Müdigkeit – Einleitung

Müdigkeit beschreibt das subjektive Bedürfnis nach Schlaf oder Ruhe und stellt ein häufiges und komplexes Problem in der Medizin dar. Sie kann physiologisch (nichtorganisch) oder pathologisch (organisch) bedingt sein, wobei sie oft Symptom einer zugrunde liegenden Erkrankung ist.

Synonyme und ICD-10: Adynamie; allgemeine Ermüdungserscheinungen; allgemeine Mattigkeit und Müdigkeit; allgemeine Schwäche; allgemeiner Abbau; allgemeiner Schwächezustand; allgemeiner körperlicher Verfall; allgemeines Erschöpfungssyndrom; Asthenie; chronische Schwäche; chronischer Erschöpfungszustand; Entkräftung; Ermattung; Ermüdung; Erschöpfung; Erschöpfungszustand; Indisposition; Kraftlosigkeit; krankhafte Schwäche; Krankheitsgefühl; Kräfteverfall; körperliche Erschöpfung; körperlicher Abbauprozess; Körperschwäche; Lassitudo; Lethargie; Malaise; Mattigkeit; Müdigkeit; nervöse Schwäche; physischer Abbauprozess; postvirales Syndrom a.n.k.; Schwäche; Schwächezustand; unklares Erschöpfungsgefühl; Unwohlsein; Unwohlsein und Ermüdung; Vitalitätsverlust; ICD-10-GM R53: Unwohlsein und Ermüdung

Formen der Erkrankung

  • Nichtorganische (physiologische) Müdigkeit: Tritt auf, wenn der Körper Schlaf benötigt, aber nicht ausreichend bekommt (normalerweise 7-9 Stunden, je nach individueller Veranlagung).
  • Organische Müdigkeit (pathologisch): Ist eine Folge von Organerkrankungen oder anderen physischen Beeinträchtigungen (siehe Differentialdiagnosen).
  • Klassifikation nach Symptomdauer:
    • Jüngst/gegenwärtig: < 1 Monat
    • Erweitert: 1-6 Monate
    • Chronisch: > 6 Monate (z. B. Chronic-Fatigue-Syndrom, CFS)

Ursachen

  • Physiologische Ursachen: Schlafmangel, übermäßiger Stress, körperliche Überanstrengung.
  • Pathologische Ursachen: Zahlreiche Organerkrankungen, insbesondere endokrine Störungen, chronische Infektionen, autoimmune Erkrankungen, psychische Störungen (insbesondere Depressionen und Angststörungen), Anämie, Nebenwirkungen von Medikamenten, maligne Erkrankungen.
  • Rheumatische Erkrankungen: Bei 35-80 % der Rheumapatienten tritt Fatigue auf, oft assoziiert mit schlechtem Schlaf, Depression, Anämie (Blutarmut) und Komorbiditäten (Begleiterkrankungen) [1].

Differentialdiagnosen

  • Chronische Erkrankungen: Herzinsuffizienz, chronische Niereninsuffizienz, chronische Lebererkrankungen, COPD.
  • Endokrine Störungen: Hypothyreose, Diabetes mellitus.
  • Infektionskrankheiten: Chronische Virusinfektionen (z. B. Epstein-Barr-Virus), HIV.
  • Psychische Störungen: Depressionen, Angststörungen, Burnout-Syndrom.
  • Schlafstörungen: Insbesondere Schlafapnoe-Syndrom.
  • Maligne Erkrankungen: Fatigue bei Krebserkrankungen.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Frauen sind häufiger betroffen als Männer.

Prävalenz
(Krankheitshäufigkeit): 31 % der Bevölkerung über 16 Jahre leiden zumindest zeitweilig unter Ermüdungserscheinungen; in Hausarztpraxen ist Müdigkeit in 10-20 % ein Haupt- oder Nebenberatungsanlass. Die Prävalenz unerklärter Müdigkeit, die mindestens über einen Monat anhält, liegt in Deutschland bei 11 %, international zwischen 2 und 15 %.

Häufigkeitsgipfel:
 Erwachsene im mittleren bis höheren Alter.

Inzidenz
Scheiße: Nicht spezifisch dokumentiert.

Saisonale Häufung:
 Keine spezifische saisonale Häufung bekannt.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Akute Müdigkeit lässt sich in der Regel durch ausreichenden Schlaf oder Erholung beheben.
  • Chronische Müdigkeit kann sich über Monate bis Jahre hinziehen, besonders wenn eine zugrunde liegende Erkrankung nicht behandelt wird.
  • Bei anhaltender Tagesmüdigkeit sollte eine Abklärung auf Schlafapnoe-Syndrom erfolgen.
  • Starke Müdigkeit geht häufig mit zusätzlichen Symptomen wie Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen und Gereiztheit einher.
  • Sekundenschlaf durch starke Müdigkeit kann zu schweren Unfällen führen, weshalb eine frühzeitige diagnostische Abklärung notwendig ist.

Prognose

  • Abhängig von der zugrunde liegenden Ursache. Bei einer erfolgreichen Behandlung der Grunderkrankung bessern sich die Symptome der Müdigkeit häufig.
  • Patienten mit ungeklärter Müdigkeit sollten regelmäßig (alle 4 bis 6 Wochen) kontrolliert werden, um mögliche Ursachen rechtzeitig zu identifizieren.
  • Müdigkeit ist für ca. 60 % der Tumorpatienten das belastendste Symptom; bei Vorliegen einer Tumorerkrankung sollte immer an "Fatigue bei Krebserkrankungen" gedacht werden.

Weitere Hinweise

Soweit eine Krankheit Ursache der Müdigkeit ist, kann der Patient durch psychoedukative Maßnahmen in die Lage versetzt werden, durch Krankheitswissen angemessen und selbstverantwortlich zu handeln sowie sich bewusst nicht zu über- oder unterfordern.

Beachte: Bei Patienten, deren Müdigkeitsursache nach umfangreichen Untersuchungen ungeklärt bleibt, sollten im weiteren Verlauf alle 4 bis 6 Wochen Kontrolluntersuchungen, bis zur endgültigen Klärung der Ursache, erfolgen.

Literatur

  1. Primdahl J: Fatigue in Arthritis, SpA & systemic rheumatic diseases. Vortrag. EULAR-Kongress 2021, virtuell, 02.-05.06.2021.

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Müdigkeit. (AWMF-Registernummer: 053-002), Dezember 2022 Kurzfassung Langfassung
  2. S3-Leitlinie: Psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung von erwachsenen Krebspatient*innen. (AWMF-Registernummer: 032 - 051OL), Mai 2023 Kurzfassung Langfassung
  3. Deutsches Krebs-Forschungszentrum: FATIGUE: Erschöpfung und Müdigkeit bei Krebs. dkfz Februar 2024