Ursachen
Erektionsstörung

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Männer jeden Alters können betroffen sein. Die Ursachen der erektilen Dysfunktion (ED) sind sehr vielfältig.

Eine vorübergehende erektile Dysfunktion liegt meistens bei jüngeren Patienten vor. Hier stehen in aller Regel psychische Ursachen, wie beispielsweise eine psychogene ED aufgrund eines erhöhten Sympathikotonus, im Vordergrund.
Der erhöhte Sympathikus führt zur Hemmung des spinalen Erektionszentrums bzw. zur Verstärkung der sympathischen Efferenzen, was zur Erhöhung des Tonus der glatten Muskulatur im Penis führt und damit die Vasodilatation erschwert.

Eine längerfristige erektile Dysfunktion besteht häufiger bei älteren Patienten. Hier stehen häufig organische Ursachen, wie beispielsweise vaskuläre, endokrine, neurogene oder strukturelle Anomalien, im Vordergrund.

Beachte: Eine ED kann bereits ein erster Hinweis auf eine systemische Atherosklerose (Arteriosklerose, Arterienverkalkung) sein.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung
    • Genetische Erkrankungen
      • Klinefelter-Syndrom – genetische Erkrankung mit meist sporadischem Erbgang: numerische Chromosomenaberration (Aneuploidie) der Geschlechtschromosomen (Gonosomen-Anomalie), die nur bei Jungen bzw. Männern auftritt; in der Mehrzahl der Fälle durch ein überzähliges X-Chromosom (47, XXY) gekennzeichnet; klinisches Bild: Großwuchs und Hodenhypoplasie (kleiner Hoden), bedingt durch einen hypogonadotropen Hypogonadismus (Keimdrüsenunterfunktion); meist spontaner Pubertätsbeginn, jedoch schlechter Pubertätsfortschritt 
  • Lebensalter – zunehmendes Alter 
  • Hormonstörungen bei primärem Hypogonadismus
    Erkrankungen, die mit einem Fehlen bzw. Mangel an Testosteron einhergehen, z. B. Fehlen von Testosteron bei angeborener Anorchie (fehlende Hoden); Testosteronmangel beispielsweise bei Kryptorchismus (Hodenhochstand) – zum Beispiel Leisten- und Bauchhoden; schwere abgelaufene, beidseitige Orchitis (Hodenentzündung) in der Kindheit, Chromosomenanomalien wie Klinefelter-Syndrom (47,XYY; 48,XXYY; 48,XXXY; 49,XXXYY; 49,XXXXY)
  • Schrittgröße (Zweischrittscore: die maximale Länge zweier Schritte) – je größer die Schritte im Verhältnis zur Körpergröße sind, umso besser ist die erektile Funktion [11]

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Genussmittelkonsum
    • Alkohol
    • Tabak (Rauchen) [2, 3]
  • Drogenkonsum
    • Amphetamine (indirektes Sympathomimetikum): Ecstasy (3,4-Methylendioxy-N-Methylamphetamin, MDMA), Crystal Meth (Methamphetamin) oder Methylphenidat
    • Cannabis (Haschisch und Marihuana)
    • Heroin
    • Kokain
    • Methadon
    • Synthetische Drogen
  • Körperliche Aktivität
    • Sitzendes Radfahren (unmittelbar – akut; mittelbar – chronisch)
    • Vielsitzer: Sitzendes Freizeitverhalten geht mit einem erhöhten Risiko für erektile Dysfunktion (ED) einher [15].
  • Psycho-soziale Situation
    • Psychische Probleme
    • Partnerschaftsprobleme
    • Ungünstige Partnerinteraktion/Unmutsäußerungen des Sexualpartners
    • Leistungsdruck, z. B. bei neuer Partnerschaft nach langjähriger Beziehungslosigkeit
    • Längerfristige, erschöpfende Arbeit ("Burnout-Syndrom")
    • Stress
    • Versagensängste
    • Traumatische sexuelle Erlebnisse
    • Traumatische Erlebnisse
    • Vermindertes Selbstbewusstsein
  • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas) [7]; wird kontrovers beurteilt; maßgeblicher ist die Fettverteilung – s. u. androide Fettverteilung (BMI und zentrale Adipositas müssen gemeinsam betrachtet werden) [5]
  • Androide Körperfettverteilung, das heißt abdominales/viszerales, stammbetontes, zentrales Körperfett (Apfeltyp) – es liegt ein hoher Taillenumfang bzw. ein erhöhter Taille-Hüft-Quotient (THQ; englisch: waist-to-hip-ratio (WHR)) vor; vermehrtes Bauchfett führt zum Abfall des freien Testosterons
    Ein erhöhter Taillenumfang geht mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und damit auch für die Entwicklung einer erektilen Dysfunktion einher [6]. Bei der Messung des Taillenumfangs gemäß der Richtlinie der International Diabetes Federation (IDF, 2005) gelten folgende Normwerte:
    • Männer < 94 cm (erhöhtes Risiko)
    Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft veröffentlichte 2006 etwas moderatere Zahlen für den Taillenumfang: 102 cm bei Männern (stark erhöhtes Risiko).

