Glucagon

Bei Glucagon handelt es sich um ein Peptidhormon, das primär in den Alphazellen der Langerhansinseln des Pankreas (Bauchspeicheldrüse) gebildet wird. Es spielt eine zentrale Rolle im Glukose- und Energiestoffwechsel. Die Hauptfunktion von Glucagon besteht darin, den Blutzuckerspiegel durch Förderung der Glykogenolyse (Abbau von Glykogen) und Glukoneogenese (Neubildung von Glukose) in der Leber zu erhöhen. Damit wirkt Glucagon als funktioneller Gegenspieler zu Insulin. Zusätzlich stimuliert es die Lipolyse in Adipozyten (Fettzellen) und beeinflusst Herzfrequenz sowie gastrointestinale Motilität. Die Sekretion von Glucagon wird durch Hypoglykämie, körperliche Aktivität, Stress und bestimmte Aminosäuren gefördert, während Hyperglykämie, Insulin und Somatostatin hemmend wirken.

Das Verfahren

Benötigtes Material

  • EDTA-Plasma oder Serum, sofort gekühlt und zentrifugiert

Vorbereitung des Patienten

  • Nüchternblutentnahme empfohlen
  • Medikamente und Nahrungseinflüsse berücksichtigen (z. B. GLP-1-Analoga)

Störfaktoren

  • Hämolyse und verzögerte Verarbeitung (Glucagon wird rasch abgebaut)
  • Akute Stresssituationen oder körperliche Belastung können Werte verfälschen

Normwerte

Erwachsene (nüchtern)

  • < 200 pg/ml (Methoden- und Laborabhängigkeit beachten)

Kinder

  • Referenzbereiche variieren altersabhängig

Indikationen

  • Hypoglykämieabklärung
  • Verdacht auf Glucagonom (neuroendokriner Tumor)
  • Evaluation der Alpha-Zellfunktion bei Diabetes mellitus
  • Differentialdiagnostik endokriner Pankreastumoren (hormonell aktive Tumoren der Bauchspeicheldrüse)
  • Überwachung bei Leberfunktionsstörungen

Interpretation

Interpretation erhöhter Werte

  • Glucagonom
  • Akute Stresssituationen
  • Schwere Lebererkrankungen (kompensatorische Erhöhung)
  • Typ-2-Diabetes mellitus (inadäquate Suppression)

Interpretation erniedrigter Werte

  • Pankreatektomie 
  • Chronische Pankreatitis
  • Selten: pankreatogene Hypoglykämien

Die wichtigsten diagnostischen Maßnahmen für Glucagon-assoziierte Störungen

  • Plasmaglucagon-Bestimmung – RIA oder ELISA, nüchtern bevorzugt
  • Blutzuckerprofile – Erkennung von Hypo- und Hyperglykämien
  • Oraler Glukosetoleranztest (OGTT) – zur Beurteilung der Glucagonantwort
  • Bildgebung (MRT, CT, Endosonographie) – bei Verdacht auf Glucagonome
  • C-Peptid-Bestimmung – zur Beurteilung der Insulinreserve (kann ergänzend wichtig sein)

Literatur

  1. Unger RH. Glucagon physiology and pathophysiology in the light of new advances. Diabetologia. 1985 Aug;28(8):574-8. doi: 10.1007/BF00281991.
  2. Müller TD, Finan B, Bloom SR, et al. Glucagon-like peptide 1 (GLP-1). Mol Metab. 2019;30:72-130. doi: doi:10.1016/j.molmet.2019.09.010
  3. Cryer PE. Mechanisms of hypoglycemia-associated autonomic failure in diabetes. N Engl J Med. 2013;369(4):362-372. doi: 10.1056/NEJMra1215228