Säure-Basen-Haushalt-Regulation (Entsäuerung)

Alle wichtigen Stoffwechselprozesse (biochemische Abläufe im Körper) – enzymatische Reaktionen (durch Enzyme gesteuerte Vorgänge), Transportmechanismen (Stoffbewegungen durch Zellen), Membranpotentialveränderungen (elektrische Spannungsänderungen an Zellmembranen) etc. – sind abhängig von einem optimalen pH-Wert, der zwischen 7,38 und 7,42 liegt. Um sicherzustellen, dass der pH-Wert dauerhaft in diesem Bereich liegt, verfügt der Organismus über einen hochkomplexen Regulationsmechanismus: den Säure-Basen-Haushalt (Regulation des Gleichgewichts von Säuren und Basen).

Das Ziel ist die Homöostase (stabiler Gleichgewichtszustand) – das physiologische Gleichgewicht zwischen Säuren und Basen –, damit alle biochemischen und zellulären Vorgänge im Körper störungsfrei ablaufen können. Der Säure-Basen-Haushalt reguliert dabei primär die Konzentration der Wasserstoffionen (Säureteilchen). Ein Molekül, das H+-Ionen abgeben kann, wird als Säure bezeichnet, ein Molekül, das H+-Ionen aufnehmen kann, als Base. Die normale Wasserstoffionenkonzentration der extrazellulären Flüssigkeit (Flüssigkeit außerhalb der Zellen) beträgt etwa 40 nmol/l (4 × 10-8 Eq/l). Zur praktischen Handhabung dieser sehr niedrigen Konzentrationen wurde der logarithmische pH-Begriff eingeführt.

Im Rahmen des täglichen Stoffwechsels (Gesamtheit aller biochemischen Vorgänge) entstehen kontinuierlich Säuren, die respiratorisch (über die Atmung, als CO2) und metabolisch (stoffwechselbedingt, als nichtflüchtige Säuren) eliminiert werden müssen, um die Säure-Basen-Homöostase aufrechtzuerhalten.

Die wichtigsten Vorgänge zur Regulation des pH-Wertes der Körperflüssigkeiten sind:

  • Pufferung (Abfangen von Säuren und Basen) – sofortige intra- und extrazelluläre Neutralisation
  • Respiratorische Regulation (Regulation über die Atmung) – pulmonale Elimination (Ausscheidung über die Lunge) von CO2
  • Renale beziehungsweise metabolische Regulation (Regulation über die Nieren bzw. den Stoffwechsel) – Elimination von Wasserstoffionen [4]

Pufferung

Ein Puffersystem besteht aus zwei oder mehr chemischen Substanzen, die größere Schwankungen des pH-Wertes verhindern, indem sie Wasserstoffionen reversibel binden oder freisetzen.

Im Blut werden vier Puffersysteme unterschieden:

  • Kohlensäure-Bicarbonat-Puffersystem
  • Hämoglobin-Puffersystem (Pufferfunktion des roten Blutfarbstoffs)
  • Protein-Puffersystem (Pufferfunktion von Eiweißen)
  • Phosphat-Puffersystem

Das Kohlensäure-Bicarbonat-System ist der wichtigste extrazelluläre Puffer, da seine Komponenten kurzfristig regulierbar sind. Die CO2-Konzentration wird respiratorisch (über die Atmung), die HCO3--Konzentration renal (über die Nieren) kontrolliert. Funktionsstörungen von Lunge oder Niere manifestieren sich daher unmittelbar als Säure-Basen-Störungen [3, 4].

Respiratorische Regulation

Die respiratorische Regulation basiert auf der Reaktion: HCO3- + H+ ⇌ H2CO3 ⇌ CO2 + H2O. Kohlendioxid wird rasch über die Lunge eliminiert. Die respiratorische CO2-Elimination wirkt innerhalb weniger Minuten und stellt die physiologische CO2-Konzentration der Körperflüssigkeiten (≈ 1,2 mmol/l) wieder her [3].

