Operative Therapie
Leistenbruch (Inguinalhernie)

Herniotomie

Die Herniotomie (Synonym: Bruchoperation) ist eine Operation zur Entfernung bzw. Korrektur einer Hernie. Als Indikation zur operativen Behandlung gilt bei fehlenden Beschwerden und fehlender Größenzunahme die Inkarzerationsgefahr.

Bei der asymptomatischen Leistenhernie Typ A und B (s. u. Hernia inguinalis/Medizingerätediagnostik/Sonographie (Ultraschall)) ist beobachtendes Abwarten (sogenanntes "watchful waiting") ausreichend. 

Beachte:

  • Leistenhernie bei zu früh geborenen Kindern: die späte Operation eines Leistenbruchs (Ges­tationsalter von mindestens 55 Wochen) versus frühe Operation verringert die Anzahl der Kinder mit mindestens einem schweren unerwünschten Ereignis [11].
  • Bei einer asymptomatischen und nicht progredienten (fortschreitenden) Leistenhernie beim Mann darf keine Empfehlung mehr zur operativen Therapie ausgesprochen werden (Evidenzniveau 1) [2].
    Inzwischen wird in der Leitlinie von HerniaSurge festgestellt; dass die meisten Patienten mit asymptomatischen oder minimal symptomatischen Leistenhernien im Verlauf Beschwerden entwickeln und daher operiert werden sollten. Eine zeitnahe Operation wird empfohlen bei Patienten mit Femoralhernien [s. u. Leitlinien: HerniaSurge 2018].
  • Eine primäre Hernie der Frau sollte gemäß der Leitlinie der European Hernia Society (EHS) primär operiert werden. Der Grund besteht in der Möglichkeit einer Hernia femoralis (Femoralhernie; femorale Hernie; Schenkelhernie), die klinisch und medizingerätediagnostisch nicht eindeutig zu diagnostizieren ist und zudem in bis zu 30 % der Fälle inkarzeriert (Evidenzniveau 2, Empfehlungsgrad B) [2-4].

Die symptomatische Leistenhernie bedingt auf jeden Fall eine operative Therapie (die asymptomatische Form nur bei vorliegendem Typ C). Dabei kann man zwischen verschiedenen Operationsformen unterscheiden, die entweder konventionell mit einem Bauchschnitt oder laparoskopisch (minimal-invasiv über Schlüsselloch-Chirurgie) durchgeführt werden können. Es wird versucht, mit einem Netz die Bruchpforte zu verschließen. Details dazu siehe unter "Operation einer Leistenhernie".

Das laparoskopische Verfahren ist die Methode der ersten Wahl. Dieses Verfahren hat zudem die geringste Quote an postoperativen Wundinfektionen. 
Widerspruch: Es gibt keine beste Technik für die unilaterale primäre Leistenhernie. Ein kanadisches Hernien-Zentrum (7.000 Leistenhernien pro Jahr), das Shouldice Hospital (Ontario) erreicht langfristig Rezidivraten von 1,2 % bei ca. nur 10 % der Eingriffe endoskopisch. Entscheidend sei die Standardisierung der OP-Technik [2].

Gemäß der aktuellen HerniaSurge-Leitlinie sollten Männer und Frauen mit primärer unilateraler Femoral- und Leistenhernie wegen einer geringeren postoperativen und chronischen Schmerzinzidenz primär mit laparoendoskopische Verfahren behandelt werden [s. u. Leitlinien: HerniaSurge 2018].

Perioperatives Management/Antibiotikatherapie

  • Eine Antibiotikaprophylaxe wird bei offenen Reparationsverfahren bei Patienten mit erhöhtem Infektionsrisiko empfohlen.
  • Falls keine Risikofaktoren vorliegen, sollte im Regelfall keine Antibiotikaprophylaxe durchgeführt werden
  • Bei laparoendoskopischen Operationsverfahren wird  unabhängig von bestehenden Risikofaktoren – keine Antibiotikaprophylaxe empfohlen.

