Flüssigkeitsmangel (Dehydratation) – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Die Dehydratation bezeichnet einen Zustand des Flüssigkeitsmangels im Körper, der je nach Elektrolytverlust und Wasserhaushalt in unterschiedliche Formen unterteilt wird: isotone, hypotone und hypertone Dehydratation. Jede Form hat spezifische Mechanismen, die die Elektrolytverteilung und die Volumenregulation im intra- und extrazellulären Raum beeinflussen.
Primäre pathophysiologische Mechanismen
- Isotone Dehydratation
- Bei der isotonen Dehydratation kommt es zu einem Verlust von isotoner Extrazellulärflüssigkeit, was bedeutet, dass Wasser und Natrium in gleichen Mengen verloren gehen. Die Osmolarität bleibt somit stabil, aber das Gesamtkörpervolumen nimmt ab.
- Ursachen sind häufig Erbrechen und Diarrhoe (Durchfall), wobei Wasser und Elektrolyte gleichermaßen verloren gehen.
- Da die Osmolarität konstant bleibt, kommt es weder zu einem wesentlichen Flüssigkeitseinstrom noch -ausstrom in die Zellen. Die Dehydratation bleibt daher im Extrazellulärraum (Raum, der sich außerhalb der Zellen befindet) begrenzt.
- Hypotone Dehydratation
- Die hypotone Dehydratation entsteht durch einen übermäßigen Verlust von Natrium im Verhältnis zum Wasser, was zu einer Abnahme des extrazellulären Volumens und einem relativen Wassereinstrom in die Zellen führt.
- Der Körper reagiert auf das verringerte Volumen im Extrazellulärraum durch die Ausschüttung von antidiuretischem Hormon (ADH), was zu einer vermehrten Wasserretention durch die Nieren führt.
- Die resultierende Hyponatriämie (niedriger Natriumspiegel im Blut) führt zu einem Flüssigkeitseinstrom in die Zellen, da das Wasser dem Konzentrationsgefälle folgt. Dies kann insbesondere im Gehirn zu zerebralen Symptomen und einem Risiko für ein Hirnödem (Schwellung des Gehirns) führen.
- Hypertone Dehydratation
- Die hypertone Dehydratation entsteht durch einen Wasserverlust, der den Natriumverlust übersteigt. Dies führt zu einem intrazellulären Wassermangel, wodurch die Zellen Flüssigkeit in den extrazellulären Raum abgeben und schrumpfen.
- Diese Form der Dehydratation tritt häufig bei unzureichender Wasseraufnahme, starkem Schwitzen oder hohem Fieber auf.
- Da das Flüssigkeitsdefizit vorwiegend intrazellulär auftritt, dehydrieren auch die Gehirnzellen, was zu neurologischen Symptomen führen kann. Trotz des Flüssigkeitsmangels bleibt der Kreislauf relativ stabil, da Wasser aus den Zellen in den Extrazellulärraum übertritt.
- Typische Symptome sind starker Durst, Tachykardie (schneller Herzschlag über 100 Schläge pro Minute) und Kollapsneigung. Der Hämatokrit (Volumenanteil der Blutzellen im Verhältnis zum Blutvolumen) kann durch den Flüssigkeitsverlust nur geringfügig ansteigen.
Sekundäre pathophysiologische Veränderungen
- Beeinträchtigung des zerebralen Volumens: Besonders bei der hypo- und hypertonen Dehydratation kommt es zu Veränderungen des Flüssigkeitshaushalts in den Gehirnzellen, was zu neurologischen Symptomen wie Verwirrtheit, Schwindel und sogar Krampfanfällen führen kann.
- Kompensation durch hormonelle Regulation: Die Aktivierung von Hormonen wie ADH und dem Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) bei Volumenmangel fördert die Wasser- und Natriumretention, kann jedoch bei anhaltender Dehydratation zu einem Ungleichgewicht und weiteren Komplikationen führen.
Klinische Manifestation
Leitsymptome
- Durstgefühl: Besonders ausgeprägt bei hypertone Dehydratation.
- Polyurie oder Anurie: Hängt von der Form und Ursache der Dehydratation ab.
- Trockene Haut und Schleimhäute: Zeichen des Flüssigkeitsverlustes.
Fortgeschrittene Symptome
- Kreislaufprobleme: Hypotonie und Tachykardie, vor allem bei fortgeschrittener Dehydratation.
- Neurologische Störungen: Zerebrale Symptome wie Verwirrtheit oder Bewusstseinstrübung, besonders bei hyper- und hypotoner Dehydratation.
