Herzschwäche (Herzinsuffizienz) – Anamnese
Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik der Herzinsuffizienz (Herzschwäche) dar.
Familienanamnese
- Gibt es in Ihrer Familie Herzerkrankungen wie Herzinsuffizienz (Herzschwäche), koronare Herzkrankheit (KHK; Erkrankung der Herzkranzgefäße), Myokardinfarkt (Herzinfarkt) oder Hypertonie (Bluthochdruck)?
- Sind in Ihrer Familie genetisch bedingte Kardiomyopathien (Herzmuskelerkrankungen) bekannt?
- Gibt es bei Ihren Familienangehörigen angeborene Herzfehler oder andere erbliche Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems?
Sozialanamnese
- Beruf:
- Welchen Beruf üben Sie aus?
- Sind Sie in Ihrem Beruf körperlich stark gefordert (z. B. schweres Heben, langes Stehen oder Gehen)?
- Arbeiten Sie im Schichtdienst oder unter unregelmäßigen Arbeitszeiten?
- Sind Sie derzeit arbeitslos oder planen Sie, aufgrund gesundheitlicher Beschwerden vorzeitig in Rente zu gehen?
- Psychosoziale Situation:
- Bestehen Belastungen, die mit einem hohen Stressniveau verbunden sind (z. B. Zeitdruck, familiäre Belastungen, Pflege von Angehörigen)?
- Haben sich Ihre berufliche oder private Belastungssituation in letzter Zeit verändert (z. B. Verlust des Arbeitsplatzes, Trennung, Pflegefall)?
Reiseanamnese
- Haben Sie sich in den letzten Wochen oder Monaten in Regionen mit extremer Hitze, Kälte oder großer Höhenlage (über 1500 Meter) aufgehalten?
- Haben Sie während Ihrer Reise körperlich anstrengende Aktivitäten unternommen (z. B. Wandern, Bergsteigen, lange Fußmärsche)?
- Kam es während der Reise zu einer erheblichen Flüssigkeitsreduktion oder Dehydratation (z. B. durch Durchfall, Erbrechen, hohe Temperaturen)?
- Hatten Sie während oder nach der Reise Beschwerden wie Atemnot, geschwollene Beine, Herzrasen, Brustschmerzen oder ungewöhnliche Erschöpfung?*
- Haben Sie während der Reise eine Infektion (z. B. Atemwegsinfekt, Durchfallerkrankung) durchgemacht, die Ihre Herz-Kreislauf-Situation belastet haben könnte?*
- Mussten Sie während der Reise Medikamente anpassen oder neu einnehmen (z. B. Diuretika (entwässernde Medikamente), Herzmedikamente)?
- Haben Sie während des Aufenthalts auf Reisen Probleme mit der regelmäßigen Einnahme Ihrer Herzmedikamente gehabt (z. B. wegen Zeitverschiebung, vergessener Dosen)?
Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)
- Bemerken Sie Atemnot, wenn Sie sich belasten?
- Ab welcher Belastung (z. B. Treppensteigen, Gehen) tritt die Atemnot auf?
- Haben Sie Atemnot ohne Belastung?*
- Werden Sie nachts wach wegen Atemnot?*
- Schwellen Ihre Beine oder Füße tagsüber an?
- Haben Sie eine Gewichtszunahme bemerkt, die auf Wasseransammlungen hindeutet?
- Haben Sie einen vermehrten Umfang an Bauch oder Beinen bemerkt?
- Müssen Sie nachts häufiger zum Wasserlassen aufstehen? Wenn ja, wie oft?
- Leiden Sie unter nächtlichem Husten?
- Ist Ihnen öfter übel oder haben Sie Schmerzen in der Magengegend?
- Müssen Sie häufig husten und haben dabei schaumigen Auswurf?
- Fühlen Sie sich vermindert leistungsfähig oder schnell erschöpft?
- Bemerken Sie einen schnellen oder unregelmäßigen Puls?
- Haben Sie häufig kalte, bläulich verfärbte Lippen und Finger?
- Haben Sie kalten Schweiß, sind blass oder bemerken einen Blutdruckabfall?*
Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese
- Sind Sie übergewichtig? Bitte geben Sie Ihr Körpergewicht (in kg) und Ihre Körpergröße (in cm) an.
- Haben Sie in letzter Zeit ungewollt an Körpergewicht verloren?
- Hat sich Ihr Appetit verändert (z. B. vermindert oder gesteigert)?
- Bewegen Sie sich täglich ausreichend?
- Wie schätzen Sie Ihr allgemeines Maß an körperlicher Aktivität im Alltag ein (z. B. Spazierengehen, Radfahren, Hausarbeit)?
- Rauchen Sie? Wenn ja, wie viele Zigaretten, Zigarren oder Pfeifen pro Tag?
- Trinken Sie Alkohol? Wenn ja, welches Getränk und wie viele Gläser pro Tag?
- Nehmen Sie Drogen? Wenn ja, welche und wie häufig pro Tag oder Woche?
Eigenanamnese
- Vorerkrankungen:
- Haben Sie Herzerkrankungen wie Hypertonie (Bluthochdruck), koronare Herzkrankheit (KHK) oder Kardiomyopathie (Herzmuskelerkrankung)?
- Haben Sie Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus?
- Gibt es andere relevante Erkrankungen wie Lungenerkrankungen (z. B. chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)) oder Nierenerkrankungen?
- Operationen:
- Haben Sie in der Vergangenheit herzchirurgische Eingriffe, wie Bypass-Operationen oder Herzklappenersatz, durchführen lassen?
