Apolipoprotein B (ApoB)

Die Bestimmung von Apolipoprotein B (ApoB) (Eiweißträger des LDL-Cholesterins) ist ein wesentlicher Bestandteil der erweiterten Lipiddiagnostik. ApoB ist das strukturgebende Hauptapolipoprotein aller atherogenen Lipoproteine (VLDL, IDL, LDL, Lipoprotein(a)) (Blutfetttransportstoffe mit Gefäßschädigungspotenzial) und damit ein zentraler Marker für die Anzahl potenziell atherogener Partikel im Blut. Im Gegensatz zum LDL-Cholesterin-Wert, der lediglich die Cholesterinmasse angibt, reflektiert ApoB die tatsächliche Partikelanzahl – ein diagnostischer Vorteil insbesondere bei Patienten mit metabolischem Syndrom (Stoffwechselerkrankung mit Übergewicht, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörung), Typ-2-Diabetes (Zuckerkrankheit) oder gemischter Dyslipidämie (Fettstoffwechselstörung mit verschiedenen Lipidveränderungen). Die Bestimmung von ApoB verbessert die kardiovaskuläre Risikostratifizierung deutlich und ist mittlerweile Bestandteil internationaler Leitlinien.

Synonyme

  • ApoB
  • Apolipoprotein B-100
  • Apolipoprotein B-48 (in Spezialanalysen, z. B. bei Malabsorption)

Das Verfahren

Benötigtes Material

  • Serum oder EDTA-Plasma (Blutbestandteile ohne Gerinnungsfaktoren)

Vorbereitung des Patienten

  • Nüchternblutabnahme empfohlen (mindestens 12 Stunden), insbesondere bei kombinierter Lipid- und Apolipoprotein-Analytik

Störfaktoren

  • Hämolyse und Lipämie (Zellzerfall oder stark fettige Blutproben) können die Messergebnisse verfälschen
  • Entzündliche Prozesse (z. B. Infekte) beeinflussen die Lipidstoffwechselparameter
  • Medikamente (z. B. Kortikosteroide, Östrogene) können ApoB-Werte erhöhen
  • Akute Phasenreaktionen (z. B. Operation, Trauma) können ApoB vorübergehend senken

Methode

  • Immunnephelometrie oder Immunturbidimetrie (Messung über Antikörperreaktion mit Lichtstreuung)
  • Alternativ ELISA oder Massenspektrometrie in Speziallaboren

Referenzbereiche (je nach Labor)

Population Referenzbereich (mg/dl)
Gesunde Erwachsene (Männer/Frauen) < 100
Kardiovaskuläres Hochrisiko < 80
Sekundärprävention (z. B. KHK) < 65

Klinische Bedeutung

  • ApoB ist ein unabhängiger Prädiktor für atherosklerotische Gefäßerkrankungen (Verkalkung und Verengung der Blutgefäße)
  • Besonders relevant bei diskrepanten LDL-Werten, z. B. bei:
    • Hypertriglyzeridämie (erhöhte Blutfettwerte)
    • Metabolischem Syndrom
    • Typ-2-Diabetes mellitus
  • ApoB korreliert stärker mit Plaque-Last und -Stabilität als LDL-Cholesterin

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Erweiterte kardiovaskuläre Risikostratifizierung (Einschätzung des Herz-Kreislauf-Risikos)
  • Verlaufskontrolle unter lipidsenkender Therapie (z. B. Statine, PCSK9-Inhibitoren)
  • Diagnostik bei familiären Dyslipidämien (erblich bedingte Fettstoffwechselstörungen)
  • Abklärung bei Normalwerten des LDL-C trotz Hochrisikokonstellation

Interpretation

Erhöhte Werte

  • Familiäre Hypercholesterinämie (heterozygot/homozygot) (vererbte Fettstoffwechselstörung)
  • Kombinierte Hyperlipidämie
  • Typ-2-Diabetes mellitus
  • Nephrotisches Syndrom (Eiweißverlust über die Niere)
  • Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion)
  • Cholestase (Gallenstau)

Erniedrigte Werte

  • Abetalipoproteinämie (selten, genetisch)
  • Hypobetalipoproteinämie
  • Malabsorption (gestörte Nährstoffaufnahme), Mangelernährung
  • Fortgeschrittene Leberinsuffizienz (Leberfunktionsschwäche)
  • Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion)

Weiterführende Diagnostik

  • LDL-C, HDL-C, Triglyzeride, Nicht-HDL-C
  • Apolipoprotein A1 zur Bestimmung des ApoB/ApoA1-Quotienten
  • Lipoprotein(a) zur weiterführenden kardiovaskulären Risikobewertung
  • Genetische Diagnostik bei Verdacht auf familiäre Hyperlipoproteinämie

Literatur

  1. Mach F, et al. 2019 ESC/EAS Guidelines for the management of dyslipidaemias. Eur Heart J. 2020;41(1):111–188. https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehz455