, die der Energiespeicherung dient. Sie wird unter Belastung wieder abgegeben und renal als Kreatinin ausgeschieden.

Das Verfahren

Benötigtes Material

  • 24h-Sammelurin + Blutserum (zur Bestimmung des Serumkreatinins am Tag der Urinsammlung)

Vorbereitung des Patienten

  • Morgens wird mit dem Sammeln des Urins begonnen, wobei der Morgenurin des Starttages komplett verworfen wird.
  • Es muss eine Trinkmenge von mindestens 1,5 l/d (1,5-2 l pro Tag) gewährleistet sein.
  • Urin muss während der Sammelperiode vollständig gesammelt werden.
  • Am Ende der Sammelperiode ist es erforderlich, dass die Blase vollständig entleert wird.

Störfaktoren

  • Vor und während der Sammelperiode sollte
    • kein Fleisch gegessen werden
    • keine schwere körperliche Tätigkeit durchgeführt werden

Glomeruläre Filtrationsrate (GFR)

Normwerte – Frauen

Geschlecht Normwerte in ml/min
≈ 25. LJ 70-110
≈ 50. LJ 50-100
≈ 75. LJ 35-60

Normwerte – Männer

Geschlecht Normwerte in ml/min
≈ 25. LJ 95-140
≈ 50. LJ 70-115
≈ 75. LJ 50-80

Normwerte – Kinder

Alter Normwerte in ml/min
1.-2. Lebenswoche (LW) 25-35
3. LW- 2. Lebensmonat (LM) 25-55
3. -12. LM 35-80
> 12. LM > 90

Die Normwerte sind jeweils auf eine Körperoberfläche von 1,73 m² bezogen.

Indikationen

  • Verdacht auf Nierenerkrankungen jeglicher Art
  • Verdacht auf Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus, Hyperurikämie (Harnsäurestoffwechselstörung)
  • Verdacht auf Kollagenosen (Gruppe von Bindegewebserkrankungen, die durch Autoimmunprozesse bedingt sind) – systemischer Lupus erythematodes (SLE), Polymyositis (PM) bzw. Dermatomyositis (DM), Sjögren-Syndrom (Sj), Sklerodermie (SSc) und Sharp-Syndrom ("mixed connective tissue disease", MCTD)
  • Verdacht auf Hypertonie (Bluthochdruck)
  • Verdacht auf eine Schocksymptomatik
  • Verdacht auf toxische Nierenschädigung durch Medikamente, exogene Gifte oder andere Stoffe
  • Hämolyse (vermehrter Abbau von roten Blutkörperchen)
  • Myolyse (Zerstörung und Auflösung von Muskulatur)
  • Überwachung der Nierenfunktion bei der Gabe nephrotoxischer Medikamente

Sowie zur Therapiekontrolle der oben genannten Erkrankungen.

Interpretation

Interpretation erniedrigter Werte

  • Verminderte glomeruläre Filtration (akute bzw. chronische Niereninsuffizienz)

Akutes Nierenversagen (ANV)

Prärenal

  • Schock jeglicher Art
  • Exsikkose – Austrocknung durch Flüssigkeitsmangel

Renal

  • Akutes Nierenversagen durch verschiedenste Auslöser wie Medikamente oder Sepsis (Blutvergiftung)
  • Chronische Niereninsuffizienz – abnehmende Funktionsfähigkeit der Nieren
  • EPH-Gestose
  • Hämolyse
  • Myolyse
  • Plasmozytom
  • Rapid progressive Glomerulonephritis
  • Schwermetallintoxikation
  • Sepsis

Postrenal

  • Verlegung der Harnwege durch Steine, Tumoren o. Ä.
  • Opiate
  • Parasympatholytika

Chronische Niereninsuffizienz

  • Diabetische Nephropathie (Kimmelstiel-Wilson-Syndrom)
  • Glomerulonephritiden
  • Hypertonie
  • Interstitielle Nephritiden
  • Kollagenosen
  • Plasmozytomniere (Ig-Leichtketten-Proteinurie)
  • Renovaskuläre Nierenerkrankungen
  • Zystennieren

Interpretation erhöhter Werte

  • Glomeruläre Hyperperfusion, z. B.
    • Frühphase eines Diabetes mellitus
    • Schwangerschaft

