Apparative Diagnostik bei Hörstörungen und Schwindel: Audiologische und vestibuläre Verfahren im Überblick
Die Diagnostik von Erkrankungen des Ohres erfordert eine differenzierte apparative Erfassung von Hörleistung (Hörvermögen), Schallempfindung, Schallleitung, Gleichgewichtsfunktion sowie zentralnervöser Verarbeitung akustischer Signale (Verarbeitung von Geräuschen im Gehirn). Die moderne Medizingerätediagnostik umfasst dabei sowohl bildgebende als auch neurophysiologische und funktionelle Verfahren zur objektiven und subjektiven Beurteilung der Hörbahn, des Gleichgewichtsorgans und der angrenzenden Hirnstammstrukturen. Abhängig von der klinischen Fragestellung werden ton- und sprachaudiometrische Tests (Hör- und Sprachtests), Tympanometrie (Messung des Mittelohrdrucks), otoakustische Emissionen (Schallaussendungen aus dem Innenohr), Hirnstammaudiometrie oder vestibuläre Funktionstests (Gleichgewichtsuntersuchungen) eingesetzt.
Die nachfolgenden Verfahren lassen sich strukturell in folgende Kategorien gliedern:
Otoskopische und tympanometrische Diagnostik
- Ohrenspiegelung (Otoskopie) – Visuelle Inspektion des äußeren Gehörgangs und Trommelfells zur Detektion von Entzündungen, Perforationen oder Fremdkörpern.
- Mittelohrdruckmessung (Tympanometrie) – Messung der Beweglichkeit des Trommelfells und des Drucks im Mittelohr zur Diagnose von Ergüssen, Belüftungsstörungen oder Tubenfunktionsstörungen.
- Stapediusreflexmessung – Registrierung des Reflexes des Steigbügelmuskels (Musculus stapedius) bei akustischer Reizung; dient der Differenzierung zentraler und peripherer Hörbahnstörungen.
Audiometrische Diagnostik (subjektive Verfahren)
- Hörtest (Audiometrie) – Oberbegriff für alle standardisierten Verfahren zur Hörprüfung.
- Reintonaudiometrie – Subjektiver Hörtest zur Bestimmung der Hörschwelle für einzelne Frequenzen; Differenzierung zwischen Schallleitungs- und Schallempfindungsschwerhörigkeit.
- Sprachaudiometrie – Testverfahren zur Erfassung des Sprachverstehens bei verschiedenen Lautstärken; wichtig zur alltagsrelevanten Beurteilung der Hörleistung.
Audiometrische Diagnostik (objektive Verfahren)
- Evozierte Reaktionsaudiometrie (ERA) – Messung akustisch evozierter Potentiale; objektive Erfassung der Hörfunktion bei Neugeborenen oder nicht kooperativen Patienten.
- Hirnstammaudiometrie (BERA) – Registrierung von Hirnstammpotentialen als Reaktion auf akustische Reize; Diagnose von retrocochleären Läsionen (Schädigungen hinter der Hörschnecke) oder auditorischen Neuropathien (Nervenschädigungen der Hörbahn).
- Otoakustische Emissionen (OAE) – Messung von Schallaussendungen der äußeren Haarzellen im Innenohr; Screeningverfahren bei Neugeborenen, Früherkennung von Innenohrschäden.
Vestibuläre Funktionsdiagnostik
- Gleichgewichtsprüfung – Verschiedene Tests zur Beurteilung des vestibulären Systems (Gleichgewichtsorgan), z. B. Romberg-Test oder Unterberger-Tretversuch.
- Thermische Labyrinthprüfung – Reizung des Gleichgewichtsorgans im Innenohr durch Spülung mit warmem oder kaltem Wasser zur Prüfung der Seitenunabhängigkeit.
- Videonystagmographie (VNG) – Video-gestützte Aufzeichnung unwillkürlicher Augenbewegungen (Nystagmus) zur Analyse vestibulärer und zentralnervöser Gleichgewichtsstörungen.