Weitere Hinweise

  • Etwa jede zehnte Leistenhernie ist zum Zeitpunkt ihrer Diagnose inkarzeriert (Bruch mit kritischer Einklemmung des Bruchinhaltes in der Bruchpforte).
  • Netzbasierte Operationsverfahren (Netzimplantate) haben kein höheres Infektionsrisiko als eine Operationsmethode ohne Netz [1]. 
    Gemäß aktueller HerniaSurge-Leitlinie werden netzbasierte Verfahren bei der Versorgung symptomatischer Leistenhernien empfohlen [s. u. Leitlinien: HerniaSurge 2018].
  • Eine Hernienversorgung mit IPOM (Intraperitoneales Onlay-Mesh) kommt auch bei inkarzerierten Hernien infrage soweit keine Peritonitis (Bauchfellentzündung) vorliegt [1].
    Mögliche Spätkomplikationen sind:
    • Adhäsionen (Verwachsungen) mit Passagestörungen bis zum mechanischen Ileus (Darmverschluss)
    • Rezidivierende/persistierende Bauchschmerzen (wiederkehrende/fortbestehende Bauchschmerzen)
    • Serome (Ansammlungen von Exsudat, Blutserum oder Lymphe in Gewebehohlräume)
    • Septische Komplikationen (1 % nach laparoskopischen Operationen bis zu 15 % nach offenen Eingriffen)
      • Bildung von Darmfisteln 
      • Netzinfektion
  • Eine Netzeinlage bietet die beste Gewähr gegen ein frühzeitiges Rezidiv (Wiederauftreten der Erkrankung). Auf Grundlage der "Dansk Herniedatabase" zeigte die netzbasierte Reparatur mit zunehmender Nachbeobachtungszeit allerdings kontinuierlich ansteigende Komplikationen (Ileus (Darmverschluss), Darmperforationen, chronischen Infektionen im Operationsgebiet oder im Sinustrakt): offene Operation 5,6 % behandlungsbedürftige Komplikationen, nach laparoskopischer Hernien-Reparatur waren es 3,7 % [6].
  • Bei Verwendung der Onstep-Technik (= Open New Simplifyed Totally Extraperitoneal Patchplasty) schnitt der Anteil der Männer mit postoperativ berichteten Schmerzen während sexueller Aktivität mit 13,1 % deutlich besser ab als die Lichtenstein-Gruppe (23 %).
    Bei der Onstep-Technik erfolgt nach dem Unterbauchschnitt von 3-4 cm Länge die Implantation eines selbstaufspannenden Netzes (Mesh). Dabei wird auf die Fixierung verzichtet. Das Mesh wird mit seinem medialen Teil präperitoneal ("vor dem Bauchfell") und mit seinem lateralen Teil zwischen den beiden Mm. obliqui (externus und internus) platziert, dabei umschließt dieses den Funiculus spermaticus (Samenstrang) [7].
  • Bei Frauen ist die Rezidivrate nach einer Leistenhernien-Operation nach einem offen durchgeführten Eingriff größer als nach einer laparoskopischen Operation (2,4 % (offene) gegenüber 1,2 % (laparoskopische) bei einer Nachbeobachtungsdauer von im Mittel 36 bzw. 24 Monaten). Bei der Reoperation wurden in 43 % der rezidivierten Fälle eine Femoralhernie entdeckt [8].
  • Bei der offenen retromuskulären Hernienreparatur kann bei Patienten mit einer ventralen Hernie von maximal 20 cm Länge auf die transfasziale Nahtfixation des Netzes verzichtet werden, ohne dabei ein erhöhtes Rezidivrisiko in Kauf nehmen zu müssen. Einschränkung: Nachbeoabachtungszeit mit einem Jahr ist zu kurz [10].
  • Beim Vergleich von Schmerzen nach total extraperitonealer Hernioplastik (TEP) versus nahtfreier Lichtenstein-Operation bei Patienten mit Leistenhernie war der minimalinvasive Eingriff mit deutlich geringeren postoperativen Schmerzen bei gleicher Komplikationsrate verbunden. Dabei wurde in beiden Fällen ein Polypropylen-Netz eingelegt, wobei bei den minimalinvasiv operierten TEP-Patienten die Fixierung entfiel [9].

