Nitrosamine (z. B. NDMA, NDEA)

Nitrosamine sind eine Gruppe potenziell krebserregender (krebsauslösender) organischer Verbindungen, die aus der Reaktion von Aminen (chemische Stickstoffverbindungen) mit Nitriten (Salze der salpetrigen Säure) entstehen. Sie kommen ubiquitär (überall verbreitet) in Umwelt, Lebensmitteln, Tabakrauch und Arzneimitteln vor und gelten als relevante Umweltkontaminanten (Umweltschadstoffe) mit toxikologischer Bedeutung (gesundheitsschädlicher Wirkung).

Vorkommen und Expositionsquellen

  • Lebensmittel
    • Entstehen bei der Verarbeitung von gepökeltem Fleisch, Käse, Fisch und Bier, insbesondere bei hohen Temperaturen.
    • Bildung auch durch mikrobiellen Abbau (Zersetzung durch Bakterien) von Nitriten im Magen-Darm-Trakt.
  • Tabakrauch
    • Hohe Konzentrationen an Nitrosaminen, insbesondere in Nebenstromrauch (Rauch, der von der Zigarette aufsteigt).
  • Trinkwasser und Industrieabwässer
    • Bildung durch Chloraminierung (Desinfektionsmethode mit Chlorverbindungen) von Wasser, v. a. bei Vorhandensein von Vorläuferverbindungen.
  • Arzneimittel
    • Verunreinigungen mit Nitrosaminen (z. B. NDMA in Valsartan) durch Herstellungsprozesse oder Lagerung.
  • Kosmetika und Gummiprodukte
    • Freisetzung aus Nitrosamin-haltigen Zusatzstoffen (z. B. Vulkanisationsbeschleuniger in Gummi).

Toxikologie und gesundheitliche Wirkung

  • Kanzerogenität (krebserzeugende Wirkung)
    • NDMA (N-Nitrosodimethylamin) und NDEA (N-Nitrosodiethylamin) sind laut IARC (Internationale Krebsforschungsagentur) als wahrscheinlich bzw. sicher krebserregend eingestuft.
  • Organspezifische Toxizität (Giftigkeit bestimmter Organe)
    • Hepatotoxizität (Leberschädigung), Nephrotoxizität (Nierenschädigung) und genotoxische Wirkungen (Schäden an der Erbsubstanz) nachgewiesen.
  • Mutagenität und DNA-Schädigung
    • Direkte Interaktion mit Zellkernbestandteilen führt zu DNA-Addukten (Verbindungen zwischen Chemikalien und der Erbsubstanz).
  • Bioakkumulation (Anreicherung im Körper)
    • Gering; Nitrosamine werden in der Leber rasch metabolisiert (verstoffwechselt), aber ihre reaktiven Metaboliten entfalten karzinogene Wirkung.

Das Verfahren

  • Benötigtes Material
    • Blut, Urin (für Biomonitoring – Messung von Schadstoffen im Körper)
    • Umweltproben: Wasser, Lebensmittel, Rauchkondensate, pharmazeutische Produkte
  • Vorbereitung des Patienten
    • Keine spezielle Vorbereitung erforderlich bei Humanbiomonitoring (biologische Schadstoffmessung beim Menschen)
  • Störfaktoren
    • Aufnahme nitrosierender Substanzen (z. B. Nitrite) oder Amin-Vorstufen kann die endogene (körpereigene) Nitrosaminbildung beeinflussen
    • Lagerbedingungen, Licht, pH-Wert der Proben können die Stabilität beeinflussen
  • Methode
    • Gaschromatographie mit Massenspektrometrie (GC-MS – Trennverfahren mit anschließender Analyse nach Masse)
    • Flüssigchromatographie mit Tandem-Massenspektrometrie (LC-MS/MS – Flüssigtrennung mit Massenerkennung in zwei Schritten)
    • Validierung nach DIN/ISO oder FDA/EMA-Vorgaben bei Arzneimitteluntersuchung

Normbereiche (je nach Labor)

Substanz Grenzwert bzw. TDI (Tolerable Daily Intake – täglich tolerierbare Aufnahmemenge)
NDMA 0,096 µg/Tag (EMA)
NDEA 0,027 µg/Tag (EMA)
Summe Nitrosamine produktabhängig (z. B. ≤ 10-100 ng in Arzneimitteln)

Die tolerierbaren Grenzwerte richten sich nach toxikologischen Schwellen (Risikogrenzen) der ICH M7-Richtlinie.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Umweltanalytik bei Verdacht auf Exposition – z. B. Trinkwasser, Lebensmittel, Luft
  • Pharmakovigilanz (Arzneimittelsicherheit) – Nachweis und Bewertung von Verunreinigungen in Arzneimitteln
  • Arbeitsmedizinische Vorsorge – z. B. bei Beschäftigten in der Gummi- oder Tabakindustrie
  • Toxikologische Studien – Risikoabschätzung bei Exposition gegenüber Nitrit und Aminen

Interpretation

  • Erhöhte Werte
    • Hinweis auf exogene (von außen kommende) Exposition durch belastete Nahrung, Wasser, Medikamente oder Tabakrauch
    • Möglicher Hinweis auf erhöhte endogene Nitrosaminbildung bei nitrat-/nitritreicher Ernährung
  • Erniedrigte/nicht nachweisbare Werte
    • Kein Hinweis auf relevante Exposition
    • Möglicherweise unterhalb der Nachweisgrenze (technisch nicht mehr messbar) der verwendeten Methode
  • Spezifische Konstellationen
    • Kombinierter Nachweis von Nitrit, sekundären Aminen und Nitrosaminen als Hinweis auf nitrosierende Umgebung oder Stoffwechselaktivität

Weiterführende Diagnostik

  • Nachweis von Nitrit/Nitrat im Urin – zur Abschätzung der endogenen Nitrosaminbildung
  • DNA-Adduktanalyse – bei Verdacht auf karzinogene Effekte
  • Leberfunktionsparameter (ALT, AST, GGT) – bei hepatotoxischer Wirkung
  • Pharmakologische Rückstellmusterprüfung – bei Arzneimittelkontaminationen