Einleitung
Adrenogenitales Syndrom

Das adrenogenitale Syndrom (AGS; adrenogenital = die Nebenniere und Keimdrüsen betreffend) (Synonyme: adrenogenitales Salzverlustsyndrom; adrenogenitales Syndrom; adrenogenitale Störung; Debré-Fibiger-Syndrom; genitoadrenales Syndrom; genitosuprarenales Syndrom; engl.: Congenital adrenal hyperplasia; (CAH); ICD-10-GM E25.9: Adrenogenitale Störung, nicht näher bezeichnet) umfasst eine Gruppe von kongenitalen (angeborenen) Stoffwechselerkrankungen, bei denen die Synthese (Herstellung) der Steroidhormone Cortisol (Glucocorticoid; Stresshormon) und Aldosteron (Mineralcorticoid; dient der Aufrechterhaltung des Salzhaushaltes) in der Nebennierenrinde gestört ist.

Ursache dafür ist ein Enzymdefekt. Am häufigsten ist das Enzym 21-Hydroxylase betroffen. Dieses Enzym ist an der Biosynthese der Steroidhormone Cortisol und Aldosteron beteiligt. Um den in der Folge auftretenden Mangel an Cortisol zu kompensieren, kommt es zu einer Überstimulation der Nebennierenrinde.
In der Nebennierenrinde werden auch Androgene (männliche Geschlechtshormone gebildet; z. B. DHEA, Testosteron). Durch die gesteigerte Tätigkeit der Nebennierenrinde entwickelt sich eine Hyperandrogenämie (Erhöhung der männlichen Geschlechtshormone im Blut), die bei Mädchen zu einer Virilisierung (Vermännlichung) und bei Jungen zu einer vorzeitigen Geschlechtsentwicklung (Pseudopubertas praecox) führt.
Der Mangel an Aldosteron bedingt Störungen im Salzhaushalt mit Flüssigkeitsverlust ("Salzverlustsyndrom"). Aldosteron ist ein Mineralocorticoid. Es stellt ein wichtiges Glied im Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) dar, welches den Blutdruck und den Salzhaushalt mit reguliert.
Zusammenfassend lässt sich das adrenogenitale Syndrom als eine kombinierte angeborene Störung der adrenalen Steroidbiosynthese und der Geschlechtsdifferenzierung beschreiben.

Das adrenogenitale Syndrom wird autosomal-rezessiv vererbt (kongenitale adrenogenitale Syndrom).

Folgende Typen des adrenogenitalen Syndroms werden unterschieden:

  • Klassisches adrenogenitales Syndrom – Symptome treten bereits bei Neugeborenen auf
    • ohne Salzverlust ("salt-wasting"-AGS)
    • mit Salzverlust ("simple virilizer"-AGS)
  • Nicht-klassisches adrenogenitales Syndrom
    • "late-onset"-AGS – Symptome treten erst in der Pubertät oder im Erwachsenenalter auf
    • "cryptec"-AGS (Minimalform des AGS) – keine Symptome, aber charakteristisches Hormonprofil

Das androgenitale Syndrom kann auch erworben sein. Ursache kann ein androgenbildender Nebennierenrindentumor oder ein Gonadentumor (Keimdrüsentumor) sein.

Die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) für das klassische adrenogenitale Syndrom liegt bei 1 pro 5.000-15.000 Einwohner und für das nicht-klassische adrenogenitale Syndrom bei schätzungsweise 1 pro 1.000 Einwohnern.

Verlauf und Prognose: Der Verlauf des adrenogenitalen Syndroms (AGS) ist davon abhängig, welches Enzym von dem Defekt betroffen ist und inwieweit noch eine Restaktivität dessen vorhanden ist (s. u. Symptome – Beschwerden). In jedem Fall erhalten AGS-Patienten einen Notfall-Ausweis.
Patienten mit klassischem AGS erhalten überphysiologische Glucocorticoidgaben zur Therapie der adrenalen Androgenüberproduktion. Des Weiteren erfolgt eine Mineralocorticoidsubstitution (s. u. Therapie). Bei Männern verhindert die Suppressionstherapie zudem das Wachstum testikulärer adrenaler Resttumoren (TART).
Beachte: Bei Jungen muss der mit behandelnde Urologe über die Krankheit informiert werden, um eine unnötige Hodenoperation zu vermeiden.
Bei Vorliegen des nicht klassischem AGS wird nur bei relevanten Symptomen therapiert. Im Kindesalter ist eine niedrig dosierte Cortisoltherapie ausreichend. Im Erwachsenenalter werden Antikonzeptiva eingesetzt.

In der Therapie Erwachsener steht die Vermeidung von Addison-Krisen (Vigilanzstörung, Dehydratation (Flüssigkeitsmangel), Fieber, Hypoglykämie (Unterzuckerung)), die eine lebensbedrohliche Form annehmen können, Erhalt der Fertilität (Fruchtbarkeit) sowie eine befriedigende Sexualfunktion im Vordergrund.

Die Prognose ist bei guter Einstellung der Hormonsubstitution sehr gut. Die Symptome verschwinden, die Patienten können ein normales Leben führen und haben eine normale Lebenserwartung.

Leitlinien

  1. Leitlinie: Adrenogenitales Syndrom. Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie
  2. S1-Leitlinie: Adrenogenitales Syndrom mit 21-Hydroxylase-Defekt (AGS), Pränatale Therapie. (AWMF-Registernummer: 174 - 013), Juli 2015 Langfassung
  3. S1-Leitlinie: Adrenogenitales Syndrom (AGS) im Kindes- und Jugendalter. (AWMF-Registernummer: 174 - 003), Oktober 2021 Langfassung

     
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