Schlaf – Schlafstörungen
Zentrales Regulationssystem mit neuroendokriner Steuerung und circadianer Taktung
Der Schlaf ist ein hochkomplexer, physiologischer Zustand, der durch ein fein abgestimmtes Zusammenspiel neuroendokriner, metabolischer und immunologischer Systeme reguliert wird. Er unterliegt einer circadianen Steuerung, die über den suprachiasmatischen Nucleus (SCN) des Hypothalamus vermittelt wird – das zentrale Taktgeberorgan der inneren Uhr.
Der Schlaf-Wach-Rhythmus wird wesentlich durch die Interaktion folgender Strukturen und Hormone bestimmt:
- Hypothalamus – Schaltzentrale für den zirkadianen Rhythmus (über den SCN) sowie Regulator schlafinduzierender Neurotransmitter wie GABA (Gamma-Aminobuttersäure), Galanin, Orexin und Histamin.
- Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) – Steuerung schlafassoziierter Hormonsekretionen (z. B. Wachstumshormon, Cortisol).
- Pinealorgan (Epiphyse/Zirbeldrüse) – Synthese von Melatonin, dem zentralen Hormon der Schlaf-Wach-Regulation.
- Cortex cerebri (äußere Schicht des Großhirns) und Hirnstamm – Integration schlafmodulierender Impulse (Retikuläres Aktivierungssystem, REM/NREM-Schlafsteuerung).
Der zirkadiane Rhythmus beeinflusst zahlreiche hormonelle Prozesse, u. a. die Cortisolausschüttung, Insulinsensitivität, Prolaktinfreisetzung und die nächtliche Produktion von Wachstumshormon.
Die wichtigsten Risikofaktoren für Schlafstörungen
Ernährung
- Ungesunde Ernährung
- Stark zuckerhaltige, fettreiche oder nächtliche Mahlzeiten können den Schlaf-Wach-Rhythmus stören und die nächtliche Schlafarchitektur verändern.
- Mikronährstoffmangel
- Ein Mangel an Vitamin B6, Vitamin D, Kalium, Magnesium oder Tryptophan beeinträchtigt die Neurotransmittersynthese (z. B. Serotonin, Melatonin) und verschlechtert die Ein- und Durchschlafqualität.
Genussmittelkonsum
- Rauchen
- Nikotin hat eine aktivierende Wirkung auf das zentrale Nervensystem und reduziert die Tiefschlafanteile.
- Alkoholkonsum
- Alkohol verkürzt die Einschlafzeit, stört jedoch den REM-Schlaf* und führt zu fragmentiertem Schlaf mit häufigem nächtlichem Erwachen.
*Mit REM-Schlaf wird der Teil des Schlafes bezeichnet, in dem man träumt. Der Begriff REM-Schlaf ist abgeleitet von der Tatsache, dass sich im Traum die Augen unwillkürlich schnell und ruckartig bewegen (englisch: Rapid Eye Movement – REM).
Drogenkonsum
- Stimulanzien (Amphetamine, Kokain)
- Führen zu starker Aktivierung des ZNS und massiver Schlaflosigkeit.
- Sedativa (Benzodiazepine, Opiate)
- Stören die physiologische Schlafstruktur durch Reduktion von REM-Phasen und erhöhen das Risiko für Rebound-Insomnie.
Körperliche Aktivität
- Körperliche Inaktivität
- Bewegungsmangel ist mit einem erhöhten Risiko für Einschlafstörungen und nicht erholsamen Schlaf assoziiert.
- Späte intensive körperliche Aktivität
- Kurz vor dem Zubettgehen kann sie den sympathikotonen Zustand (Erregungszustand des sympathischen Nervensystems) verlängern und das Einschlafen verzögern.
Psycho-soziale Situation
- Chronischer Stress
- Dauerhaft erhöhte Cortisolspiegel und Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HPA-Achse) stören die Ein- und Durchschlafprozesse.
- Psychische Erkrankungen
- Depressionen, Angststörungen und PTBS gehen häufig mit massiven Schlafstörungen einher (Insomnie, Albträume, nächtliches Grübeln).