Nichtflüchtige Säuren entstehen überwiegend aus dem Methionin- und Cystein-Metabolismus (Abbau) der Nahrungsproteine (Eiweiße). Weitere Quellen sind organische Säuren aus der unvollständigen Oxidation (Verbrennung) von Kohlenhydraten und Fetten, Harnsäure aus dem Nukleinsäureabbau sowie Phosphorsäure aus Phosphatverbindungen. Die Nahrung enthält keine freien Säuren oder Basen, wohl aber Säure- oder Basenäquivalente (z. B. Lysin bzw. Citrat).

Renale beziehungsweise metabolische Regulation

Die Niere sichert langfristig die Säure-Basen-Homöostase durch vollständige Rückresorption (Rückaufnahme) von filtriertem Bicarbonat und die Exkretion (Ausscheidung) von Wasserstoffionen. Im proximalen Tubulus (früher Abschnitt der Nierenkanälchen) katalysiert die Carboanhydrase (Enzym) die Bildung von Kohlensäure aus CO2 und Wasser, wodurch H+ sezerniert (abgegeben) und Bicarbonat regeneriert wird. Zusätzlich werden Wasserstoffionen an Nicht-Bicarbonat-Puffer (Phosphat, Ammonium) gebunden. Die renalen Regulationsmechanismen wirken verzögert über Stunden bis Tage.

Störungen des Säure-Basen-Haushaltes

Eine Azidose (Übersäuerung) ist definiert als eine Störung mit Säureüberschuss oder Basenverlust; der pH-Wert liegt unter 7,37. Eine Alkalose (Überbasung) ist durch Säureverlust oder Basenzufuhr gekennzeichnet; der pH-Wert liegt über 7,43.

Die Störungen des Säure-Basen-Haushaltes lassen sich in fünf Gruppen unterteilen:

  • Metabolische Alkalose
  • Metabolische Azidose
  • Latente metabolische Azidose*
  • Respiratorische Alkalose
  • Respiratorische Azidose

*Eine Sonderform ist die latente metabolische Azidose: Hier ist die Homöostase des pH-Wertes in ihren engen Grenzen noch erhalten.

Metabolische Alkalose

Die metabolische Alkalose entsteht durch Bicarbonatüberschuss oder Verlust von Wasserstoffionen (z. B. Erbrechen, Diuretikatherapie (Behandlung mit harntreibenden Medikamenten)) und führt zu einem Blut-pH-Wert über 7,45.

Therapie

Pharmakotherapie (medikamentöse Behandlung)
Ziel ist die Behandlung der Ursache. Je nach Konstellation kommen Kaliumchloridlösungen, Argininhydrochlorid oder in schweren Fällen verdünnte Salzsäure unter intensivmedizinischer Überwachung zum Einsatz.

Metabolische Azidose

Die metabolische Azidose wird durch eine Stoffwechselstörung mit Säureüberschuss oder Bicarbonatverlust verursacht; der Blut-pH liegt unter 7,36.

Therapie

Mikronährstofftherapie (Behandlung mit Mineralstoffen und Spurenelementen)
Geeignete basische Mineralstoffe sind:

  • Natriumbicarbonat
  • Kaliumcitrat
  • Magnesiumcitrat
  • Calciumcitrat

Die Wirksamkeit basischer Mineralstoffe ist evidenzbasiert belegt. Es konnte gezeigt werden, dass eine Supplementierung (Nahrungsergänzung) mit Magnesium-, Calcium- und Kaliumcitrat bei postmenopausalen Frauen (Frauen nach den Wechseljahren) zu einer verbesserten Calciumretention, einem positiven Stickstoffgleichgewicht und einer Hemmung des Knochenabbaus führt [2]. In der Gruppe der Patienten mit rheumatoider Arthritis (entzündliche Gelenkerkrankung) nahm unter basischer Mineralstoffsupplementierung die Schmerzintensität ab, sodass bei etwa einem Drittel der Patienten eine Reduktion der Medikation möglich war [1].

Latente metabolische Azidose

Der Begriff der latenten metabolischen Azidose ist kein standardisierter Leitlinienbegriff. Er wird in der evidenzbasierten Medizin verwendet für frühe Stadien einer Säureretention (Zurückhalten von Säuren), insbesondere bei chronischer Nierenerkrankung (dauerhafte Nierenschwäche), bei der trotz noch normwertigem Serum-Bicarbonat eine positive Säurebilanz bestehen kann, oder für eine diätetisch bedingte low-grade Säurelast (leichte säurebetonte Ernährung).

Eine manifeste metabolische Azidose wird leitliniengerecht über Blutgasanalytik (Analyse der Blutgase) und Serum-Bicarbonat definiert; surrogate Konzepte, wie alleinige Urin-pH-Messungen, sind hierfür nicht geeignet. Bezüglich des Skelettsystems (Knochensystems) bestehen plausible pathophysiologische Mechanismen (z. B. vermehrte Knochenpufferung), der Zusammenhang mit Osteoporose (Knochenschwund) ist jedoch als Assoziation zu werten, deren klinische Relevanz von Faktoren wie Nierenfunktion, Ernährungszusammensetzung und Mineralstoffzufuhr abhängt.

Respiratorische Alkalose

Die respiratorische Alkalose entsteht durch Hyperventilation (zu schnelle oder zu tiefe Atmung) mit vermehrter CO2-Abatmung und pH-Anstieg.

Therapie

  • Beseitigung der Grundstörung
  • Bei Hyperventilation – Rückatmung der ausgeatmeten Luft

Respiratorische Azidose

Die respiratorische Azidose wird durch Hypoventilation (zu flache oder zu langsame Atmung) verursacht. Durch unzureichende CO2-Elimination sinkt der Blut-pH-Wert unter 7,36.

Therapie

Akut

  • Verbesserung der Ventilation
  • Gegebenenfalls nichtinvasive oder invasive Beatmung

Chronisch

  • Bronchospasmolyse (Erweiterung der Bronchien)
  • Sekretolyse (Verflüssigung von Bronchialsekret)

Des Weiteren wurden die folgenden Fachbücher für die Verfassung dieses Artikels herangezogen [5-7].

Literatur

  1. Cseuz RM, Bender T, Vormann J: Alkaline mineral supplementation for patients with rheumatoid arthritis. Rheumatology 44, 2005, Supplement 1,i76
  2. Schaefer, Roland M: Störungen des Säure-Basen-Haushalts: Rationale Diagnostik und ökonomische Therapie. Deutsches Ärzteblatt 102, Ausgabe 26 vom 1.7.2005, Seite A-1869 / B-1603 / C-1509 Medizin
  3. Gunnerson KJ, Kellum JA. Acid-base and electrolyte analysis in critically ill patients. Curr Opin Crit Care. 2003;9(6):468-473. doi: https://doi.org/10.1097/00075198-200312000-00002
  4. Kraut JA, Madias NE. Metabolic acidosis: pathophysiology, diagnosis and management. Nat Rev Nephrol. 2010;6(5):274-285. doi: https://doi.org/10.1038/nrneph.2010.33
  5. Biesalski HK, Bischoff SC, Pirlich M, Weimann A (Hrsg.): Ernährungsmedizin. Nach dem Curriculum Ernährungsmedizin der Bundesärztekammer. 5. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2017
  6. Brandes R, Lang F, Schmidt RF (Hrsg.): Physiologie des Menschen mit Pathophysiologie. 32. Auflage. Springer Verlag, Berlin 2019
  7. Föller M, Stangl G (Hrsg.): Ernährung – Physiologische und Praktische Grundlagen. Springer Verlag Berlin 2021