Thrombozyten

Bei den Thrombozyten, den sogenannten Blutplättchen, handelt es sich um feste Bestandteile im Blut.

Sie sind mit nur 2-3 µm die kleinsten Zellen des Blutes und haben eine durchschnittliche Lebensdauer von 8-12 Tagen.

Thrombozyten entstehen durch Abschnürung der Megakaryozyten des Knochenmarks.

Sie haben ihre Funktion bei der Hämostase (Blutgerinnung), indem sie sich bei einer Verletzung des Blutgefäßes an das umliegende Gewebe anheften („Thrombozytenadhäsion“) oder aneinanderheften („Thrombozytenaggregation“), so verschließen sie die Verletzung. Zusätzlich setzen sie dabei gerinnungsfördernde Stoffe frei (Sekretion).

Thrombozyten können zudem auch Entzündungen verstärken: Sie sorgen dafür, dass Makrophagen (Fresszellen) und die neutrophilen Granulozyten (Untergruppe der Leukozyten (weiße Blutkörperchen)) mehr Inflammasome bilden [2]. Inflammasome sind zytosolische Multiproteinkomplexe des angeborenen Immunsystems, die verantwortlich sind für die Aktivierung von Entzündungsreaktionen.

Das Verfahren

Benötigtes Material

  • 3 ml EDTA-Blut (Bestimmung im Rahmen des kleinen Blutbildes); Röhrchen direkt nach der Abnahme durch Schwenken gründlich mischen

Vorbereitung des Patienten

  • Nicht nötig       

Störfaktoren

  • Blutprobe gut mischen

Normwert

Normwert in: Thrombozyten/μl 150.000-400.000

Indikationen

  • Basisdiagnostik der Hämatopoese (Blutbildung)

Interpretation

Interpretation erhöhter Werte (Thrombozytose)

  • Blutungen, nicht näher bezeichnet
  • Bösartige Neubildungen, nicht näher bezeichnet (z. B. fortgeschrittene Tumoren, M. Hodgkin, Non-Hodgkin-Lymphom (NDL))
  • Chronische Infektionen: chronische Tuberkulose, Osteomyelitis
  • Chronisch entzündliche Erkrankungen: M. Crohn, Colitis ulcerosa, Zöliakie, Sarkoidose, rheumatisches Fieber
  • Myeloproliferative Neoplasien (MPN) (früher: chronische myeloproliferative Erkrankungen (CMPE)): z. B.
    • Chronische myeloische Leukämie (CML)
    • Osteomyelosklerose (OMS)
    • Polycythaemia vera (PV; Synonyme: Polycythämie, Polyzythämie)
  • Post-Splenektomie-Syndrom (Synonyme: OPSI-Syndrom, engl. Overwhelming postsplenectomy infection syndrome) – besondere Verlaufsform einer bakteriellen Infektion nach Splenektomie (operativen Entfernung der Milz)
  • Posttraumatisch: Operationen, Verletzungen, Hämorrhagien
  • Regenerativ: Z. n. schweren Blutungen, hämolytischer Anämie, Knochenmarksuppression (Zytostatika, Strahlentherapie)
  • Schwere Entzündungen, nicht näher bezeichnet

Interpretation erniedrigter Werte (Thrombozytopenie (Thrombopenie), < 150.000/μl)

  • Synthesestörungen – aplastische Störungen: Fanconi-Syndrom; Knochenmarkschäden (Chemikalien – z. B. Benzol –, Infektionen (z. B. HIV); Zytostatikatherapie, Strahlentherapie)
  • Knochenmarkinfiltrationen (Leukämien, Lymphome, Knochenmarkmetastasen)
  • Reifungsstörungen (z. B. megaloblastäre Anämie/perniziöse Anämie)
  • Gesteigerter peripher Umsatz von Thrombozyten
    • Disseminierte intravasale Gerinnung; Disseminated Intravascular Coagulation (DIC-Syndrom, kurz: DIC; Verbrauchskoagulopathie) ‒ akut auftretende Gerinnungsstörung, die durch eine überschießende Aktivierung der Gerinnung verursacht wird
    • Idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP; Morbus Werlhof) ‒ Autoantikörper-vermittelte Störung der Thrombozyten; Häufigkeit: 1-4 %
    • Hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) ‒ meist bei Kindern im Rahmen von Infektionen auftretende hämolytische Anämie (Blutarmut) mit begleitender Niereninsuffizienz (Nierenschwäche)
    • Hypersplenismus – Komplikation der Splenomegalie; führt zur Steigerung der funktionelle Kapazität über das notwendige Maß hinaus; infolgedessen kommt es zur überschießenden Elimination von Erythrozyten (rote Blutkörperchen), Leukozyten (weiße Blutkörperchen) und Thrombozyten (Blutplättchen) aus dem peripheren Blut, sodass eine Panzytopenie (Synonym: Trizytopenie: Verminderung aller drei Zellreihen im Blut) entsteht.
    • Systemischer Lupus erythematodes (SLE) ‒ Kollagenose, die vor allem die Haut und viele innere Organe betrifft
  • Chronischer Alkoholismus
  • Gestationsthrombozytopenie (schwangerschaftsbedingte isolierte Thrombozytopenie; physiologischer Abfall: ca. 10 %); Manifestation (erstmaliges Auftreten): II./III. Trimenon (Schwangerschaftsdrittel); Verlauf: asymptomatisch; ca. 5-8 % aller Schwangerschaften Thrombozytenzahl < 150.000/μl 
  • HELLP-Syndrom (H = hemolysis (Hämolyse/Auflösung der Erythrozyten (rote Blutkörperchen) im Blut), EL = elevated liver enzymes (Erhöhung der Leberenzyme), LP = low platelets (Thrombozytopenie/Verminderung der  Blutplättchen)); ICD-10-GM O14.2) – Sonderform der Präeklampsie, die mit Blutbildveränderungen einhergeht; Häufigkeit: 15-22 %
  • Spontanblutungen, nicht näher bezeichnet
  • Medikamenteninduzierte Thrombozytopenie (siehe unter hämatoxische Medikamente); Häufigkeit: 

