Unterzuckerung (Hypoglykämie) – Anamnese
Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik der Hypoglykämie (Unterzuckerung) dar.
Familienanamnese
- Gibt es in Ihrer Familie bekannte Stoffwechselstörungen wie Diabetes mellitus?
 - Bestehen genetisch bedingte Erkrankungen, die den Kohlenhydratstoffwechsel (Zuckerstoffwechsel) oder die Hormonregulation beeinflussen können (z. B. Galaktosämie, Morbus Addison, hereditäre Fruktoseintoleranz)?
 - Sind Autoimmunerkrankungen (z. B. primäre biliäre Cholangitis, primäre sklerosierende Cholangitis, Lupus erythematodes, rheumatoide Arthritis) oder chronische Lebererkrankungen (z. B. Leberzirrhose (Leberschrumpfung), Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit), Morbus Wilson, Alpha-1-Antitrypsin-Mangel) in Ihrer Familie bekannt?
 
Sozialanamnese
- Beruf:
- Welchen Beruf üben Sie aus?
 - Arbeiten Sie körperlich schwer oder in Schichten (Schichtarbeit)?
 - Haben Sie berufsbedingt unregelmäßige Essenszeiten?
 
 - Gibt es Hinweise auf psychosoziale Belastungen, die Ihre Ernährung oder Gesundheit beeinträchtigen?
 
Aktuelle Anamnese / Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)
- Welche Symptome haben Sie bemerkt?
- Blässe?
 - Heißhunger?
 - Schwitzen?
 - Herzklopfen oder Herzrasen?*
 - Zittern?*
 - Schwindelgefühl oder Konzentrationsprobleme?*
 - Sehstörungen (z. B. Flimmern, Doppeltsehen)?*
 - Verwirrtheit oder das Gefühl, gleich das Bewusstsein zu verlieren?*
 - Müdigkeit, Schwächegefühl oder Muskelschwäche?
 
 - Seit wann bestehen diese Symptome?
 - Sind die Beschwerden plötzlich oder schleichend aufgetreten?
 - Treten die Symptome regelmäßig oder nur sporadisch auf?
 - Haben Sie eine Situation, die als Auslöser gelten könnte, festgestellt (z. B. körperliche Anstrengung, Mahlzeiten ausgesetzt)?
 - Wann haben Sie zuletzt gegessen/getrunken? Was genau?
 - Haben Sie nach dem Essen erneut Symptome erlebt?
 - Sind Ihnen bestimmte Nahrungsmittelunverträglichkeiten bekannt?
 - Treten diese Symptome verstärkt morgens auf oder nach längeren Essenspausen?
 - Gab es früher ähnliche Episoden?
 
Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese
- Geben Sie uns bitte Ihr Körpergewicht (in kg) und Ihre Körpergröße (in cm) an.
 - Haben Sie ungewollt an Körpergewicht verloren?
 - Ernähren Sie sich ausgewogen und regelmäßig?
 - Essen Sie häufig süße, schnell verdauliche Kohlenhydrate (z. B. Weißbrot, Gebäck, zuckerhaltige Getränke)?
 - Haben Sie längere Essenspausen zwischen den Mahlzeiten?
 - Bewegen Sie sich regelmäßig und ausreichend?
 - Trinken Sie Alkohol? Wenn ja, welches Getränk bzw. welche Getränke und wie viele Gläser pro Tag?
 - Haben Sie nach Alkoholgenuss häufiger Symptome wie Zittern oder Schwindel bemerkt?
 
Eigenanamnese
- Vorerkrankungen:
- Diabetes mellitus (Typ 1 oder Typ 2)?
 - Erkrankungen des Nervensystems (z. B. Polyneuropathie)?
 - Lebererkrankungen (z. B. Leberzirrhose (Leberschrumpfung))?
 - Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z. B. Herzinsuffizienz (Herzschwäche))?
 - Hormonelle Störungen (z. B. Nebenniereninsuffizienz (Nebennierenschwäche), Schilddrüsenerkrankungen)?
 