Literatur

  1. Hentati H et al.: Mesh Repair Versus Non-Mesh Repair for Strangulated Inguinal Hernia: Systematic Review with Meta-Analysis. World Journal of Surgery 2014; 19. Aug. 2014; DOI 10.1007/s00268-014-2710-0
  2. Miserez M, Peeters E, Aufenacker T et al.: Update with level 1 studies of the European Hernia Society guidelines on the treatment of inguinal hernia in adult patients. Hernia 2014; 18: 151-63
  3. Simons MP, Aufenacker T, Bay-Nielsen M et al.: European Hernia Society guidelines on the treatment of inguinal hernia in adult patients. Hernia 2009; 13: 343-403
  4. Rosenberg J, Bisgaard T, Kehlet H et al.: Danish Hernia Database recommendations for the management of inguinal and femoral hernia in adults. Dan Med Bull 2011; 58: C4243
  5. Malik A et al.: Recurrence of inguinal hernias repaired in a large hernia surgical specialty hospital and general hospitals in Ontario, Canada. Can J Surg. 2016 Feb; 59(1): 19-25. doi: 10.1503/cjs.003915
  6. Kokotovic D et al.: Long-term Recurrence and Complications Associated With Elective Incisional Hernia Repair. JAMA. 2016;316(15):1575-1582. doi:10.1001/jama.2016.15217
  7. Andresen K et al.: Sexual dysfunction after inguinal hernia repair with the Onstep versus Lichtenstein technique: A randomized clinical trial. Surgery 2017; online 2. März; doi: 10.1016/j.surg.2016.12.030
  8. Schmidt L et al.: Recurrence Rates After Repair of Inguinal Hernia in Women. A Systematic Review. JAMA Surg 2018; online 31. Oktober; doi: 10.1001/jamasurg.2018.3102
  9. Matikainen M et al.: A randomized clinical trial comparing early patient-reported pain after open anterior mesh repair versus totally extraperitoneal repair of inguinal hernia. Br J Surg 2021; https://doi.org/10.1093/bjs/znab354
  10. Ellis RC et al.: Transfascial Fixation vs No Fixation for Open Retromuscular Ventral Hernia Repairs A Randomized Clinical Trial. JAMA Surg 2023; https://doi.org/10.1001/jamasurg.2023.1786
  11. HIP Trial Investigators: Effect of Early vs Late Inguinal Hernia Repair on Serious Adverse Event Rates in Preterm Infants A Randomized Clinical Trial JAMA. 2024;331(12):1035-1044. doi:10.1001/jama.2024.2302

Leitlinien

  1. Simons MP, Aufenacker T, Bay-Nielsen M et al.: European Hernia Society guidelines on the treatment of inguinal hernia in adult patients. Hernia 2009; 13: 343-403
  2. S1-Leitlinie: Leistenhernie, Hydrozele. (AWMF-Registernummer: 006 - 030), September 2014 Langfassung
  3. Miserez M et al.: Update with level 1 studies of the European Hernia Society guidelines on the treatment of inguinal hernia in adult patients. Hernia 2014 Apr;18(2):151-63. doi: 10.1007/s10029-014-1236-6. Epub 2014 Mar 20.
  4. The HerniaSurge Group: International guidelines for groin hernia management. Hernia 2018 Feb;22(1):1-165. doi: 10.1007/s10029-017-1668-x. Epub 2018 Jan 12.
     
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