- Allergien:
- Leiden Sie an Medikamentenunverträglichkeiten?
Medikamentenanamnese
- Calcimimetikum (Etelcalcetid) → Verschlechterung einer Herzinsuffizienz
- Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR; non steroidal anti inflammatory drugs, NSAID) [1]; soweit nicht mit anderer Literatur hinterlegt
- 19 % erhöhtes Risiko für eine dekompensierte Herzinsuffizienz
Ein signifikant höheres Risiko war assoziiert mit der momentanen Einnahme von Diclofenac, Etoricoxib, Ibuprofen, Indomethacin, Ketorolac, Naproxen, Nimesulid, Piroxicam, Rofecoxib - Nicht-selektive NSAIDs: Ibuprofen, Naproxen und Diclofenac führten zu einer Risikoerhöhung um 15 %, 19 % und 21 %
- COX-2-Hemmer Rofecoxib und Etoricoxib führten zu einer Risikoerhöhung um 34 % und 55 %
- Sehr hohe Dosen von
- Diclofenac, Etoricoxib, Indomethacin, Piroxicam und Rofecoxib führten sogar zu einem mehr als doppelt so hohem Risiko (OR: 2,2; 2,3; 2,5; 2,1; 2,0)
- Ibuprofen (OR: 1,9; Konfidenzintervall: 0,8 bis 4,6)
- Größte Gefährdung für eine herzinsuffizienz-bedingte Klinikeinweisung ging von Ketoralac aus (Odds Ratio, OR: 1,94)
- Acetylsalicylsäure (ASS) – 26 % erhöhtes Risiko für eine Herzinsuffizienz-Diagnose [3]
- Kurzzeitige NSAR-Therapie (14 Tage) bei Typ-2-Diabetes geht mit einem erhöhten Risiko für die Neudiagnose einer Herzinsuffizienz einher, vor allem bei Älteren und schlecht eingestelltem HbA1c [5].
- 19 % erhöhtes Risiko für eine dekompensierte Herzinsuffizienz
- Protonenpumpenhemmer (Protonenpumpeninhibitoren, PPI; Säureblocker):
- Typ-2-Diabetiker, die noch keine kardiovaskuläre Erkrankung hatten, und regelmäßig PPI einnahmen (an mindestens vier Tagen die Woche für wenigstens vier Wochen), hatten ein statistisch signifikant erhöhtes Risiko eine Herzinsuffizienz zu erleiden (+35 %) [4].
- Beachte: "Die Indikation von Arzneistoffen, die den klinischen Zustand von Patienten mit Herzinsuffizienz negativ beeinflussen können, sollte kritisch geprüft werden. Dazu zählen z. B. Antiarrhythmika der Klassen I und III, Calciumkanalblocker (außer Amlodipin, Felodipin) und nichtsteroidale Antiphlogistika". Siehe dazu in Tabelle 19: Ausgewählte Medikamente, die den klinischen Zustand von Patienten mit HFrEF negativ beeinflussen können [S3-Leitlinie].
Umweltanamnese
- Exposition:
- Sind Sie Luftschadstoffen wie Feinstaub (PM 2,5), Stickoxiden oder starkem Straßenverkehrslärm ausgesetzt?
- Ehemalige Raucher und Krankenschwestern mit Bluthochdruck zeigten die stärksten Assoziationen mit Partikeln mit einem Durchmesser < 2,5 µm (P-Effekt-Modifikation <0,05) [2].
- Haben Sie berufliche oder private Belastungen, die Ihre Herzgesundheit beeinflussen könnten (z. B. Schichtarbeit, Lärmbelastung)?
- Sind Sie Luftschadstoffen wie Feinstaub (PM 2,5), Stickoxiden oder starkem Straßenverkehrslärm ausgesetzt?
* Falls diese Frage mit "Ja" beantwortet worden ist, ist ein sofortiger Arztbesuch erforderlich! (Angaben ohne Gewähr)
Unsere Empfehlung: Drucken Sie die Anamnese aus, markieren Sie alle mit „Ja“ beantworteten Fragen und nehmen Sie das Dokument mit zu Ihrem behandelnden Arzt.
Literatur
- Arfè A et al.: Non-steroidal anti-inflammatory drugs and risk of heart failure in four European countries: nested case-control study. BMJ 2016; 354 doi: http://dx.doi.org/10.1136/bmj.i4857 (Published 28 September 2016)
- Lim YH et al.: Long‐Term Exposure to Air Pollution, Road Traffic Noise, and Heart Failure Incidence: Journal of the American Heart Association ;0:e021436 published 6 Oct. 2021 https://doi.org/10.1161/JAHA.121.021436
- Mujaj B et al.: Aspirin use is associated with increased risk for incident heart failure: a patient-level pooled-analysis. ESC Heart Failure 2021. https://doi.org/10.1002/ehf2.13688.
- Geng T et al.: Proton Pump Inhibitor Use and Risks of Cardiovascular Disease and Mortality in Patients With Type 2 Diabetes. J Clin Endocrinol Metab 2022 dgac750; https://doi.org/10.1210/clinem/dgac750
- Holt A et al.: Heart Failure Following Anti-Inflammatory Medications in Patients With Type 2 Diabetes Mellitus. J Am Coll Cardiol 2023; https://doi.org/10.1016/j.jacc.2023.02.027
Leitlinien
- S3-Leitlinie: Nationale VersorgungsLeitlinie Chronische Herzinsuffizienz. (AWMF-Registernummer: nvl - 006), Dezember 2023 Langfassung