Rachitis bzw. Osteomalazie – Anamnese

Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik der Rachitis bzw. Osteomalazie dar.

Familienanamnese

  • Leiden nahe Verwandte unter Osteoporose oder erhöhter Knochenbrüchigkeit bereits in jungen Jahren?

Sozialanamnese

  • Besteht eine alltagsbedingte Aufenthaltsdauer fast ausschließlich in Innenräumen mit geringer Sonnenlichtexposition?
  • Bestehen kulturelle oder religiöse Gründe für eine überwiegende oder vollständige Körperbedeckung im Freien?

Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)

Bei Kindern

  • Sind Ihnen Symptome wie Unruhe, Reizbarkeit, Schreckhaftigkeit oder Entwicklungsverzögerung an Ihrem Kind aufgefallen?
  • Seit wann bestehen diese Beschwerden?
  • Fällt vermehrtes Schwitzen am Kopf oder in Ruhephasen auf (insbesondere beim Stillen oder Schlafen)?
  • Gedeiht Ihr Kind altersgerecht (Gewicht, Größe, motorische Entwicklung)?
  • Besteht eine auffällige Verstopfung oder Muskelhypotonie (schlaffe Muskulatur)?
  • Wirkt Ihr Kind schmerzempfindlich bei Lageveränderung oder Berührung?
  • Gibt Ihr Kind (sofern altersentsprechend kommunikationsfähig) Schmerzen in den Beinen oder Knochen an?
  • Haben Sie eine Abflachung des Hinterkopfes, eine Verformung des Brustkorbs, O-Beine oder auffällige Vorwölbungen an den Rippen bemerkt (sogenannte „rachitischer Rosenkranz“)?

Bei Erwachsenen

  • Bestehen Beschwerden wie chronische Knochenschmerzen, Muskelschwäche, Abgeschlagenheit?
  • Seit wann bestehen die Symptome?
  • Haben Sie Schwierigkeiten beim Treppensteigen, Aufstehen aus dem Sitzen oder Tragen schwerer Gegenstände?
  • Treten Knochenschmerzen oder Druckschmerzen auf, insbesondere im Bereich des Beckens, der Lendenwirbelsäule oder der Rippen?
  • Haben Sie Frakturen ohne adäquates Trauma erlitten?
  • Fühlen Sie sich schnell erschöpft oder leiden unter allgemeiner Schwäche?
  • Bestehen psychische Symptome wie Antriebslosigkeit, depressive Verstimmungen oder Konzentrationsstörungen?

Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese

  • Wie ist der allgemeine Ernährungszustand (inkl. Körpergröße und -gewicht)?
  • Leidet Ihr Kind unter Appetitlosigkeit oder trinkt es schlecht?
  • Wird regelmäßig Fisch, Milch oder angereicherte Nahrung aufgenommen?
  • Besteht eine vegetarische oder vegane Ernährung ohne gezielte Supplementierung?
  • Leidet Ihr Kind unter Appetitlosigkeit oder trinkt es schlecht?
  • Wie hoch ist der tägliche Aufenthalt im Freien, insbesondere ohne Sonnencreme und mit freiliegender Haut?

Eigenanamnese

  • Bestehen bekannte Resorptionsstörungen (z. B. Zöliakie, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn, Colitis ulcerosa)?
  • Bestehen chronische Nierenerkrankungen, Lebererkrankungen oder endokrine (hormonelle) Störungen?
  • Gab es in der Vergangenheit eine operative Entfernung von Teilen des Dünndarms oder Magen-Darm-Operationen?
  • Besteht eine chronische Immobilität oder Bettlägerigkeit?
  • Wurde eine Vitamin-D-Mangel-Erkrankung bereits früher diagnostiziert?
  • Bestehen bekannte hormonelle Störungen wie Hypoparathyreoidismus?
  • Operationen:
    • Magen-Darm-Operationen (z. B. bariatrische Eingriffe, Resektionen)?
    • Nierenoperationen oder Nebenschilddrüsenoperationen?
  • Bestehen Unverträglichkeiten oder Allergien gegenüber Milchprodukten, Fisch oder Vitaminpräparaten?

Medikamentenanamnese

  • Vitamin-D-Mangel durch medikamentös erhöhtem Metabolismus:
    • Antiepileptika (Mittel gegen Krampfanfälle)
    • Glutethmid (Arzneistoff, der als Sedativum und Hypnotikum verwendet wurde)
    • Phenobarbital (Arzneistoff, der als Antiepiletikum und Hypnotikum/Schlafmittel verwendet wird)
    • Rifampicin (Antibiotikum aus der Gruppe der Tuberkulostatika)
  • Mangel an 25-(OH)-Vitamin D3, durch mangelnde 25-Hydroxylase
    • Ioniazid (Antibiotikum aus der Gruppe der Tuberkulostatika)
  • Mangel an 1,25-(OH)2-Vitamin-D3 durch verminderte 1α-Hydroxylierung
    • Ketoconazol (orales Antimykotikum/Antipilzmittel)
  • Zielorganresistenz gegenüber Vitamin D
    • Phenytoin (Antiepileptikum)
  • Hypophosphatämie (Phosphatmangel im Blut): phosphatbindende Antazida, Diuretika und Steroide
  • Medikamente, die den Vitamin-D-Metabolismus über den Pregnan-X-Rezeptor beeinflussen (→ Steigerung der Expression von 24-Hydroxylase, was zu einem vermehrten Abbau von Vitamin D3 und Calcitriol führt) [1]:
    • Antiepileptika: Carbamazepin, Phenytoin,
    • Antineoplastische Medikamente: Cyclophosphamid, Paclitaxel, Tamoxifen
    • Antibiotika: Clotrimazol, Rifampicin
    • Antiinflammatorische Medikamente: Dexamethason
    • Antihypertensiva: Nifedipin, Spironolacton
    • Antiretrovirale Medikamente: Ritonavir, Saquinavir
    • Hormone: Cyproteronacetat
    • Phytotherapeutika Piper methysticum (Kawa-Kawa), Johanniskraut

Literatur

  1. Gröber U, Kisters K: Influence of drugs on vitamin D and calcium metabolism. Dermatoendocrinol. 2012 Apr 1; 4(2):158-166 https://​doi.​org/​10.​4161/​derm.​20731