Bluthochdruck in der Schwangerschaft (hypertensive Schwangerschaftserkrankungen) – Medikamentöse Therapie

Therapieziele

  • Ziel: Normalisierung der Blutdruckwerte zur Vermeidung maternaler Komplikationen (Eklampsie [Krampfanfälle infolge schwerer Präeklampsie], zerebrale Blutungen [Gehirnblutungen], Herz-, Kreislauf-, Nieren- und Lungenversagen). Therapie schweren Verlaufsformen vorbehalten, Durchführung stationär. [S2k-Leitlinie HES]
  • Therapiebeginn: in der Regel ab ≥ 150-160/100-110 mmHg. [S2k-Leitlinie HES]
  • Evidenz milde Hypertonie (Bluthochdruck): Nutzen der Senkung auf < 140/90 mmHg auch bei 140/90 bis < 160/110 mmHg. [2]
  • Streng vs. weniger streng: diastolisches Ziel 85 mmHg vs. 100 mmHg ohne Hinweise auf fetale Wachstumsretardierung (Wachstumsverzögerung des Kindes); Absenkung bis 85 mmHg diastolisch erlaubt, sofern keine maternalen Komplikationen. [1]
  • Zielwerte Schwangerschaft: ≤ 135 mmHg systolisch und ≤ 85 mmHg diastolisch; diastolisch < 80 mmHg vermeiden („start low, go slow“). [S2k-Leitlinie HES]
  • Messkontext: Heim- bzw. 24-h-Grenzen niedriger (≥ 135/85 mmHg). [S2k-Leitlinie HES]

Therapieempfehlungen

  • Langzeittherapie: Behandlung schwangerschaftsbedingter Hypertonie (Bluthochdruck) primär mit Alpha-Methyldopa (Mittel der ersten Wahl). [S2k-Leitlinie HES]
  • Notfalltherapie (Akuttherapie): Urapidil oder Nifedipin (beide Off-Label-Use). [S2k-Leitlinie HES]
  • Eklampsie- bzw. Eklampsie-Prophylaxe: Magnesiumsulfat i.v. (Mittel der ersten Wahl). [S2k-Leitlinie HES]
  • Thromboseprophylaxe: Medikamentöse Prophylaxe sollte bei allen Frauen nach Präeklampsie (Schwangerschaftsvergiftung mit Bluthochdruck und Eiweißausscheidung) erfolgen, unter Abwägung des individuellen Blutungsrisikos. [S2k-Leitlinie HES]
  • Postpartale Überwachung: Nach Präeklampsie Blutdruckkontrollen über mindestens 12 Wochen; stationär ≥ 4-mal täglich. [S2k-Leitlinie HES]
  • HELLP-Syndrom (Hämolyse, erhöhte Leberwerte, Thrombozytopenie): Keine Evidenz für den Nutzen einer Corticoid-Gabe zur Behandlung von HELLP-Syndrom oder Präeklampsie. [S2k-Leitlinie HES]
  • Ambulant vs. stationär: schwere Verläufe stationär; moderate Verläufe ggf. ambulant mit enger Kontrolle. [S2k-Leitlinie HES]
  • Therapiestrategie: Monotherapie (Einzeltherapie) beginnen; Kombination erst bei unzureichender Wirkung nach Erreichen von 50 % der Maximaldosis. Dosisreduktion, wenn der diastolische Mittelwert an > 3 Tagen < 80 mmHg liegt. [S2k-Leitlinie HES]
  • Präeklampsie-Prophylaxe: 100 mg Acetylsalicylsäure (Aspirin) täglich von Schwangerschaftswoche (SSW) 12-36 bei Risikopatientinnen. [S2k-Leitlinie HES]
  • Postpartal (nach der Entbindung): Medikamentenwahl und Zielwerte gemäß Nationaler Versorgungsleitlinie (NVL) Hypertonie; Besonderheiten bei chronischer Nierenerkrankung (CKD) beachten. [S2k-Leitlinie Niere]
  • Besonderheiten CKD (chronische Nierenerkrankung): Zielwerte und Substanzwahl können abweichen; siehe S2k-Leitlinie „Nierenerkrankungen und Schwangerschaft“. [S2k-Leitlinie Niere]
  • Beachte: Schwangere Frauen profitieren bereits bei milder Hypertonie (ab 140/90 mmHg) von einer antihypertensiven Therapie (blutdrucksenkenden Therapie). [2]

Wirkstoffe (Hauptindikation) in der Langzeittherapie, oral, der schwangerschaftsbedingten Hypertonie

Wirkstoffgruppe Wirkstoff Besonderheiten
Antisympathikotonika (Mittel gegen erhöhte Sympathikusaktivität) Alpha-Methyldopa Mittel der ersten Wahl; einschleichend und ausschleichend dosieren
β₁-selektive Betablocker (Herzfrequenz-senkende Mittel) Metoprolol Mittel der Wahl unter Betablockern; Dosisanpassung bei Leberinsuffizienz (eingeschränkter Leberfunktion)
Calciumantagonisten (Calciumkanalblocker) Nifedipin retard Off-Label-Use; Dosisanpassung bei Leberinsuffizienz
Vasodilatatoren (gefäßerweiternde Mittel) Dihydralazin Wegen maternaler Nebenwirkungen nicht mehr empfohlen. [S2k-Leitlinie HES]
  • Alpha-Methyldopa
    • Wirkweise: Noradrenalin-Synthese, -Speicherung und -Freisetzung (Botenstoffaktivität) ↓
    • Kontraindikationen: Lebererkrankungen, schwere Niereninsuffizienz (Nierenschwäche)
    • Nebenwirkungen: Müdigkeit, Schlafstörungen, Kreislaufstörungen beim Aufstehen (orthostatische Dysregulation), Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Verstopfung
  • Metoprolol
    • Wirkweise: Selektive β₁-Rezeptorblockade → Herzfrequenz ↓, Blutdruck ↓
    • Kontraindikationen: AV-Block > Grad I (Herzleitungsstörung), Bradykardie (langsamer Puls), dekompensierte Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
    • Nebenwirkungen:
      • Mutter: Bradykardie, Bronchokonstriktion (Atemwegsverengung), Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Kopfschmerzen, Schwindel, Libidoverlust
      • Kind: Risiko für Wachstumsrestriktion (verzögertes Wachstum)
  • Nifedipin retard
    • Wirkweise: Blockade des Calcium-Einstroms in glatte Muskulatur → Gefäßerweiterung
    • Kontraindikationen: Koronare Herzkrankheit (Durchblutungsstörung des Herzens), schwere Hypotonie (niedriger Blutdruck)
    • Nebenwirkungen: Kopfschmerzen, Schwindel, Hitzewallungen (Flush), Reflextachykardie (kompensatorisch beschleunigter Puls)
  • Dihydralazin
    • Wirkweise: Arterielle Gefäßerweiterung, Senkung des peripheren Widerstands
    • Nebenwirkungen: Kreislaufstörungen beim Aufstehen, Kopfschmerzen, Reflextachykardie, Tachyphylaxie (Wirkungsabschwächung), Wasserretention (Wassereinlagerungen)

Wirkstoffe (Hauptindikation) in der Notfalltherapie (Akuttherapie) der schwangerschaftsbedingten Hypertonie

Wirkstoffgruppe Wirkstoff Besonderheiten
Antisympathikotonika Urapidil Off-Label-Use; Dosisanpassung bei Nieren-/Leberinsuffizienz
Calciumantagonisten Nifedipin (Kapsel) Off-Label-Use; Dosisanpassung bei Leberinsuffizienz
Vasodilatatoren Dihydralazin Wirkungseintritt nach 3-5 min (teilweise > 20 min); nicht mehr Mittel der Wahl
  • Urapidil
    • Wirkweise: α₁-Blockade (Gefäßerweiterung), zentrale serotonerge Agonistenwirkung
    • Kontraindikationen: Aorten-/Mitralklappenstenose (Herzklappenverengung), akutes Herzversagen
    • Nebenwirkungen: Kreislaufstörungen beim Aufstehen, Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen
  • Nifedipin (Kapsel)
    • Wirkweise: Blockade des Calcium-Einstroms → Gefäßerweiterung
    • Kontraindikationen: Koronare Herzkrankheit
    • Nebenwirkungen: Kopfschmerzen, Hitzewallungen (Flush), Reflextachykardie, Schwindel
  • Dihydralazin
    • Wirkweise: Arterielle Gefäßerweiterung, Senkung des peripheren Widerstands
    • Kontraindikationen: Schwere Koronare Herzkrankheit, Aortenstenose (Verengung der Hauptschlagaderklappe)
    • Nebenwirkungen: Kreislaufstörungen beim Aufstehen, Kopfschmerzen, Reflextachykardie, Wasserretention