Weitere Hinweise

  • Bei Vorliegen einer asymptomatischen Thrombozytopenie sollte als erstes eine Pseudothrombozytopenie ausgeschlossen werden. Bei der Deutung Thrombozytopenie handelt es sich um einen Laborbefund. Diese wird dadurch ausgelöst, dass nach Blutentnahme die im Hämatologie-Probenröhrchen (EDTA-Blut) vorhandenen Thrombozyten – wg. Autoagglutinine vom IgG-Typ, die bei Vorhandensein des Antikoagulans Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA) in vitro zur Agglutination der Thrombozyten führen – verklumpen. Die Verklumpung der Thrombozyten führt dazu, dass deutlich weniger Thrombozyten gezählt werden als in vivo vorhanden sind. Die Abklärung erfolgt durch Thrombozytenbestimmungen im Citrat- oder Heparinblut mittels mikroskopischer Bilduntersuchung.
  • Beachte: Die positiven Vorhersagewerte einer Thrombozytose (> 400 x 109/l) für eine maligne (bösartige) Erkrankung liegen mit 11,6 % bei Männern und 6,2 % bei Frauen sehr hoch [1].
  • Bei Veränderungen der Thrombozytenzahl bzw. bei Zustand nach Myokardinfarkt (Herzinfarkt) kann das mittlere Thrombozytenvolumen (mean platelet volume; MPV) bestimmt werden.
  • Test zur Differentialdiagnose bei Thrombozytopenie: Bestimmung des Anteils unreifer Thrombozyten (% IPF) aus dem Blutbild:
    • Knochenmarkversagen: unreife Thrombozyten nicht erhöht (fehlende Neuproduktion)
    • gesteigerter Thrombozytenverbrauch: unreife Thrombozyten erhöht
  • Laborchemische Basisuntersuchungen bei Thrombozytopenie:
    • großes Blutbild mit Retikulozytenzahl [V. a. Infektion: Lymphozytose, Neutropenie, toxische Granulation]
    • direkter Antiglobulin/Coombs-Test 
    • Leber- und Schilddrüsenfunktionstests
    • virologische Diagnostik (z. B. HIV, HBV, HCV, CMV)
  • Weiterführende Diagnostik:
    • antinukleäre Antikörper (ANA)
    • Antiphospholipid-Antikörper (inkl. Lupusantikoagulanz)
    • Ausschluss des von Willebrand-Syndroms-Typ 2B oder defekte der VWF-spaltende Protease
  • Eine erhöhte Blutungsneigung besteht bei einer Thrombozytenzahl unter 150.000/μl. Spontane Hautblutungen können bei einer Thrombozytenzahl von 30-20.000/μl und spontane Blutungen bei Werten unter 10.000/μl auftreten.
  • Bei Patienten, insbesondere mit akuter Leukämie, ist die prophylaktische Transfusion von Thrombozyten (Thrombozytentransfusion) unter einem Grenzwert von 10.000/μl anerkannter Standard.

Literatur

  1. Bailey S et al.: Clinical relevance of thrombocytosis in primary care. Br J Gen Pract 2017; 67 (659): e405-e413. doi.org/10.3399/bjgp17X691109
  2. Rolfes V et al.: Platelets Fuel the Inflammasome Activation of Innate Immune Cells. Cell Reports 31, 107615, May 12, 2020 doi.org/10.1101/800771

     
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