Krankheitsbedingte Ursachen

Angeborene Fehlbildungen, Deformitäten und Chromosomenanomalien (Q00-Q99)

  • Fehlbildungen des Penis und der Harnröhre (z. B. die Induratio penis plastica (IPP, erworbene Penisdeviation/Penisverkrümmung) oder die sogenannte Penisfraktur; Hypo- und Epispadie)
  • Klinefelter-Syndrom (s. u. "Biographische Ursachen")

Atmungssystem (J00-J99)

  • Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) – progrediente (fortschreitende), nicht vollständig reversible (umkehrbare) Obstruktion (Verengung) der Atemwege

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Adipositas (Übergewicht), Fettsucht
    Insbesondere bei androider Körperfettverteilung, das heißt abdominalem, stammbetonten, zentralen Körperfett (Apfeltyp) – dieses führt zum Abfall des freien Testosterons
  • Diabetes mellitus (Blutzuckerkrankheit) – 23 % aller Diabetiker (versus 11 % bei Männern ohne Diabetes mellitus); die Häufigkeit der Funktionsstörungen war mit 52 Prozent bei Personen mit schwerem Insulinresistenz-betonten Diabetes (SIRD) am höchsten; am geringsten war das Vorkommen einer erektilen Dysfunktion mit 7 % bei Personen mit schwerem Autoimmun-Diabetes (NSAID) [12].
  • Dyslipidämie – Erhöhung von Plasmacholesterin (Hypercholesterinämie) und/oder Triglyceriden (TGs) oder ein niedriger HDL-Spiegel (wg. Risikofaktor Atherosklerose/Arteriosklerose/Arterienverkalkung)
  • Hormonstörungen bei Schilddrüsenerkrankungen (Hypo- und Hyperthyreose)
  • Hyperhomocysteinämie 
  • Hyperprolaktinämie  (Erhöhung des Prolaktinspiegels im Blut)
  • Hypoandrogenämie bei primärem Hypogonadismus (Testosteronmangel)
  • Hypo- und Hyperkortisolismus (u. a. Morbus Cushing)
  • Hypophyseninsuffizienz (Hypophysenunterfunktion)
  • Insulinresistenz (verminderte oder aufgehobene Wirkung des Hormons Insulin)
  • Sekundärer Hypogonadismus wie beispielsweise Hypophysenvorderlappeninsuffizienz (Gonadotropine ↓)

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Apoplex (Schlaganfall)
  • Atherosklerose (Arteriosklerose, Arterienverkalkung)
  • Hypertonie (Bluthochdruck)
  • Koronare Herzkrankheit (KHK; Herzkrankgefäßerkrankung)
  • Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) –  fortschreitende Stenosierung (Verengung) bzw. Okklusion (Verschluss) der die Arme/ (häufiger) Beine versorgenden Arterien, meist aufgrund einer Atherosklerose (Arteriosklerose, Arterienverkalkung)
  • Thrombose des Corpus cavernosums ("Penisschwellkörper")