- Elektrolytstörungen: Störungen im Natrium- und Kaliumhaushalt.
Zusammenfassung und klinische Relevanz
Die Dehydratation ist eine häufige Störung des Wasserhaushalts, die in verschiedenen Formen auftreten kann: isoton, hypoton und hyperton. Jede Form hat spezifische pathophysiologische Mechanismen und klinische Symptome, die von einem relativen Wasser- und Elektrolytverlust abhängen. Während die isotonische Dehydratation durch einen gleichmäßigen Wasser- und Natriumverlust gekennzeichnet ist, führt die hypotone Dehydratation zu einem Risiko für Hirnödeme und die hypertone Dehydratation verursacht primär neurologische Symptome durch intrazellulären Wassermangel. Die Unterscheidung und frühzeitige Erkennung dieser Formen sind wichtig für die gezielte Behandlung und die Vermeidung von Komplikationen.
Ätiologie (Ursachen)
Isotone und hypotone Dehydratation
Verhaltensbedingte Ursachen
- Ernährung
- Unzureichende Flüssigkeitsaufnahme
- Inadäquater und nicht ausreichender Ersatz verloren gegangener Flüssigkeit durch Sport, Sauna, hohe Umgebungstemperaturen, Erkrankungen wie Erbrechen und Diarrhoe (Durchfall), Fieber
Isotone und hypotone Dehydratation – Natriumverluste
- Renale (nierenbedingte) Natriumverluste
- Primär-renale Verluste
- Polyurische Phase des akuten und chronischen Nierenversagens (Wiederherstellung der Nierenfunktion; durch massive Harnmengen bis zu 10 l/Tag starke Schwankungen im Wasser- und Elektrolythaushalt)
- „Salt-losing-nephritis“ (Salzverlustniere) – Verlust der Fähigkeit zur Natriumrückresorption, erhebliche Natriumausscheidung auch bei salzarmer Ernährung
- Sekundär-renale Verluste
- Diuretika-Therapie (Entwässerungstherapie)
- Morbus Addison (Nebennierenrindeninsuffizienz)
- Primär-renale Verluste
- Extrarenale (außerhalb der Niere bedingte) Natriumverluste
- Enterale Verluste (den Darmtrakt betreffend) durch starkes Erbrechen, Diarrhoe (Durchfall), Fisteln
- Drittraumverluste (Verlagerung von Flüssigkeit in Körperhöhlen) im Rahmen von Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung), Peritonitis (Bauchfellentzündung) oder Ileus (Darmverschluss)
- Verluste über die Haut, z. B. bei Verbrennungen
Hypertone Dehydratation
- Mangelnde Flüssigkeitsaufnahme
- bei/nach körperlicher Anstrengung oder hohen Umgebungstemperaturen
- vermindertes Durstempfinden im Alter
- krankheitsbedingt (z. B. Dysphagie (Schluckstörung), Stomatitis (Mundschleimhautentzündung), Ösophagitis (Speiseröhrenentzündung), Ösophagusstenose (Einengung der Speiseröhre))
- im Pflegefall oder bei Bewusstseinsstörungen
- Renale (nierenbedingte) Wasserverluste
- Akutes Nierenversagen (polyurische Phase; hohe Mortalität (Sterblichkeit))
- Diabetisches Koma, Diabetes insipidus
- Nephropathien (Nierenerkrankungen) mit eingeschränkter Konzentrationsfähigkeit
- Extrarenale (außerhalb der Niere bedingte) Wasserverluste
- Diarrhoe (Durchfall), Drainagen, Fieber, Fisteln, Ileus (Darmverschluss)
- Hyperventilation (beschleunigte Atmung)
- Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung)
- Sonden
- Starker Blutverlust, Sepsis (Blutvergiftung), Verbrennungen
- Starkes Erbrechen
- Starkes Schwitzen (Sport, Sauna, hohe Umgebungstemperaturen)*
- Stomata (z. B. künstlicher Darmausgang)
*Beachte: Ältere Menschen sind gegenüber Hitzeperioden besonders vulnerabel!
Iatrogene Ursachen (medikamentös bedingt)
- Isotone und hypotone Dehydratation
- Diuretika (Thiazide, Schleifendiuretika, kaliumsparende Diuretika)
- Laxanzienabusus (Missbrauch von Abführmitteln)
- SGLT2-Inhibitoren (z. B. Empagliflozin, Dapagliflozin)
- Hypertone Dehydratation
- Lithium (induzierte nephrogene Diabetes insipidus)
- Übermäßige Zufuhr osmotisch wirksamer Substanzen (z. B. Mannitol, hyperosmolare Infusionslösungen)