Aneurysma – Einleitung
Ein Aneurysma ist eine lokalisierte, krankhafte Ausbuchtung der Arterienwand, die durch eine Schwäche in der Gefäßwand verursacht wird. Kleinere Ausbuchtungen werden als Ektasie bezeichnet. Aneurysmen können in jeder Arterie des Körpers auftreten und stellen je nach Größe und Lage ein erhebliches Risiko für Komplikationen wie Ruptur und Blutung dar.
Formen der Aneurysmen
- Aneurysma arteriovenosum (Aneurysma varicosum) ‒ Verbindung zwischen einer Vene und einer Arterie, die mit einer Aufweitung des venösen Anteils einhergeht
- Aneurysma cordis (Herzwandaneurysma)
- Aneurysma dissecans (Synonym: Aortendissektion) ‒ Spaltbildung der Arterienwand, die von einem Riss in der Intima (Gefäßinnenschicht) ausgeht; dadurch kommt es zur Bildung eines Falschkanals, der über die Außenwand der Arterie zur akuten Blutung führen kann
- Aneurysma fusiforme ‒ Aneurysma, welches durch eine spindelförmige Ausbuchtung auffällt
- Aneurysma poststenoticum ‒ Aussackung der Arterienwand, die sich hinter einer Stenose (Verengung) befindet; ursächlich ist der erhöhte Wanddruck
- Aneurysma sacciforme ‒ Aneurysma, welches durch eine Sackform und einen engen Hals gekennzeichnet ist
- Aneurysma venosum ‒ selten auftretende Erweiterung von Venen
- Echtes Aneurysma (Aneurysma verum) ‒ Aneurysma, das durch eine lokal begrenzte Aufdehnung aller Wandschichten charakterisiert ist
- Embolisches (mykotisches) Aneurysma ‒ vor allem bei der Endokarditis (Herzinnenwandentzündung) auftretende infektiöse Aussackung
- Falsches Aneurysma (Aneurysma spurium) ‒ bezeichnet ein an der Arterienwand gelegenes Hämatom (Bluterguss), das mit einem Einriss in der Arterienwand in Verbindung steht
Nach der Lokalisation
- ICD-10-GM I67.9: Zerebrovaskuläre Krankheit, nicht näher bezeichnet
- ICD-10-GM I71.-: Aortenaneurysma und -dissektion
- ICD-10-GM I71.1: Aneurysma der Aorta thoracica, rupturiert
- ICD-10-GM I71.2: Aneurysma der Aorta thoracica, ohne Angabe einer Ruptur ‒ Wandaussackung der Aorta (Hauptschlagader) auf > 3,5 cm Durchmesser
- ICD-10-GM I71.3: Aneurysma der Aorta abdominalis (AAA), rupturiert
- ICD-10-GM I71.4: Aneurysma der Aorta abdominalis (AAA), ohne Angabe einer Ruptur ‒ Ausbuchtung der Arterienwand der infrarenalen oder suprarenalen Aorta um > 30 mm, was 150 % des "normalen" Gefäßdurchmessers entspricht; mit über 90 % überwiegender Anteil der Aortenaneurysmen [s. u. Bauchaortenaneurysma (BAA); Synonym. Abdominales Aortenaneurysma (AAA)]
- ICD-10-GM I71.5: Aortenaneurysma, thorakoabdominal, rupturiert
- ICD-10-GM I71.6: Aortenaneurysma, thorakoabdominal, ohne Angabe einer Ruptur
- ICD-10-GM I72.-: Sonstiges Aneurysma und sonstige Dissektion
- ICD-10-GM I72.0: Aneurysma und Dissektion der A. carotis
- ICD-10-GM I72.3: Aneurysma und Dissektion der A. iliaca
Lokalisation |
Häufigkeit (%) |
Aorta abdominalis |
55 |
Aorta ascendens |
17 |
A. poplitea |
12 |
Thorakale Aorta |
8 |
A. iliaca |
3 |
Andere Arterien |
5 |
Die Aortendissektion unterscheidet man anhand des zeitlichen Verlaufes vom Erstereignis (meist thorakales Schmerzereignis) in:
- Akute Aortendissektion (AAD): Vorstellung des Patienten innerhalb der ersten 2 Wochen nach Symptombeginn bzw. Erstdiagnose.
- Subakute Phase der Aortendissektion: Zeitspanne von 2-6 Wochen nach Symptombeginn
- Chronische Phase der Aortendissektion: nach 6 Wochen bzw. gemäß den Leitlinien der European Society of Cardiology [s. u. Leitlinien], wenn der Patient mehr als 90 Tage nach dem akuten Ereignis überlebt hat.
Epidemiologie
Geschlechterverhältnis
- Aneurysma der hirnversorgenden Gefäße: Frauen sind etwas häufiger betroffen als Männer.