Schlafqualität
- Unregelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus
- Schichtarbeit, Jetlag und soziale Rhythmusstörungen führen zur Desynchronisation der inneren Uhr.
- Schlafapnoe und Schnarchen
- Wiederholte nächtliche Atempausen (Apnoen) reduzieren die Sauerstoffversorgung und führen zu Mikroerweckungen.
Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas)
- Adipositas
- Erhöht signifikant das Risiko für obstruktives Schlafapnoe-Syndrom durch Verengung der oberen Atemwege.
- Viszerale Fettverteilung
- Steht im Zusammenhang mit chronischen Entzündungsprozessen, die die Schlafqualität reduzieren können.
Schlafstörungen und Erkrankungen im Kontext dazu
- Schlafstörungen (Insomnie)
- Chronisches Müdigkeitssyndrom (CFS)
- Auswirkungen von Elektrosmog auf den Schlaf
- Müdigkeit
- Multiple Chemical Sensitivity (MCS)
- Oxidativer Stress und dessen Einfluss auf den Schlaf
- Schlafapnoe-Syndrom, sowohl in seiner obstruktiven als auch zentralen Form
- Schnarchen (Rhonchopathie)
- Stress und dessen Auswirkungen auf den Schlaf
Die wichtigsten diagnostischen Maßnahmen für Schlafstörungen
Anamnese und klinische Erhebung
- Schlafanamnese und Schlaftagebuch (Schlafprotokoll) – Dokumentation des subjektiven Schlafverhaltens, Ein- und Durchschlafstörungen, Wachphasen, Schlafqualität und Tagesmüdigkeit über mindestens zwei Wochen.
- Screeningfragebögen und Skalen (Selbstauskunftsformulare) – Einschätzung der Tagesmüdigkeit (z. B. Epworth Sleepiness Scale), Schlafqualität (Pittsburgh Sleep Quality Index, PSQI), Insomnie (Insomnia Severity Index, ISI) sowie schlafbezogener Atmungsstörungen (Berlin Questionnaire).
Labordiagnostik
- Vitamin-D-Spiegel (Vitamin-D-Gehalt im Blut) – Bei Verdacht auf schlafmodulierende Mangelzustände.
- Cortisol-Tagesprofil (Verlauf des Stresshormons über den Tag) – Zur Erfassung zirkadianer Dysregulation bei Stressassoziation (z. B. Hypercortisolismus oder „blunted“ Verlauf).
- Schilddrüsenhormone (TSH, fT3, fT4 – Hormone zur Steuerung der Schilddrüsenfunktion) – Ausschluss einer Hypo- oder Hyperthyreose (Schilddrüsenunterfunktion oder -überfunktion).
- Ferritin (Eisenspeicherwert) – Ausschluss eines Eisenmangels, insbesondere bei Restless-Legs-Syndrom (Syndrom der unruhigen Beine).
- HbA1c (Langzeitblutzuckerwert) – Detektion diabetischer Stoffwechsellage mit möglicher nächtlicher Hypoglykämie (Unterzuckerung) oder Polyurie (vermehrtem nächtlichen Wasserlassen).
- Melatonin (Schlafhormon) – Optional bei Verdacht auf zirkadiane Rhythmusstörung (Störung der inneren Uhr).
- CRP und andere Entzündungsmarker (Entzündungswerte im Blut) – Bei Verdacht auf inflammatorisch bedingte Fatigue (chronische Erschöpfung) oder Schlafstörungen.
- Testosteron (Freies Testosteron, Gesamt-Testosteron) und DHEA-S (männliche Geschlechtshormone) – Bei Männern ggf. zur Beurteilung hormoneller Ursachen von Insomnie (Schlaflosigkeit) oder Schlafapnoe (nächtliche Atemaussetzer).
Medizingerätediagnostik
- Polysomnographie (PSG – umfassende Schlaflaboruntersuchung) – Goldstandard zur objektiven Erfassung von Schlafarchitektur, Atmungsmustern, kardialer Aktivität (Herzaktivität), Muskeltonus und Bewegungsereignissen; empfohlen bei Verdacht auf Schlafapnoe, periodische Beinbewegungen (PLMS), Narkolepsie (Schlafsucht).
