Renale Osteopathie – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die renale Osteopathie, auch als renale Osteodystrophie bezeichnet, ist eine Knochenerkrankung, die im Rahmen einer chronischen Niereninsuffizienz (Nierenschwäche) auftritt, typischerweise ab dem Stadium II (glomeruläre Filtrationsrate (GFR): 60-89 ml/min pro 1,73 m²). Diese Erkrankung ist durch Störungen im Mineralstoffwechsel und in der Hormonregulation gekennzeichnet, die zu verschiedenen Veränderungen im Knochenstoffwechsel führen. Die Hauptformen der renalen Osteopathie sind die High-turnover Osteopathie (hoher Knochenumsatz) und die Low-turnover Osteopathie (niedriger Knochenumsatz), wobei auch gemischte Formen vorkommen.

Primäre pathophysiologische Mechanismen

High-turnover Osteopathie:

Die High-turnover Osteopathie ist gekennzeichnet durch einen sekundären Hyperparathyreoidismus (Überfunktion der Nebenschilddrüsen), der infolge der chronischen Niereninsuffizienz entsteht. In diesem Prozess spielen mehrere Faktoren eine Rolle:

  • Vitamin D-Stoffwechselstörung: Die chronische Niereninsuffizienz führt zu einer verminderten Synthese von Calcitriol (aktive Form von Vitamin D3) in der Niere. Dies reduziert die intestinale (darmbedingte) und renale (nierenbedingte) Calciumresorption.
  • Hypocalcämie (niedriger Calciumspiegel): Der Mangel an Calcitriol vermindert die Aufnahme von Calcium aus dem Darm, was zu einer Abnahme des Calciumspiegels im Blut führt. Außerdem fällt der hemmende Effekt von Calcitriol auf die Parathormonsekretion (PTH-Ausschüttung) weg.
  • Hyperphosphatämie (erhöhter Phosphatspiegel): Aufgrund der eingeschränkten Phosphatausscheidung bei chronischer Niereninsuffizienz kommt es zu einer Phosphatretention. Der erhöhte Phosphatspiegel hemmt zusätzlich die Synthese von Calcitriol in der Niere.
  • Sekundärer Hyperparathyreoidismus: Als Reaktion auf die Hypocalcämie und Hyperphosphatämie steigt die Ausschüttung von Parathormon (PTH). PTH fördert die Calciumrückresorption in den Nieren und den Knochenabbau durch Aktivierung der Osteoklasten ("knochenabbauende Zellen"), was zur Freisetzung von Calcium aus dem Knochen führt. Langfristig führt dies zu einem erhöhten Knochenumsatz und Knochensubstanzverlust (High-turnover Osteopathie).
  • Erhöhtes Fibroblast Growth Factor 23 (FGF23): FGF23 spielt eine wichtige Rolle in der Phosphathomöostase. Es hemmt die Phosphatrückresorption in der Niere und unterdrückt die Synthese von Calcitriol, was den Hyperparathyreoidismus zusätzlich verstärkt.

Low-turnover Osteopathie:

Die Low-turnover Osteopathie tritt häufig bei Dialysepatienten auf und ist durch einen verminderten Knochenumbau gekennzeichnet. Zwei Hauptmechanismen sind hier beteiligt:

  • Aluminiumüberladung: Eine chronische Aluminiumexposition, oft durch Dialyselösungen, kann zu einer Aluminium-induzierten Osteopathie führen. Aluminium hemmt die Osteoblasten (knochenaufbauende Zellen), was zu einer verminderten Knochenneubildung führt.
  • Relativer Hypoparathyreoidismus: Bei Dialysepatienten kann es zu einem relativen Hypoparathyreoidismus (Unterfunktion der Nebenschilddrüsen) kommen, insbesondere nach langfristiger Therapie eines sekundären Hyperparathyreoidismus. Diese adynamische Knochenerkrankung ist durch eine geringe Aktivität der Osteoblasten und Osteoklasten gekennzeichnet, was zu einem niedrigen Knochenumsatz führt.

Sekundäre pathophysiologische Mechanismen

Veränderungen im Kalzium- und Phosphatstoffwechsel:

  • Calcium-Mangel: Die gestörte Calcitriolbildung und die verminderte Calciumresorption führen zu einem anhaltenden Calciummangel im Serum, was die Ausschüttung von PTH weiter stimuliert.
  • Phosphatretention: Die chronische Niereninsuffizienz führt zu einer Akkumulation von Phosphat im Körper, was den Kalzium-Phosphat-Stoffwechsel weiter destabilisiert und den Knochenabbau beschleunigt.