- Thorakales Aortenaneurysma: Männer zu Frauen beträgt 2-4 : 1.
- Abdominelles Aortenaneurysma: Männer zu Frauen beträgt 5-6 : 1.
Häufigkeitsgipfel
- Thorakales Aortenaneurysma: Maximum des Auftretens im 6. und 7. Lebensjahrzehnt.
- Abdominelles Aortenaneurysma: Tritt bei Rauchern und bei Patienten mit Hypertonie (Bluthochdruck), Hyperlipidämie (Fettstoffwechselstörung) und Diabetes mellitus deutlich vor dem 65. Lebensjahr auf. Bis zu 10 % der männlichen Hypertonie-Patienten über 70 Jahre sind betroffen.
Die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) der Aneurysmen der hirnversorgenden Arterien liegt bei 2-3 % (in Deutschland). Die Häufigkeit steigt mit dem Alter an.
Die Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) des Aneurysmas der großen Gefäße beträgt ca. 40 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr.
Die Inzidenz des thorakalen Aortenaneurysmas beträgt ca. 5-10 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr.
Verlauf und Prognose
Verlauf
Der Verlauf eines Aneurysmas hängt stark von seiner Lokalisation, Größe und der Wachstumsrate ab. Allgemein verläuft ein Aneurysma in folgenden Schritten:
- Initiale Phase: Oft asymptomatisch und zufällig entdeckt bei bildgebenden Untersuchungen.
- Progrediente Phase: Zunahme der Größe, möglicherweise begleitet von Druckgefühlen, Schmerzen oder anderen Symptomen, abhängig von der Lokalisation des Aneurysmas.
- Komplikationen:
- Ruptur: Ein Aneurysma kann reißen, was zu lebensbedrohlichen Blutungen führt. Dies tritt besonders bei größeren Aneurysmen auf.
- Dissektion: Besonders bei Aortendissektionen, wobei ein Riss in der inneren Wandschicht der Arterie entsteht und das Blut zwischen den Wandschichten fließt.
- Embolien: Thrombenbildung innerhalb des Aneurysmas kann zu Embolien führen, welche wiederum Gefäßverschlüsse verursachen können.
Der Verlauf der Aneurysmen in verschiedenen Körperregionen kann spezifische Komplikationen und Symptome aufweisen, beispielsweise bei Aortenaneurysmen oder zerebralen Aneurysmen.
Prognose
Die Prognose eines Aneurysmas hängt von mehreren Faktoren ab, insbesondere von der Lokalisation, Größe und Wachstumsrate des Aneurysmas:
Rupturrisiko
- Bei einem abdominellen Aortenaneurysma (AAA) > 5 cm (Männer) bzw. > 4,5 cm (Frauen) steigt das Rupturrisiko innerhalb des darauffolgenden Jahres von 3 % auf 5 %.
- Die Letalität (Sterblichkeit) eines rupturierten abdominellen Aortenaneurysmas beträgt etwa 60-80 %.
Langzeitprognose
- Unbehandelte große Aneurysmen haben eine hohe Wahrscheinlichkeit für Komplikationen und Rupturen.
- Die Überlebensrate bei nicht-rupturierten, behandelten Aneurysmen ist deutlich höher, insbesondere wenn frühzeitig interventioniert wird.
Risikofaktoren: Rauchen, Hypertonie (Bluthochdruck), Hyperlipidämie (Fettstoffwechselstörung) und Diabetes mellitus erhöhen das Risiko für das Auftreten und das Fortschreiten eines Aneurysmas.
Präventive Maßnahmen: Regelmäßige Kontrolluntersuchungen und gegebenenfalls prophylaktische chirurgische Eingriffe können die Prognose verbessern.
Leitlinien
- S1-Leitlinie: Unruptierte intrakranielle Aneurysmen. (AWMF-Registernummer: 030-030), September 2012 Langfassung
- Erbel R, Aboyans V, Boileau C et al, ESC Committee for Practice Guidelines (2014) ESC Guidelines on the diagnosis and treatment of aortic diseases: Document covering acute and chronic aortic diseases of the thoracic and abdominal aorta of the adult. The Task Force for the Diagnosis and Treatment of Aortic Diseases of the European Society of Cardiology (ESC). European Heart Journal, Volume 35, Issue 41, 1 November 2014, Pages 2873-2926, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehu281
- S1-Leitlinie: Spontane Dissektionen der extrakraniellen und intrakraniellen hirnversorgenden Arterien. (AWMF-Registernummer: 030-005), Januar 2016 Langfassung
- S2k-Leitlinie: Typ B Aortendissektion. (AWMF-Registernummer: 004 - 034), Mai 2018 Langfassung