Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Die Ursachen einer primären Nebennierenrindeninsuffizienz (primären NNR-Insuffizienz) sind vielfältig:
- Genetische Ursachen (Häufigkeit: sehr selten):
- Adrenoleukodystrophie (Synonyme: X-ALD; Addison-Schilder-Syndrom) – X-chromosomal-rezessive Erkrankung, die zu einem Defekt in der Steroidhormonsynthese mit Akkumulation überlangkettiger Fettsäuren in NNR und ZNS führt; in der Folge entstehen mit Beginn im Kindesalter neurologische Ausfälle und Demenz
- Familiärer Glucocorticoidmangel (isiolierter Cortisolmangel bei normalen Aldosteronkonzentrationen; z. B. wg. ACTH-Rezeptordefekt (→ fehlende Ansprechbarkeit von ACTH auf NNR)
- Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit) – genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang mit vermehrter Ablagerung von Eisen als Folge einer erhöhten Eisenkonzentration im Blut mit Gewebeschädigung
- Primäre Cortisolresistenz, wg. fehlender oder defekter Glucocorticoidrezeptoren am Zielgewebe (→ sekundäre Hypersekretion von: ACTH, Cortisol, Androgenen und Mineralocorticoiden)
- Autoimmune Zerstörung der NNR (75 % der Fälle)
- Infektionen (10-25 % der Fälle; s. u.)
- Vaskuläre (gefäßbedingte) Ursachen (s. u.)
- Malignome (Tumorerkrankungen; Metastasen in der NNR)
Die Patienten werden erst symptomatisch bei einem Gewebeverlust (= Zerstörung der hormonproduzierenden Zellen der Nebennierenrinde, NNR) von mehr als 90 % beider NNR.
Die Krankheit ist häufig assoziiert mit endokrinologischen Erkrankungen wie beispielsweise Diabetes mellitus Typ 1 und autoimmunen Schilddrüsenerkrankungen (polyglanduläres Autoimmunsyndrom Typ 1 oder 2).
Stressereignisse, wie beispielsweise Traumata, Verbrennungen, Fieber, akute Erkrankungen, Sepsis (Blutvergiftung) und Operationen, sind häufig Auslöser einer akuten NNR-Insuffizienz (Addison-Krise) auf der Grundlage einer chronischen NNR-Insuffizienz (= fehlende Stressantwort) oder eine Ischämie (Minderdurchblutung) der NNR (= primär akute NNR-Insuffizienz).
Ätiologie (Ursachen)
Biographische Faktoren
- S. u. Pathogenese
Krankheitsbedingte Ursachen
Blutbildende Organe – Immunsystem (D50-D90)
- Antiphospholipid-Syndrom (APS; Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom); Autoimmunkrankheit; es erkranken überwiegend Frauen (Gynäkotropie); durch folgende Trias charakterisiert:
- venöse und/oder arterielle Thrombosen (Blutgerinnsel (Thrombus) in einem Blutgefäß)
- Thrombozytopenie (Mangel an Thrombozyten (Blutplättchen) im Blut)
- rezidivierende Spontanaborte (Auftreten von drei oder mehr konsekutiven Spontanaborten vor der 20. SSW/Schwangerschaftswoche)
- Sarkoidose – granulomatöse Entzündung; entzündliche Multisystemerkrankung, deren Ursache noch unklar ist.
Häufig sind die Lunge und die hilären Lymphknoten fast immer betroffen (bis zu 95 % der Fälle) - Thrombozytopenie (verminderte Anzahl von Blutplättchen)
Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)
- der Adrenogenitales Syndrom (AGS) – Gruppe von kongenitalen Stoffwechselerkrankungen, bei denen die Synthese der Steroidhormone Cortisol (Glucocorticoid) und Aldosteron (Mineralcorticoid) in der Nebennierenrinde gestört ist
- Adrenoleukodystrophie (s. u. "Genetische Ursachen")
- Amyloidose ‒ extrazelluläre ("außerhalb der Zelle") Ablagerungen von Amyloiden (abbauresistente Proteine), die u. a. zu einer Kardiomyopathie (Herzmuskelerkrankung), Neuropathie (Erkrankung des peripheren Nervensystems) und Hepatomegalie (Lebervergrößerung) führen können.
- Autoimmunadrenalitis ‒ durch ein Autoimmungeschehen ausgelöste Infektion der Nebenniere, die zu einer Atrophie führt
- Familiäre adrenale Insuffizienz
- Familiärer Glucocorticoidmangel (s. u. "Genetische Ursachen")
- Hämochromatose (s. u. "Genetische Ursachen")
- Primäre Cortisolresistenz (s. u. "Genetische Ursachen")
Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99) [ca. 10-25 % der Fälle]
- Cytomegalie-Virus-Infektion (CMV)
- Histoplasmose ‒ Pilzerkrankung, die durch Histoplasma capsulatum ausgelöst wird
- HIV-Infektion
- Kokzidioidomykose ‒ Pilzerkrankung, die durch Coccidioides immitis ausgelöst wird
- Kryptokokkose ‒ Pilzerkrankung, die durch Cryptococcus neoformans ausgelöst wird
- Tuberkulose (Schwindsucht)
- Waterhouse-Friderichsen-Syndrom (Synonyme: Nebennierenapoplexie; suprarenale Apoplexie) – akuter Ausfall der Nebennieren infolge massiver bakterieller Infektionen (z. B. Meningokokken, Haemophilus influenzae oder Pneumokokken)
Herzkreislaufsystem (I00-I99)
- Beidseitige Thrombose der V. adrenalis
- Beidseitige Einblutungen/Infarzierungen wie beim Waterhouse-Friderichsen-Syndrom (Synonyme: Nebennierenapoplexie; suprarenale Apoplexie; akuter Ausfall der Nebennieren infolge massiver bakterieller Infektionen und ist eine Sonderform der Verbrauchskoagulopathie), geburtstraumatisch
- Nebennierenblutung unter Antikoagulantien
- Nebenniereninfarkt
Muskel-Skelett-System und Bindegewebe (M00-M99)
- Lupus erythematodes – Gruppe von Autoimmunerkrankungen, bei der es zur Bildung von Autoantikörpern kommt. Sie zählt zu den Kollagenosen
Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)
- Morbus Hodgkin – maligne Neoplasie (bösartige Neubildung) des lymphatischen Systems, die zu den malignen Lymphomen gezählt wird.
- Non-Hodgkin-Lymphome (NHL; alle malignen (bösartigen) Erkrankungen des lymphatischen Systems außer den Hodgkin-Lymphomen)
- Tumormetastasen (bei Bronchial-, Kolon- und Mammakarzinom/Lungen-, Darm- und Brustkrebs)
Operationen
- Bilaterale Adrenalektomie (beidseitige chirurgische Entfernung der Nebenniere)
Medikamente
- Aminogluthimid (Antiöstrogen)
- Antikoagulantien (Medikamentes zur Hemmung der Blutgerinnung)
- Etomidate (Narkotikum)
- Abruptes Absetzen von Glucocorticoiden (z. B. Cortison)
- Ketoconazol (Antimykotikum; Arzneimittel gegen Pilzerkrankungen)
- Mitotan (o,p'-DDD; Adrenostatikum; Wirkstoff, das die Produktion des Hormons Cortisol in den Nebennieren hemmt)
- Rifampicin (bakterizides Antibiotikum aus der Gruppe der Ansamycine (Rifamycine)/Tuberkulostatikum)
- Suramin (Antiprotozoikum; Arzneimittel zur Behandlung von parasitären Infektionskrankheiten)