Amyotrophe Lateralsklerose – Einleitung

Bei der amyotrophen Lateralsklerose (ALS) handelt es sich um eine progressive (fortschreitende), irreversible Degeneration des motorischen Nervensystems. Betroffen von der Schädigung sind der 1. und 2. Motoneuron (Nervenzellen, die für Muskelbewegungen verantwortlich sind). Nach und nach geht die Verbindung zwischen Gehirn und Muskeln verloren. Das hat Auswirkungen auf die Muskelbewegungen (Muskeln der Extremitäten, die rumpfnahen Muskelgruppen, die bulbär versorgten Muskeln). Letztlich sind atrophische und spastische Lähmungen charakteristisch für das Krankheitsbild.

Synonyme und ICD-10: myatrophe Lateralsklerose; Motoneuron-Krankheit; Lou-Gehrig-Syndrom; ICD-10-GM G12.2: Motoneuron-Krankheit

Die ALS zählt zu den häufigsten Motoneuronenerkrankung bei Erwachsenen. Eine Variation der Erkrankung ist die sogenannte "chronisch juvenile ALS". Sie verläuft deutlich langsamer.

Inzwischen zeigen molekularpathologische Arbeiten, dass die amyotrophe Lateralsklerose mehr als eine reine Motoneuronenerkrankung ist: Die ALS ist eine Multisystemdegeneration mit einer Vielzahl nichtmotorischer Symptome.

Die klassische ALS geht einher mit Defiziten des oberen und unteren Motoneurons mit bulbärem oder spinalen Beginn.

Formen der ALS

  • Progressive Bulbärparalyse: Kombinierte Schädigung von 1. und 2. Motoneuron, beschränkt auf die bulbären Muskeln. Häufigkeit: ca. 20 %. Prognose: ungünstig.
  • Primäre Lateralsklerose (PLS): Weitgehend isolierte Schädigung des 1. Motoneurons. Manifestationsalter: 50.-55. Lebensjahr. Häufigkeit: ca. 2-4 %. Prognose: günstig.
  • Vulpian-Bernhart-Syndrom (Flail-arm-Syndrom bzw. Flail-leg-Syndrom): Überwiegende oder ausschließliche Schädigung des 2. Motoneurons. Männer sind deutlich häufiger betroffen (9:1). Prognose: relativ günstig.
  • Progressive Muskelatrophie (PMA): Ausschließliche Schädigung des 2. Motoneurons. Prognose: relativ günstig, wenn isoliert das 2. Motoneuron betroffen bleibt; relativ ungünstig, wenn im Verlauf das 1. Motoneuron betroffen wird.
  • ALS/FTD: Bei 5-10 % der Patienten besteht eine spezifische Subform, die Merkmale frontaler Demenzen (FTD) und ALS miteinander vereint [S1-Leitlinie].

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer zu Frauen beträgt 1,5-2 : 1. Im Rahmen der familiär auftretenden ALS sind beide Geschlechter gleich betroffen.

Häufigkeitsgipfel: Die Erkrankung tritt vorwiegend im Alter um die 60 Jahre auf (im Median), bei familiärer ALS um die 45 Jahre.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Diese liegt bei ca. 5-8 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner.

Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen): Diese beträgt ca. 2-2,5 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr (weltweit; Tendenz steigend).

Verlauf und Prognose

Bei der amyotrophen Lateralsklerose (ALS) handelt es sich um eine progressive (fortschreitende), irreversible Degeneration des motorischen Nervensystems. Betroffen sind das 1. und 2. Motoneuron, wodurch die Verbindung zwischen Gehirn und Muskeln schrittweise verloren geht. Dies führt zu charakteristischen atrophischen (schwundartigen) und spastischen Lähmungen.

Verlauf

Der Beginn der Erkrankung kann verschiedene Formen aufweisen:

  • Schmerzlose, progrediente Muskelatrophien (Muskelschwund) der Hände.
  • Störungen der Feinmotorik und Faszikulationen (unwillkürliche Muskelbewegungen).
  • Spastische Lähmungen der Beine (Paraspastik).
  • Atrophische oder spastische Paresen an den Unterschenkeln und Füßen, bevor die Arme betroffen sind.
  • Bulbäre Lähmungen mit Sprech- und Schluckstörungen als erstes Symptom in 20 % der Fälle.
  • Faszikulationen können auch in nicht gelähmten Muskeln auftreten.
  • Pseudobulbärparalyse (pathologisches Lachen oder Weinen) in etwa 50 % der Erkrankten.
  • Vegetative Störungen wie gastrointestinale Probleme und Herz- oder Leberprobleme.

Im fortgeschrittenen Stadium sind letztlich alle Muskelgruppen betroffen, einschließlich der Atemmuskulatur. Die Krankheit schreitet rasch und unaufhaltsam voran, wobei die intellektuellen Fähigkeiten und das Bewusstsein in der Regel erhalten bleiben.

Prognose

  • Mittlere Krankheitsdauer: 25 Monate (nach Diagnosestellung 12-24 Monate).
  • Lebenserwartung: Im Mittel 3,5 Jahre; ein Drittel der Erkrankten überlebt 5 Jahre, und 5 % überleben länger als 10 Jahre.
  • Dysphagie (Schluckstörung): Führt häufig zur Aspirationspneumonie (Lungenentzündung durch Einatmen von Fremdstoffen).
  • Respiratorische Insuffizienz: Aufgrund der Beteiligung der Atemmuskulatur die häufigste Todesursache.

Leitlinien

  1. S1-Leitlinie: Motoneuronerkrankung. (AWMF-Registernummer: 030-001), August 2021 Langfassung