Diagnostik umweltbedingter Erkrankungen in der Umweltmedizin
Die Umweltmedizin (medizinisches Fachgebiet zur Erkennung umweltbedingter Erkrankungen) bietet ein breites Spektrum diagnostischer Möglichkeiten, um umweltbedingte Erkrankungen zu erkennen und betroffene Patienten zielgerichtet zu behandeln. Voraussetzung für eine effektive Therapie ist die Identifikation der zugrunde liegenden Ursache und die konsequente Durchführung einer ursachenbezogenen Diagnostik (Diagnosefindung).
Erhebung der umweltmedizinischen Anamnese (medizinische Vorgeschichte)
Ein zentrales Element ist die ausführliche umweltmedizinische Anamnese (Erhebung der Krankengeschichte), die folgende Aspekte einschließt:
- Eigenanamnese und Familienanamnese – Symptome bei anderen Haushaltsmitgliedern (z. B. Kindern oder Ehepartnern) können auf eine gemeinsame Exposition (gemeinsamen Kontakt mit einem Schadstoff) hinweisen
- Berufsanamnese – Erfassung möglicher Expositionen (Belastungen) am Arbeitsplatz (z. B. Lösungsmittel, Metalle, Stäube)
- Wohnumfeldanamnese – Informationen zu Altbau, Schimmel, Sanierungen, Lüftungsverhalten
- Symptomatik – insbesondere unspezifische Allgemeinsymptome (allgemeine Beschwerden) wie
- Cephalgien (Kopfschmerzen)
- Vertigo (Schwindel)
- Müdigkeit,
- Insomnien (Schlafstörungen)
- Allergien, Infektanfälligkeit (häufige Infekte), Appetitlosigkeit
- Lebensstilfaktoren – inklusive Ernährungsgewohnheiten, Tabakkonsum, Nutzung chemischer Haushaltsprodukte
- Sozialanamnese (soziale Lebenssituation) – psychosoziale Belastungen und Lebenssituation
- Vorerkrankungen – insbesondere chronisch-entzündliche oder immunologische Grunderkrankungen (Störungen des Immunsystems)
Umweltanalytische Ortsbegehung (Beurteilung vor Ort)
In vielen Fällen ist eine Ortsbegehung (Begehung des Wohn- oder Arbeitsortes) erforderlich, um potenzielle Expositionsquellen (Schadstoffquellen) im Wohn- oder Arbeitsumfeld zu identifizieren. Dabei werden gezielt Proben entnommen – etwa aus der Raumluft, dem Hausstaub oder dem Trinkwasser – und im Rahmen einer Schadstoffanalytik (Untersuchung auf Schadstoffe) im Labor auf toxische Substanzen (giftige Stoffe) untersucht (z. B. Formaldehyd, VOC, PCB, Schimmelpilze).
Umwelttoxikologische Labordiagnostik (Labortests auf Umweltgifte)
Parallel zur Umweltanalytik erfolgt eine toxikologische Labordiagnostik (Bestimmung von Giftstoffen im Körper) am Patienten. Diese umfasst je nach Verdachtslage:
- Bestimmung von Schwermetallen (giftigen Metallen) (z. B. Blei, Quecksilber, Cadmium, Arsen) im Blut oder 24-Stunden-Urin
- Analyse organischer Schadstoffe (chemischer Umweltgifte) oder ihrer Metaboliten (Abbauprodukte) (z. B. Phthalate, Bisphenol A, Pestizide)
- Nachweis oxidativen Stresses (zellschädigender Sauerstoffverbindungen) oder Entzündungsmarker (z. B. 8-OHdG, hsCRP, IL-6)
- Allergologische Testung (Allergietest) (z. B. IgE, LTT (Lymphozytentransformationstest), Epikutantest) bei Verdacht auf sensibilisierende Stoffe
- Immunologische Untersuchungen (Untersuchungen des Immunsystems), falls eine immunologische Beteiligung vermutet wird
Die Wahl der Parameter richtet sich nach der Anamnese (Vorgeschichte), den Ergebnissen der Ortsbegehung sowie den klinischen Symptomen. Die gewonnenen Befunde erlauben eine gezielte Einordnung der Belastungssituation und eine differenzierte Risikobewertung (Einschätzung des Gesundheitsrisikos).
Integrierte Diagnostik und Therapieplanung
Die erhobenen Daten aus Anamnese, Umweltanalyse und Labordiagnostik werden im Kontext der klinischen Symptomatik (Krankheitszeichen) bewertet und dienen als Grundlage für eine patientenindividuelle Therapieplanung. Hierzu zählen:
- Meidung (Elimination) identifizierter Schadstoffquellen
- Sanierungsmaßnahmen im Wohnumfeld (z. B. Schimmelentfernung)
- Arbeitsplatzanpassungen in Kooperation mit Arbeitsmedizinern
- Medikamentöse und supportive Maßnahmen (z. B. unterstützende Behandlung mit Vitaminen, Antioxidantien, Mikronährstoffen)
- Langzeitmonitoring (längerfristige Beobachtung) bei persistierender Exposition oder chronischer Belastung
Ausblick
Die umweltmedizinische Diagnostik ist in ihrer Komplexität zeit- und ressourcenintensiv. Ihre Bedeutung wird jedoch im klinischen Alltag noch immer unterschätzt. Eine strukturierte, interdisziplinäre Herangehensweise ist unerlässlich, um umweltbedingte Erkrankungen adäquat zu erkennen, zu bewerten und nachhaltig zu behandeln.
Der nachfolgende Fragebogen zur Umweltanamnese hilft dabei, mögliche Umweltbelastungen systematisch zu erfassen. Er unterstützt Ihre behandelnde Ärztin bzw. Arzt dabei, gezielt weitere diagnostische Schritte einzuleiten. Nehmen Sie den ausgefüllten Fragebogen einfach zu Ihrem nächsten Arztbesuch mit.