Autismus – Symptome – Beschwerden

Folgende Symptome und Beschwerden können auf Autismus hinweisen:

Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) [S3-Leitlinie]

Altersunabhängige Defizite

  • Soziale Interaktion und Kommunikation:
    • Störungen der Interaktion beziehen sich auf die Initiierung, Aufrechterhaltung und Gestaltung von zwischenmenschlichen Beziehungen im Rahmen von Familie, Freundschaft, Partnerschaft sowie Gleichaltrigen in Kindergarten, Schule und Beruf.
    • Störungen der Kommunikation beziehen sich einerseits auf die Sprachenentwicklung, andererseits insbesondere auf die nonverbale Kommunikation einschließlich Gestik, Mimik oder Blickverhalten. Bei kognitiv gut begabten Betroffenen auch paraverbale Leistungen wie das Verstehen von übertragener Bedeutung in Sprichwörtern und Humor oder Ironie.
  • Eingeschränkte, repetitive Verhaltensmuster, Interessen oder Aktivitäten umfassen Spezialinteressen, ritualisierte Tagesabläufe und eine starke Abneigung gegenüber Veränderungen der eigenen Lebensumstände.
  • Diese Phänomene müssen von frühester Kindheit an bestehen und bleiben lebenslang präsent.

Asperger-Syndrom

Patienten mit Asperger-Syndrom (AS) zeigen drei autistische Kernsymptome:

  • "Störung der sozialen Interaktion"
    • z. B. fehlende oder eingeschränkte sozioemotionale Gegenseitigkeit; Schwierigkeiten bei informellen Gesprächssituationen (Smalltalk)
  • "Störung der Kommunikation"
    • z. B. nonverbale Signale werden nur eingeschränkt oder gar nicht verstanden; Blickkontakt, Mimik und Gestik zur Kommunikation werden nur eingeschränkt verwendet; übertragende Bedeutungen verbaler Kommunikation (z. B. Metaphern, Ironie) werden nur eingeschränkt oder gar nicht verstanden
  • "Eingeschränkte Interessen und repetitive Verhaltensmuster"
    • auffälliges Interesse für Spezialinteressen; nutzlos erscheinende Ordnungsvorlieben; ritualisierte Tagesabläufe und eine starke Abneigung gegenüber Veränderungen der eigenen Lebensumstände.

Jeder zweite Betroffene mit AS leidet unter komorbiden Angststörungen oder Depressionen. 

Folgende Symptome und Beschwerden können auf ein Asperger-Syndrom hinweisen:

  • Verzögerte motorische Entwicklung
  • Koordinationsstörungen
  • Distanzlosigkeit
  • Beeinträchtigung der verbalen und nonverbalen Kommunikation (auffälliger Sprachgebrauch)
  • Kontaktdefizite, sowohl sozial als auch emotional (auffälliger Blickkontakt; sozial unbeholfendes, unangepasstes oder merkwürdiges Verhalten)
  • Reizbarkeit
  • Ritualisierte Abläufe (sowie zeitintensive Sonderinteressen)
  • Relativ normale geistige Entwicklung
  • Relativ normale Intelligenz

Weitere Hinweise

  • Das Asperger-Syndrom (AS) lässt sich gegenüber dem frühkindlichen Autismus (FA) durch die fehlende sprachlich-kognitiven Entwicklung in den ersten Lebensjahren abgrenzen.
  • Bei einer "milden" autistischen Symptomausprägung können sozial-kommunikative und interaktionäre Defizite durch hohe sozial-kognitive Kompensationsleistungen des Betroffenen ausgeglichen werden.
  • Bei Schwellensituationen (z. B. Auszug aus dem Elternhaus, Berufswechsel, Partnerschaftswunsch) sind die nicht-intuitiven Kompensationsmechanismen häufig zu starr.