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • Infektionskrankheiten wie Chlamydien, Gonorrhoe (Tripper), HIV / AIDS; Langzeitfolge von COVID-19 in [13]

Leber, Gallenblase und Gallenwege – Pankreas (Bauchspeicheldrüse) (K70-K77; K80-K87)

  • Lebererkrankungen wie beispielsweise Leberzirrhose

Muskel-Skelett-System und Bindegewebe (M00-M99)

  • Diskusprolaps (Bandscheibenvorfall)
  • Gicht (Hyperurikämie) – nach der Erstdiagnose einer Gicht (31 % erhöhtes Risiko für ED)

Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)

  • Neubildung, nicht näher bezeichnet (mit Rückenmarkkompression)
  • Peniskarzinom (Peniskrebs)

Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)

  • Alkoholabusus (Alkoholabhängigkeit)
  • Angststörungen bzw. Ängste
  • Apoplex (Schlaganfall)
  • Depression
  • Diabetische Neuropathie – chronische Störungen der peripheren Nerven oder Anteilen von Nerven
  • Insomnie (Schlafstörungen) [14]
  • Multiple Sklerose (MS)
  • Morbus Parkinson
  • Neuropathien (Erkrankungen des peripheren Nervensystems; alkoholisch/diabetogen)
  • Phimose (Vorhautverengung)
  • Polyneuropathie – Erkrankungen des peripheren Nervensystems, die mit chronischen Störungen der peripheren Nerven oder Anteilen von Nerven einhergehen
  • Psychische Probleme, nicht näher bezeichnet – psychogene ED (wg. erhöhtem Sympathikotonus)
  • Restless-Legs-Syndrom – Missempfindungen meist in den unteren Extremitäten und damit verbundenem Bewegungsdrang (motorische Unruhe)
  • Schlafapnoe (Atemaussetzer im Schlaf)
  • Somatoforme Störung – psychischen Erkrankung, die zu körperlichen Symptomen führt, ohne dass körperliche Befunde zu erheben wären
  • Temporallappenepilepsie (TLE; Synonyme: Schläfenlappenepilepsie; psychomotorische Epilepsie) – häufigste Form einer fokalen Epilepsie mit Beginn der Anfälle vom Temporallappen (Schläfenlappen)

Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)

  • Chronische Nierenerkrankung (CKD)
  • Nierenerkrankungen, nicht näher bezeichnet
  • Urogenitale Infektionen (z. B. Prostatitis)

Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)

  • Penistrauma (Verletzung des Penis)
  • Verletzungen an der Wirbelsäule oder dem Becken (z. B. Wirbelsäulenfraktur; Beckenfraktur; Querschnittslähmung)

Labordiagnosen Laborparameter, die als unabhängige Risikofaktoren gelten

  • Hypercholesterinämie (hohe Cholesterinspiegel im Blut)
  • Hyperhomocysteinämie (Homocystein) [1]
  • Hyperurikämie (Harnsäure) [4]

Medikamente 

  • Antibiotika
  • Anticholinergika
  • Antidepressiva
    • Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI, Selective Serotonin Reuptake Inhibitor)
    • Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SNRI)
    • Trizyklische Antidepressiva (nichtselektive Monoamin-Wiederaufnahme-Hemmer, NSMRI)
    • Weitere Antidepressiva
  • Antidiabetika
  • Antiepileptika
  • Antihypertensiva
    • ACE-Hemmer
    • Alpha-1-Rezeptorenblocker
    • Betablocker
    • Calciumantagonisten
    • Clonidin
    • Methyldopa
  • Antikoagulantien
  • Cortisonderivate
  • Diuretika
    • Amilorid
    • Spironolacton
    • Thiazide
  • Gichtmittel
  • Haarwuchsmittel
  • Hypnotika/Sedativa
    • Antipsychotika (Neuroleptika)
    • Anxiolytika
    • Psychoanaleptika
    • Sympathomimetika
    • Tranquilizer
  • Lipidsenker
    • Clofibrate
    • CSE-Hemmer
  • Magen- und Darmtherapeutika
  • Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAID)
  • Prostatamittel
    • Dutasterid (dualer 5α-Reduktasehemmer)
    • Finasterid (selektiver Inhibitor der Steroid-5α-Reduktase vom Typ II und Typ III)
    Einnahmedauer länger als 205 Tage führte 4,9-fach häufiger zu einer persistierenden erektilen Dysfunktion (PED) als bei einer kürzeren Einnahmedauer [8].
  • Zytostatika