Beachte: In einer finnischen Studie konnte nachgewiesen werden, dass bei einer eGFR ≥ 105 ml/min/1,73 m2 die Mortalität (Sterberate) rund doppelt so hoch wie bei Werten von 90-104 ml/min/1,73 mlag. Im Kollektiv der 45- bis 70-Jährigen fand sich bei 5,6 % der 1.747 beteiligten eine renale Hyperfiltration (RHF), definiert als eGFR ≥ 105 ml/min/1,73 m2 und ermittelt mit der CKD-EPI-Formel. In der RHF-Gruppe waren Vorhofflimmern (relatives Risiko +160 %) und periphere arterielle Verschlusskrankheit (+110 %) mit RHF assoziiert [3].

Weitere Hinweise

  • Zur Berechnung der Kreatinin-Clearance müssen folgende Daten vorliegen:
    • Sammelperiode (falls nicht exakt 24 Stunden)
    • Urinmenge
    • Körpergröße
    • Körpergewicht
    Berechnung der endogenen Kreatinin-Clearance
  • Die Kreatinin-Bestimmung gehört zu den häufigsten Laborbestimmungen, jedoch wird mehr und mehr das Cystatin C als Nierenfunktionsmarker eingesetzt. Dieser Parameter erkennt Einschränkungen früher!
    • Cystatin C zeigt im Bereich zwischen 80-40 ml/min (GFR) eine größere Sensitivität und Spezifität als Kreatinin im Serum.
    • Cystatin C ist des Weiteren geeigneter als die Kreatinin-Bestimmung zur Feststellung und Risikoklassifikation chronischer Nierenerkrankungen [1]
  • Junge Erwachsene mit subklinisch eingeschränkter Nierenfunktion [4]:
    • ab einer geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) von < 80 ml/min/1,73 m2 war ein stufenweiser Anstieg des relativen Risikos für MACE (engl.: major adverse cardiac event; Risiko für ein schweres kardiales Ereignis) bzw. MACE+ (plus Herzinsuffizienz /Herzschwäche) zu beobachten (vor allem bei den 18- bis 39-Jährigen): bei leicht reduzierter eGFR (70−80 ml/min/1,73 m2) war das MACE+-Risiko um 42 % erhöht.
  • Glomeruläre Filtrationsrate (GFR) und Alterungsprozess: Unter sorgfältig untersuchten gesunden Nierenspendern nimmt GFR mit einer Rate von 6,3 ml/min /1,73 m2 pro Jahrzehnt ab. Es besteht Grund zur Sorge, dass ältere Menschen mit chronischer Niereninsuffizienz falsch diagnostiziert werden. Neben diesem erwarteten Rückgang der Nierenfunktion liegt das niedrigste Mortalitätsrisiko (Sterberate) bei einer GFR von ≥ 75 ml/min/ 1,73 m2 für ein Alter < 55 Jahre, jedoch bei einer niedrigeren GFR von 45 bis 104 ml/min/1,73 m2 für ein Alter von ≥ 65 Jahren [2]. 

Literatur

  1. Shlipak MG, Matsushita K, Ärnlöv J, Inker LA, Katz R, Polkinghorne KR, Rothenbacher D, Sarnak MJ, Astor BC, Coresh J, Levey AS, Gansevoort RT: Cystatin C versus Creatinine in Determining Risk Based on Kidney Function. N Engl J Med 2013; 369:932-943 September 5, 2013. doi: 10.1056/NEJMoa1214234
  2. Denic A et al.: Structural and Functional Changes With the Aging Kidney. Adv Chronic Kidney Dis. 2016 Jan;23(1):19-28. doi: 10.1053/j.ackd.2015.08.004.
  3. Korhonen PE et al.: The Relationship of Kidney Function, Cardiovascular Morbidity, and All-Cause Mortality: A Prospective Primary Care Cohort Study. J Gen Intern Med 2022; https://doi.org/10.1007/s11606-022-07885-8
  4. Hussain J et al.: Impaired Renal Function and Major Cardiovascular Events in Young Adults. J Am Coll Cardiol 2023; https://doi.org/10.1016/j.jacc.2023.07.012

Leitlinien

  1. S1-Leitlinie: Bestimmung der glomerulären Filtrationsrate. (AWMF-Registernummer: 031 - 039), Januar 2017 Langfassung

     
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