Zangengeburt (Forcepsentbindung)

Die Zangengeburt (Forcepsentbindung; Zangenextraktion; Zangenentbindung) ist ein Operationsverfahren der Geburtshilfe, welches der Unterstützung der vaginalen Geburt (Geburt durch die Scheide) dient.

Die Zange ist ein geburtshilfliches Gerät, das zur Beendigung der Geburt aus Schädellage in der Austreibungsphase dient. Die Ursprünge der Zangenoperation gehen in das 17. Jahrhundert zurück. Der Engländer Chamberlen soll die erste Zange entwickelt haben. 1723 wurde das eifersüchtig behütete Geheimnis dieses Instrumentes gelüftet. Danach haben Geburtshelfer auf der ganzen Welt verschiedene Modelle von Zangen entwickelt [1].

Indikationen [2, 3, Leitlinie 1]

Geburtsbeendigung aus Schädellage (SL) in der Austreibungsphase aufgrund nachfolgender Indikationen:

  • Mutter
    • Geburtsstillstand
    • Erschöpfung der Mutter
    • Kontraindikationen (Gegenanzeigen) zum Mitpressen, z. B. kardiopulmonale, zerebrovaskuläre Erkrankungen (Herz- und Lungenerkrankungen und Erkrankungen, welche die Blutgefäße des Gehirns, d. h. die Hirnarterien oder Hirnvenen betreffen)
  • Kind
    • drohende kindliche Asphyxie (Unterversorgung des Fötus durch ungenügende Sauerstoffzufuhr durch die Nabelvene; wg. pathologischem CTG (krankhaftes fetales Herzfrequenzmuster), fetaler Hypoxie (kindlicher Sauerstoffmangel), fetaler Azidose (kindliche Übersäuerung))

Kontraindikationen [2, 3, Leitlinie 1]

  • Verdacht auf Missverhältnis
  • Höhenstand: oberhalb der Interspinalebene (IE; ergibt sich aus der Verbindungslinie der beiden Spinae ischiadicae/Sitzbeindornbei Hinterhaupteinstellung
  • Leitstelle zwischen Interspinalebene und Beckenboden bei quer verlaufender Pfeilnaht bzw. Deflexionshaltung (der größte Teil des Kopfumfanges ist bei dieser Situation noch nicht in das Becken eingetreten)

Voraussetzungen: [2, 3, Leitlinie 1]

  • Exakte Höhenstandsdiagnostik
  • Ausschluss von Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
  • Leere Harnblase, um ein Tiefertreten des kindlichen Kopfes nicht zu behindern und um mütterlichen Verletzungen vorzubeugen

Das Operationsverfahren

Instrumentarium

Die geburtshilfliche Zange besteht aus:

  • zwei Blättern, sie beinhalten
    • je einen Löffel mit
      • einer Kopfkrümmung, mit der der kindliche Kopf umfasst wird
      • einer Beckenkrümmung, die der Führungslinie nachempfunden ist
    • ein Schloss, mit dem die beiden Blätter zusammengeführt werden, werden entweder
      • gekreuzt (Kreuzzange) oder
      • parallel (Parallelzange)
    • zwei Zangengriffe, die nach Schließen der Zange parallel aneinander liegen

In Deutschland sind am gebräuchlichsten die gekreuzten Zangen nach Naegele und Kjelland, als parallele Zangen die nach Shute benannte Zange oder die Bamberger-Divergenzzange.

Technik

  • Hinhalten der geschlossenen Zange
  • Einführen des linken Löffels
  • Einführen des rechten Löffels
  • Wandern eines Zangenlöffels
  • Schließen der Zange
  • Nachtasten
  • Probezug
  • Wehensynchrone Traktionen (Zugkraft)
  • Änderung der Traktionsrichtung entsprechend der Führungslinie
  • Entwicklung des Kopfes

Hinhalten der geschlossenen Zange

Nach der exakten Höhenstandsdiagnostik und der Feststellung der Einstellung des kindlichen Kopfes wird die Zange zusammengesetzt und in geschlossenem Zustand so hingehalten, wie sie am kindlichen Kopf positioniert werden soll, d. h. entsprechend der Situation des Kopfes gerade oder schräg.