 - Hatten Sie in der Vergangenheit Operationen, insbesondere im Bereich des Magen-Darm-Traktes (z. B. Magenbypass)?
 - Haben Sie Allergien oder Unverträglichkeiten gegenüber Lebensmitteln oder Medikamenten?
 
Medikamentenanamnese
- Analgetika (Schmerzmittel)
- Opioide: Propoxyphen (bei Niereninsuffizienz), Tramadol [3]
 
 - Antiarrhythmika
- Chinidin
 - Disopyramid
 
 - Antibiotika
- Chinolone/Fluorchinolone/Gyrasehemmer (Ciprofloxacin, Moxifloxacin, Nalidixinsäure, Norfloxacin, Lomefloxacin, Levofloxacin, Ofloxacin): US-Arzneibehörde FDA warnt vor mentalen Störungen und hypoglykämischem Koma [9]
 - Ciprofloxacin, Clarithromycin, Levofloxacin, Trimethoprim/Sulfamethazol (in Kombination mit Sulfonylharnstoffen) [4]
 - Trimethoprim/Sulfamethazol bei Niereninsuffizienz (Nierenschwäche)
 
 - Antidiabetika
- Glinide (Nateglinid, Repaglinid)
 - Überdosierung von Insulin (insb. höhere Hypoglykämieneigung bei Frauen) [5]
 - Überdosierung von Sulfonylharnstoffen (SH) – Glibenclamid, Gliclazid, Glimepirid, Glipizid, Gliquidon, Tolbutamid
 - SH (Glipizid bzw. Glimepirid) in Kombination mit einem Vitamin-K-Antagonisten (VKA; hier Warfarin) [7]:
- 22 % erhöhtes Hypoglykämie-Risiko (Odds-Ratio [OR] 1,22); im Alter von 65-74 Jahren (OR 1,54) und in Quartalen mit erstmaliger Warfarineinnahme (OR 2,47).
 - 47 % erhöhtes Risiko für sturzbedingte Frakturen (Knochenbrüche), die die Patienten in die Notaufnahme brachten bzw. zur stationären Behandlung führten (OR 1,47)
 - 22 % erhöhtes Risiko für kognitive Störungen (Minderungen der geistigen Leistungsfähigkeit) (OR 1,22)
 
 
 - Betablocker – erhöhte Hypoglykämie-Gefahr nach Beginn der Therapie, d. h. ein 87 % höheres Risiko für eine Hypoglykämie im Vergleich zu Langzeitnutzern [12].
 - Chinin (eine natürlich in der Chinarinde vorkommende chemische Verbindung aus der Gruppe der Alkaloide)
 - Haloperidol (Neuroleptikum aus der Gruppe der Butyrophenone)
 - Kombination von mehreren Antidiabetika
 - Pentamidin (Wirkstoff aus der Gruppe der Antiparasitika)
 - Salicylate
 
Umweltanamnese
- Wurden Sie in der Vergangenheit bestimmten toxischen Substanzen ausgesetzt?
- Ackee-Frucht – Der Verzehr unreifer Ackee-Früchte kann aufgrund von Hypoglycin eine Hypoglykämie verursachen.
 - Pilztoxine – Manche Pilzgifte, wie z. B. Amanitin, können eine Hypoglykämie auslösen.
 - Lösungsmittel
 
 
* Falls diese Frage mit "Ja" beantwortet worden ist, ist ein sofortiger Arztbesuch erforderlich! (Angaben ohne Gewähr)
Unsere Empfehlung: Drucken Sie die Anamnese aus, markieren Sie alle mit „Ja“ beantworteten Fragen und nehmen Sie das Dokument mit zu Ihrem behandelnden Arzt.
Literatur
- Siehe unter "Unterzuckerung (Hypoglykämie)/Ursachen"