- Craniocorpographie – Quantitative Analyse der Körperbewegungen bei Gleichgewichtsprüfungen durch Sensorik am Kopf und Rumpf; dient der Dokumentation pathologischer Ausweichbewegungen.
Fazit
Die Medizingerätediagnostik des Ohres umfasst ein breites Spektrum an Verfahren zur differenzierten Beurteilung von Hör- und Gleichgewichtsstörungen. Die Kombination subjektiver und objektiver audiometrischer Tests mit vestibulären Funktionstests ermöglicht eine präzise Diagnose peripherer und zentraler Störungen der auditiven und vestibulären Systeme. Die Wahl des geeigneten Verfahrens richtet sich stets nach dem klinischen Verdacht und der Fragestellung.
Medizingerätediagnostik der Ohren – Verfahren zur audiologischen und vestibulären Abklärung
Funktionsbereich | Verfahren | Technik | Anwendungsgebiet | Vorteile | Limitationen |
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Audiologische Diagnostik | Otoskopie | Optische Inspektion mit Lichtquelle | Beurteilung des äußeren Gehörgangs und Trommelfells | Schnell, nicht-invasiv | Nur oberflächliche Strukturen beurteilbar |
Reintonaudiometrie | Luft- und Knochenleitung über Kopfhörer | Hörschwelle, Differenzierung zwischen Schallleitungs- und Schallempfindungsstörung | Standardisiert, sensitiv | Erfordert aktive Mitarbeit | |
Sprachaudiometrie | Sprachreize über Lautsprecher | Alltagsrelevantes Sprachverstehen | Alltagsnahe Testung | Sprachverständnis kulturabhängig, subjektiv | |
Tympanometrie (Mittelohrdruck) | Akustische Impedanzmessung im Gehörgang | Mittelohrfunktion, z. B. Paukenerguss | Objektiv, schnell | Keine Aussage über Innenohr oder zentrale Hörbahn | |
Stapediusreflexmessung | Messung akustisch ausgelöster Reflexe | Prüfung des Fazialisnervs und Mittelohrreflexes | Objektiv, reflexgestützt | Reflex nicht immer auslösbar | |
Otoakustische Emissionen (OAE) | Messung cochleärer Rückantworten | Früherkennung von Innenohrfunktionsstörungen | Sehr sensitiv, objektiv | Keine Aussage über zentrale Hörbahn | |
Hirnstammaudiometrie (BERA) | EEG-Ableitung evozierter Potentiale | Beurteilung zentraler Hörbahnen (z. B. bei Akustikusneurinom) | Objektiv, keine Mitarbeit nötig | Artefaktanfällig, zeitaufwendig | |
Evozierte Reaktionsaudiometrie (ERA) | EEG-gestützte Schwellenmessung | Hördiagnostik bei Säuglingen, Kleinkindern | Objektiv, auch im Schlaf messbar | Längere Messdauer, störanfällig | |
Vestibuläre Diagnostik | Gleichgewichtsprüfung (klassisch) | Klinische Funktionstests (z. B. Romberg, Unterberger) | Basisdiagnostik bei Schwindel | Schnell, einfach durchführbar | Geringe Objektivierbarkeit |
Craniocorpographie | Bewegungsanalyse mit Sensoren | Lagerungsschwindel, vestibuläre Funktionsstörungen | Objektive Verlaufsdarstellung | Mäßige Sensitivität | |
Thermische Labyrinthprüfung | Kalorische Reizung mit Wasser oder Luft | Seitengetrennte Labyrinthfunktion | Sensitiver Provokationstest | Unangenehm, Übelkeit häufig | |
Videonystagmographie | Infrarot-Videoaufzeichnung der Augenbewegung | Analyse okkulärer Reflexe bei vestibulären Störungen | Objektive, differenzierende Beurteilung | Technisch aufwendig |