Diagnosekriterien des Asperger Syndroms beim Erwachsenen (nach dem ADULT Asperger Assessment (AAA) [1]

Bereiche Subthemen
A: Qualitative Beeinträchtigung der sozialen Interaktion (≥ 3 von 5 Bereichen)
  • Deutliche Beeinträchtigungen im Bereich des nonverbalen Verhaltens
  • Möchte anderen nicht gefallen oder seine/ihre Erfahrungen mitteilen
  • Erfolglosigkeit beim Aufbau von Beziehungen zu Gleichaltrigen
  • Fehlen von sozialer oder emotionaler Gegenseitigkeit
  • Probleme beim Interpretieren sozialer Situationen oder von Gefühlen oder Gedanken anderer Menschen
B: Eingeschränkte, sich wiederholende und stereotype Verhaltens- und Interessenmuster (≥ 3 von 5 Bereichen)
  • Umfassende Beschäftigung mit stereotypen und eingeschränkten Verhaltensmustern
  • Offensichtlich unflexibles Verfolgen von spezifischen nicht funktionalen Tätigkeiten oder Ritualen
  • Stereotype und sich wiederholende Manierismen
  • Anhaltende Beschäftigung mit bestimmten Teilen von Objekten/Systemen
  • Tendenz zum "Schwarz-Weiß Denken" ohne flexibel verschiedene weitere Möglichkeiten in Betracht ziehen zu können
C: Qualitative Beeinträchtigung der verbalen und nonverbalen Kommunikation ( 3 von 5 Bereichen
  • Neigung dazu, in jedem Gespräch auf die eigene Person bzw. interessierende Inhalte zu sprechen zu kommen
  • Deutliche Beeinträchtigung bei der Initiierung und Aufrechterhaltung einer Unterhaltung
  • Pedantische Erzählstil bzw. sich verlieren in Details
  • Unfähigkeit, Interesse oder Langeweile beim Zuhörer zu erkennen
D: Beeinträchtigung des Vorstellungsvermögens (≥ 1 von 3 Bereichen)
  • Fehlen von spontanem, abwechslungsreichem Rollenspiel (z. B. mit Kindern "So-tun-als-ob-Spiele")
  • Unfähigkeit Geschichten zu erzählen, zu schreiben oder zu erfinden
  • fehlendes Interesse an Romanen oder Dramen oder beschränkt auf z. B. Wissenschaft, Technik, Geschichte
E: Notwendige Bedingungen (alle Bereiche):
  • Während der Kindheit bestehen bereits Auffälligkeiten in jedem der Bereiche A bis D.
  • Daraus resultierende Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Lebensbereichen
  • Im Bereich der sprachlichen Entwicklung liegen keine signifikanten Verzögerungen vor.
  • Eine andere tiefgreifende Entwicklungsstörung oder Schizophrenie muss ausgeschlossen werden.

Kanner-Syndrom

Frühkindlicher Autismus/tiefgreifende Entwicklungsstörung mit:

  • Kontaktstörung
  • Abkapselung
  • Veränderungsangst
  • Monotones Schreien des Säuglings
  • Stark verzögerte Sprachentwicklung bis zum Mutismus (Sprachhemmung)
  • Fähigkeit des abstrakten Denkens ist deutlich eingeschränkt
  • Motorische Stereotypien wie repetitive Bewegungen
  • Sensorische Störungen wie verminderte Schmerzempfindlichkeit

Mahler-Syndrom

  • Symbiotische Psychose: Sehr starke Fixierung des Betroffenen an die Mutter

Psychogener Autismus

  • Reaktiver Autismus nach einem schweren psychischen Trauma

Somatogener Autismus

  • Autistische Symptomatik, die hirnorganisch bedingt ist

Literatur

  1. Baron-Cohen S, Wheelwright S, Robinson J, Woodbury-Smith M: The Adult Asperger Assessment (AAA): a diagnostic method.
    J Autism Dev Disord 2005 Dec;35(6):807-19

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Autismus-Spektrum-Störungen im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter Teil 1: Diagnostik (AWMF-Registernummer: 028-018), April 2016 Langfassung