Einführen des linken Löffels

Der linke Löffel wird immer zuerst eingelegt, nachdem der rechte Löffel nach dem Hinhalten abgelegt wurde. Man geht mit dem rechten Zeige- und Mittelfinger möglichst tief in Richtung des kindlichen Kopfes ein. Mit der linken Hand wird der Zangenlöffel senkrecht vor die Vulva (äußerer Bereich der weiblichen primären Geschlechtsorgane) gehalten und gleitet durch Senken des Griffes auf dem eingeführten Zeigefinger zwischen Beckenwand und Kopf in die Vagina (Scheide) ein, geführt vom rechten Daumen.

Einführen des rechten Löffels

Eingehen mit dem Zeige- und Mittelfinger der linken Hand in Richtung Kreuzbeinhöhle. Der kleine Finger hält den eingeführten linken Löffel. Mit der rechten Hand wird der Zangenlöffel senkrecht vor die Vulva gehalten und gleitet durch Ansenken auf dem eingeführten Zeigefinger in Richtung Kreuzbeinhöhle, geführt vom linken Daumen, ein.

Wandern des Zangenlöffels

Steht die Pfeilnaht gerade, ist ein Wandern eins Löffels nicht notwendig. Bei schräger Pfeilnaht muss einer der Löffel wandern. Welcher es sein wird, ist schon durch das Hinhalten der geschlossenen Zange vor dem Einführen ersichtlich.

Schließen der Zange

Nach genauer Positionierung können die beiden Blätter im Schloss zusammengefügt werden.

Nachtasten

Nach Anlegen der Zange und Schließen wird nachgetastet, um ein Einklemmen von Weichteilen der Mutter auszuschließen.

Probezug

Der Probezug erfolgt mit der linken Hand, die das Schloss von oben her umfasst. Die rechte Hand umfasst die beiden Zangengriffe und kontrolliert das Tiefertreten des Kopfes während des Probezuges.

Wehensynchrone Traktion

Bei der nächsten Wehe wird mit gleicher Stellung der Hände in Führungslinie, oft begleitet von dem Kristellerschen Handgriff (Methode, mit der durch wehensynchronen Druck auf das Gebärmutterdach in der Austreibungsphase die Geburt des Kindes beschleunigt werden soll bzw. kann) gezogen, bis der sog. Stemmpunkt den unteren Symphysenrand (Schamfugenrand) erreicht hat. Mit zunehmendem Tiefertreten des Kopfes werden die Griffe, an denen zunächst in horizontaler Richtung gezogen wurde, langsam in Führungslinie gehoben. Je nach Situation wird bei regelwidriger Haltung die evtl. erforderliche Drehung des Kopfes während der Traktion nachvollzogen. Nach Erreichen des Stemmpunktes befinden sich die Zangengriffe fast senkrecht. Der Operateur tritt auf die linke oder rechte Seite der Entbindenden und führt mit einer Hand den Dammschutz durch. In aller Regel ist vor dem Austreten des Kopfes eine Episiotomie sinnvoll, um die Zugkraft und die Kompression der Zangenlöffel auf den kindlichen Kopf zu reduzieren.

Anästhesieverfahren: Regionalanästhesie (Epidural- oder Spinalanästhesie)
Operationsdauer: variabel

Mögliche Komplikationen [2-4, Leitlinie 1]

Kind

  • Abschürfungen der Haut
  • Hämatome (Blutergüsse)
  • Passagere Paresen des Nervus facialis (vorübergehende Lähmung des Gesichtsnervs)
  • Kephalhämatom (Kopfblutgeschwulst):
    Die Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) wird bei Zangenentbindungen mit 3-4 % angegeben (Vakuumentbindungen etwa 10-12 %, Spontangeburten etwa 2 %) [4, Leitlinie 1]. Es ist ein subperiostales Hämatom (Bluterguss unterhalb der Knochenhaut/Periost) und entsteht durch Zerreißen von Gefäßen zwischen Periost und Knochen durch Scherkräfte. Da das Periost an den Schädelnähten fest mit dem Knochen verwachsen ist, überschreitet es nicht die Schädelnähte (im Gegensatz zur subgalealen Blutung s. u.). Durch die Begrenzung ist der Blutverlust limitiert und hat klinisch keine Relevanz. Meist resorbiert sich das Hämatom innerhalb von wenigen Tagen. Bei ausgeprägten Befunden kann es jedoch auch mal einige Wochen dauern.
  • Intrakranielle Blutung (Hirnblutung):
    Eine intrakranielle Blutung kann als Folge mechanischer Kräfteeinwirkungen auf den Schädel des Kindes durch die Zange entstehen und tritt in etwa 1 % der Zangenextraktionen auf [4]. Allerdings sollte diese Komplikation bei richtiger Operationstechnik nicht vorkommen [Leitlinie 1].
  • Subgaleale Blutung (subgaleales Hämatom):
    Die subgaleale Blutung kann durch die Zangenlöffel induziert werden und entsteht zwischen Periost (Knochenhaut) und Galea aponeurotica (Muskelaponeurose) durch Ablösen der Aponeurose (flächenhafte, breite Sehne) vom Periost und ein Einbluten in diesen anatomisch vorgebildeten Raum. Sie kann sich bis zu den anatomischen Rändern der Aponeurose ausdehnen. Es handelt sich um eine potenziell lebensbedrohliche Komplikation der Zangenextraktion, da bis zu 80 % des kindlichen Blutvolumens verloren gehen können, mit der Folge eines hypovolämischen Schocks. Diese Komplikation tritt evtl. auch erst nach Stunden oder Tagen auf.
    Die Inzidenz wird mit 1-4 % bei Zangenentbindungen ebenso wie bei Vakuumextraktionen angegeben [3] (bei Spontangeburt etwa 0,4/1.000 [4]). Die Mortalität kann bis zu 25 % betragen. 
  • Retinablutung (Netzhautblutung):
    Retinablutungen treten nach Forcepsentbindungen ebenso wie nach Vakuumextraktionen häufiger als nach Spontangeburten auf. Sie sind harmlos und bilden sich ohne ophthalmologische Nachbehandlung spontan innerhalb von 4 Wochen zurück. Bleibende Sehstörungen treten nicht auf.
  • Hyperbilirubinämie (vermehrtes Vorkommen von Bilirubin im Blut): 
    Hyperbilirubinämien treten nach Forcepsentbindungen, ebenso wie nach Vakuumextraktionen häufiger als nach Spontangeburten auf. Nur gelegentlich ist eine phototherapeutische Behandlung (Phototherapie/Lichttherapie) notwendig.

Mutter

  • Ausgedehnte Scheidenrisse
  • Dammrisse III. und IV. Grades
  • Okkulte Analsphinkter-Verletzungen (verborgene Verletzung des Schließmuskels des Anus; Auftreten bis zu 70 % der Fälle; bei der Spontangeburt ca. 30 %).

Vakuum oder Zange?

Aus den Publikationen lässt sich nicht entnehmen, ob die Zangen- oder Vakuumextraktion zur Geburtsbeendigung vorteilhafter ist. Einigkeit herrscht darüber, dass die Zangenextraktion technisch schwieriger als die Vakuumextraktion ist und sehr viel mehr Übung und Erfahrung für eine korrekte und atraumatische Durchführung für Mutter und Kind bedarf. Dies ist sicherlich der Grund, warum die Forcepsentbindungen in den letzten Dekaden kontinuierlich abgenommen haben. 

Literatur

  1. Shute WB: An Obstetrical Forceps Using a New Principle of Parallelism Proc R Soc Med. 1958 Oct; 51(10): 837-839. PMID: 13801735
  2. Weitzel HK, Hopp H: Vaginal-operative Entbindung. In: Schneider H, Husslein P, Schneider KTM, Hrsg: Die Geburtshilfe 2. Auflage, Springer 2004, S.732 ff
  3. Ulsenheimer K, Vetter K: Vaginal-operative Geburtshilfe: Folgen, Vor- und Nachteile für das Neugeborene Berliner Perinatal- und Neonataldaten 2018www.ggg-b.de › vortraege
  4. Jorch G, Costa SD: Geburtstraumatische Schädigungen 4.1: Verletzungen des Schädels und der intrakraniellen Strukturen in: Jorch G, Hübler A (HRSG): die Medizin des Früh-und Reifgeborenen: Neonatologie 2010 www.thieme-connect.de › products › ebooks › S. 56-57. Print ISBN 9783131460714 · Online ISBN 9783131890610. doi: 10.1055/b-002-85528

Leitlinien

  1. S1-Leitlinie: Vaginal-operative Entbindungen. (AWMF-Registernummer: 015-123), Mi 2012 Langfassung