Operationen

  • Operationen im kleinen Becken wegen Prostatakarzinom, Kolonkarzinom (Dickdarmkrebs) oder Harnblasenkarzinom (Blasenkrebs)

Weitere Ursachen

  • Postradiogen (nach Strahlentherapie)

Literatur

  1. Demir T, Comlekci A, Demir O, Gulcu A, Calythornkan S, Argun L, Secil M, Yethornil S, Esen A: Hyperhomocysteinemia: a novel risk factor for erectile dysfunction. Metabolism. 2006 Dec;55(12):1564-1568.
  2. Deutsches Krebsforschungszentrum Tabakatlas Deutschland 2015. Heidelberg
  3. Secretan B, Straif K, Baan R et al.: A review of human carcinogens – Part E: tobacco, areca nut, alcohol, coal smoke, and salted fish. Lancet Oncol. 2009 Nov;10(11):1033-4.
  4. Salem S et al.: Serum Uric Acid as a Risk Predictor for Erectile Dysfunction. J Sex Med 2014; 11: 1118-24
  5. Boehm K et al.: Waist circumference, waist-hip ratio, body mass index, and prostate cancer risk: Results from the North-American case-control study Prostate Cancer & Environment Study. Urol Oncol 2015, online 13. August; doi: 10.1016/j.urolonc.2015.07.006
  6. Sommer F, Mathers MJ: Lifestyle, erektile Dysfunktion, Hormone und metabolisches Syndrom. Möglichkeiten einer geschlechtsspezifischen männlichen Prävention. Urologe A. 2007;46:628-35.
  7. Bacon CG, Mittleman MA, Kawachi I et al.: Sexual function in men older than 50 years of age: results from the health professionals follow-up study. Ann Intern Med. 2003;139:161-8.
  8. Kiguradze T et al.: Persistent erectile dysfunction in men exposed to the 5α-reductase inhibitors, finasteride, or dutasteride. PeerJ 2017;5:e3020 doi 10.7717/peerj.3020
  9. Kouidrat Y et al.: High prevalence of erectile dysfunction in diabetes: a systematic review and meta-analysis of 145 studies. Diabet Med 2017; online 18. Juli doi10.1111/dme.13403
  10. Abdul Sultan A, Mallen C, Hayward R et al.: Gout and subsequent erectile dysfunction: a population-based cohort study from England. Arthritis Res Ther. 2017 Jun 6;19(1):123. doi: 10.1186/s13075-017-1322-0.
  11. Okamoto T et al.: The Relationship Between Gait Function and Erectile Dysfunction: Results from a Community-Based Cross-Sectional Study in Japan. J Sex Med 2019; https://doi.org/10.1016/j.jsxm.2019.08.018
  12. Maalmi H, Herder C, Bönhof G, Strassburger K, Zaharia OP, Rathmann W, Burkart V, Szendroedi J, Roden M, Ziegler D, GDS-Group: Differences in the prevalence of erectile dysfunction between novel subgroups of recent-onset diabetes. Diabetologia 2022; 65(3):552-562. doi: 10.1007/s00125-021-05607-z4
  13. Kaynar M et al.: Tip of the iceberg: erectile dysfunction and COVID-19. Int J Impot Res 2022;34:152–157; https://doi.org/10.1038/s41443-022-00540-0
  14. Belladelli F et al.: The Association Between Insomnia, Insomnia Medications, and Erectile Dysfunction. Eur Urol Focus 2023; https://doi.org/10.1016/j.euf.2023.08.005
  15. Huangfu Z et al.: A Mendelian randomization study on causal effects of Leisure sedentary behavior on the risk of erectile dysfunction. Andrology 2024; https://doi.org/10.1111/andr.13611
     
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