Skelettveränderungen:

  • Osteoklastenaktivität: In der High-turnover Osteopathie führt die übermäßige Aktivierung der Osteoklasten durch PTH zu einem beschleunigten Knochenabbau. Dies führt zu einer Reduktion der Knochenmineraldichte und einer erhöhten Frakturgefahr.
  • Verminderte Knochenneubildung: In der Low-turnover Osteopathie ist die Aktivität der Osteoblasten und Osteoklasten stark vermindert. Dadurch wird der normale Knochenumbauprozess gestört, was zu einer verminderten Knochenstärke führt.

Klinische Manifestation

Leitsymptome:

  • Skelettschmerzen: Patienten mit renaler Osteopathie leiden häufig unter diffusen Skelettschmerzen, die sowohl in der High-turnover als auch in der Low-turnover Form auftreten können.
  • Muskelschwäche: Die gestörte Calciumhomöostase kann zu Muskelkrämpfen und Muskelschwäche führen.

Fortgeschrittene Symptome:

  • Frakturanfälligkeit: Durch den vermehrten Knochenabbau in der High-turnover Osteopathie steigt das Risiko für pathologische Frakturen. In der Low-turnover Form ist die Knochenstruktur ebenfalls geschwächt, was die Anfälligkeit für Frakturen erhöht.
  • Skelettdeformitäten: Langfristig kann es zu Knochendeformitäten kommen, insbesondere bei Patienten mit einer ausgeprägten High-turnover Osteopathie.

Progression und Organbeteiligung

Lokale Gewebeveränderungen:

  • Osteomalazie: In schweren Fällen kann die gestörte Mineralisierung des Knochens zu Osteomalazie (Knochenerweichung) führen, die durch eine unzureichende Einlagerung von Mineralien in den Knochen gekennzeichnet ist.
  • Gefäßverkalkung: Die gestörte Kalzium-Phosphat-Homöostase fördert die Verkalkung der Blutgefäße, was das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen erhöht.

Systemische Auswirkungen bei chronischen Verläufen:

  • Kardiovaskuläre Komplikationen: Hyperphosphatämie und der sekundäre Hyperparathyreoidismus führen zu einer erhöhten Verkalkungsneigung der Gefäße, was das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz erhöht.

Funktionelle Auswirkungen und strukturelle Schäden

Beeinträchtigung der mechanischen Eigenschaften:

  • Verminderte Knochendichte: Sowohl die High- als auch die Low-turnover Osteopathie führen zu einer signifikanten Reduktion der Knochendichte, was die mechanische Stabilität des Skeletts beeinträchtigt.

Schmerzentstehung:

  • Knochenschmerzen: Die Schmerzen resultieren sowohl aus der gesteigerten Osteoklastenaktivität bei der High-turnover Osteopathie als auch aus der verminderten Knochendichte bei der Low-turnover Osteopathie.

Regenerative und kompensatorische Prozesse

Versuche der Geweberegeneration:

  • Calcitrioltherapie: Bei vielen Patienten wird versucht, die Calcitriolbildung durch Supplementierung von aktivem Vitamin D zu unterstützen, um den Knochenstoffwechsel zu stabilisieren.

Kompensatorische Anpassungsmechanismen:

  • Vermehrte PTH-Ausschüttung: Der Körper versucht, den Calciumspiegel durch die vermehrte Produktion von PTH zu stabilisieren, was jedoch langfristig den Knochenabbau fördert.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die renale Osteopathie ist eine komplexe Knochenerkrankung, die als Folge einer chronischen Niereninsuffizienz entsteht. Sie ist gekennzeichnet durch Störungen im Kalzium- und Phosphatstoffwechsel, die zu einem sekundären Hyperparathyreoidismus und Veränderungen im Knochenstoffwechsel führen. Es werden zwei Hauptformen unterschieden: die High-turnover Osteopathie mit vermehrtem Knochenabbau und die Low-turnover Osteopathie mit verminderter Knochenneubildung. Beide Formen können zu schwerwiegenden Komplikationen wie Frakturen, Knochenschmerzen und Gefäßverkalkungen führen. Eine frühzeitige Erkennung und Therapie sind entscheidend, um den Krankheitsverlauf zu verlangsamen und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern.

Ätiologie (Ursachen)

Krankheitsbedingte Ursachen

Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)

  • Chronische Niereninsuffizienz (chronische Nierenschwäche)

Weitere Ursachen

  • Langzeitdialyse (Blutwäsche)
  • Zustand nach Nierentransplantation