Therapie der Eklampsie/Eklampsie-Prophylaxe (Krampfanfälle bei schwerer Präeklampsie)

Wirkstoffgruppe Wirkstoff Besonderheiten
Mineralstoffe Magnesiumsulfat Mittel der ersten Wahl; sicherer Serumspiegel 4-7 mg/dl; engmaschige Überwachung
Diuretika (Entwässerungsmittel) Furosemid Bei drohendem/persistierendem Lungenödem (Wasseransammlung in der Lunge)
Vasodilatatoren Nitroglyzerin Bei Lungenödem oder schwerer Hypertonie (Bluthochdruck); strenge Blutdruckkontrolle
  • Magnesiumsulfat
    • Wirkweise: Calciumantagonistisch, krampflösend (antikonvulsiv)
    • Überwachung: Patellarsehnenreflex (erloschen bei 8-12 mg/dl), Atemfrequenz > 12-14/min (Atemdepression ≥ 15 mg/dl), Diurese > 100 ml/4 h; Antidot: Calciumgluconat 10 ml i.v. über 2-3 min
    • Nebenwirkungen: Hitzewallungen, Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Schwitzen, Mundtrockenheit; bei Überdosierung Atemlähmung
  • Furosemid
    • Wirkweise: Hemmung der Natrium-/Chloridrückresorption in der Henle-Schleife (Nierenkanälchen)
    • Nebenwirkungen: Elektrolytstörungen, Volumenmangel, Hypotonie (niedriger Blutdruck)
  • Nitroglyzerin
    • Wirkweise: Freisetzung von Stickstoffmonoxid (NO) → Gefäßerweiterung
    • Nebenwirkungen: Kopfschmerzen, Hitzewallungen, niedriger Blutdruck (Hypotonie)

Prävention

  • ASS-Prophylaxe: 100 mg Acetylsalicylsäure (Aspirin) täglich SSW 12-36 bei Risikopatientinnen. [S2k-Leitlinie HES]
  • Screening: Präeklampsie-Screening im 1. Trimenon (Anamnese, Blutdruck, Blutmarker, Dopplersonographie der Plazenta [Gefäßultraschall]). [S2k-Leitlinie HES]
  • Langzeit-Nachsorge: Lebenslange kardiovaskuläre (Herz-Kreislauf-) Risikokontrolle empfohlen. [S2k-Leitlinie HES]

Supplemente (Nahrungsergänzungsmittel; Vitalstoffe)

Geeignete Nahrungsergänzungsmittel für Schwangere sollten die folgenden Vitalstoffe enthalten:

  • Vitamine (C, E, D3, K, B1, B2, Niacin (Vitamin B3), Pantothensäure (Vitamin B5), B6, B12, aktivierte Folsäure, Biotin)
  • Mineralstoffe (Kalium, Magnesium)
  • Spurenelemente (Chrom, Eisen, Jod, Molybdän, Selen, Zink)
  • Fettsäuren (Omega-3-Fettsäuren: Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA))
  • Sekundäre Pflanzenstoffe (Beta-Carotin)
  • Weitere Vitalstoffe (Fruchtsäuren – Citrat (gebunden in Magnesium- und Kaliumcitrat))

Beachte: Die aufgeführten Vitalstoffe sind kein Ersatz für eine medikamentöse Therapie. Nahrungsergänzungsmittel sind dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung in der jeweiligen Lebenssituation zu ergänzen.

Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.

Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können.

Literatur

  1. Magee L et al.: Less-Tight versus Tight Control of Hypertension in Pregnancy. N Engl J med 2015; 372:407-17
  2. Tita AT et al.: Treatment for Mild Chronic Hypertension during Pregnancy N Engl J Med. 2022 Apr 2. doi: 10.1056/NEJMoa2201295.

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Nierenerkrankungen und Schwangerschaft. (AWMF-Registernummer: 015 - 090), Oktober 2021 Langfassung
  2. S2k-Leitlinie: Hypertensive Erkrankungen in der Schwangerschaft (HES): Diagnostik und Therapie. (AWMF-Registernummer: 015-018), Juli 2024 Langfassung