- Aktigraphie (Bewegungsmessung mit einem Sensor am Handgelenk) – Bewegungsbasierte Langzeiterfassung über 7–14 Tage zur Einschätzung des zirkadianen Rhythmus (Schlaf-Wach-Rhythmus), v. a. bei Insomnie oder zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmus-Störungen.
- Multiple Sleep Latency Test (MSLT – Einschlaflatenztest) – Standardverfahren zur Messung der Einschlaflatenz und zur Diagnostik von Narkolepsie.
- Maintenance of Wakefulness Test (MWT – Wachbleibetest) – Prüfung der Fähigkeit zum Wachbleiben unter monotonen Bedingungen; z. B. bei berufsbedingter Relevanz (z. B. Berufskraftfahrer).
- Kardiorespiratorische Polygraphie (vereinfachte Schlafmessung für zu Hause) – Screeningverfahren bei Verdacht auf obstruktive Schlafapnoe (Atemaussetzer während des Schlafes).
- Videoüberwachte Schlafdiagnostik (Schlaflabor mit Videoaufzeichnung) – Bei Verdacht auf parasomnische Ereignisse (z. B. REM-Schlaf-Verhaltensstörung oder Schlafwandeln).
Psychologische Testverfahren
- Depressions- und Angstskalen (Fragebögen zu seelischen Beschwerden) – Erfassung komorbider affektiver Störungen (z. B. depressive Erkrankung, generalisierte Angststörung).
- Stress- und Belastungsfragebögen (Selbsteinschätzung zur Stressbelastung) – z. B. Perceived Stress Scale (PSS), zur Einschätzung psychosozialer Belastungen.
- Kognitive Tests (Leistungstests für Gedächtnis und Konzentration) – Bei Verdacht auf schlafassoziierte kognitive Defizite (Beeinträchtigungen von Denken, Gedächtnis oder Aufmerksamkeit).
Welcher Arzt hilft Ihnen?
- Hausarzt/Internist – Erste Anlaufstelle bei chronischer Müdigkeit, Schlaflosigkeit oder Tagesmüdigkeit.
- Schlafmediziner – Durchführung von Polysomnographie, Diagnose komplexer Schlafstörungen und Einleitung von Therapien (z. B. CPAP).
- Neurologe/Psychiater – Abklärung neuropsychiatrischer Ursachen wie Insomnie, Restless-Legs-Syndrom oder REM-Schlaf-Verhaltensstörung.
- Endokrinologe – Diagnostik hormoneller Ursachen, z. B. Schilddrüsenfunktionsstörungen oder Cortisol-Dysregulation.
- HNO-Arzt – Abklärung obstruktiver Ursachen bei Schnarchen oder Schlafapnoe.
- Zahnarzt mit Schlafmedizin-Zusatzausbildung – Anfertigung von Unterkieferprotrusionsschienen zur Behandlung der obstruktiven Schlafapnoe.
Gesundheitscheck
Eine individuelle Therapie erfordert stets die Kenntnis Ihrer individuellen Gesundheitsrisiken und der mit verursachenden Faktoren Ihrer Erkrankung.
Check-up-Programme bei Ihrem Arzt
- Gesundheitschecks:
- Anti-Aging-Checks:
- Sportlerchecks:
Weitere Informationen zu den Gesundheitschecks
Literatur
- Winter Y. Kompendium Schlafmedizin. ecomed Medizin
- Steinberg R, Weeß HG & Landwehr R. (2010). Schlafmedizin – Grundlagen und Praxis (2. Aufl.). UNI-MED
- Pollmächer T, Wetter TC, Bassetti CLA, Högl B, Randerath W & Wiater A. (2020). Handbuch Schlafmedizin. Urban & Fischer Verlag
- Stuck BA, Heidbreder A, Maurer JT, Schlarb AA, Schredl M & Weeß HG. (2024). Praxis der Schlafmedizin (4. Aufl.). Springer Verlag