Ursachen
Brustdrüsenvergrößerung (Gynäkomastie)

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Wachstum und Differenzierung der männlichen Brustdrüse wird durch Östradiol über Östrogenrezeptoren stimuliert. Inhibierend wirkt Testosteron über Androgerezeptoren.

Die echte Gynäkomastie wird durch eine übermäßige Östrogenwirkung bzw. eine gestörte Balance zwischen Androgen- und Östrogenangebot bzw. -wirkung ausgelöst. Dabei kommt es zu einer meist beidseitig auftretende Hypertrophie der männlichen Brustdrüse. Davon zu unterscheiden ist die Pseudo-Gynäkomastie, die durch eine Lipomastie (Fettgeschwulst) (einseitig) oder durch Adipositas (Fettsucht) (beidseitig) bedingt ist, auftritt. Des Weiteren gibt es die Lipo-Gynäkomastie als Mischtyp.

Das Brustdrüsenwachstum der echten Gynäkomastie ist ein proliferierender Prozess, der im Verlauf in ein irreversibles Stadium der Fibrosierung (krankhafte Vermehrung des Bindegewebes) übergehen kann.

In ca. 50 % der pathologischen Gynäkomastie liegt eine idiopathische Gynäkomastie vor.

Ätiologie (Ursachen) der echten Gynäkomastie

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern
    • Genetische Erkrankungen
      • Klinefelter-Syndrom  genetische Erkrankung mit meist sporadischem Erbgang: numerische Chromosomenaberration (Aneuploidie) der Geschlechtschromosomen (Gonosomen-Anomalie), die nur bei Jungen bzw. Männern auftritt; in der Mehrzahl der Fälle durch ein überzähliges X-Chromosom (47, XXY) gekennzeichnet; klinisches Bild: Großwuchs und Hodenhypoplasie (kleiner Hoden), bedingt durch einen hypogonadotropen Hypogonadismus (Keimdrüsenunterfunktion); hier meist spontaner Pubertätsbeginn, jedoch schlechter Pubertätsfortschritt 
      • McCune-Albright-Syndrom (MAS)  zählt zu den neurokutanen Syndromen; klinische Trias: fibröse Knochendysplasie (FD), Café-au-lait-Flecken der Haut (CALF; hellbraune, gleichmäßige Hautflecken unterschiedlicher Größe) und Pubertas praecox (PP; vorzeitiges Einsetzen der Pubertät); später Endokrinopathien mit Überfunktion auftretend, z. B. Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion) und vermehrte Ausschüttung von Wachstumshormon, Cushing-Syndrom und renaler Phosphatverlust
  • Kindheit: Die Gynäkomastie ist in dieser Lebensphase weit verbreitet und verschwindet üblicherweise spontan in der Regel während des ersten Lebensjahres (physiologische Gynäkomastie: ca. 90 % der männlichen Neugeborenen = Neugeborenengynäkomastie).
  • Hormonelle Faktoren
    • Pubertät (Pubertätsgynäkomastie; pubertäre Gynäkomastie; Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) im Alter von 14 Jahren 60 %; bildet sich spontan innerhalb von 2 bis 3 Jahren zurück)
    • im Alter durch zunehmendes Körperfett und starke Aromataseaktivität

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Alkoholabusus (Alkoholabhängigkeit)
  • Drogenkonsum
    • Amphetamine
    • Cannabis (Haschisch und Marihuana)
    • Heroin
    • Methadon
  • Gebrauch von Lavendel-/Teebaumöl-haltigen Shampoos, Seifen, Lotions, Balsams, Gels etc. führen bei präpubertären Jungen zur Gynäkomastie; Ursache: Inhaltsstoffe haben eine östrogenartige Wirkung [1]
    • Eucalyptol, Terpin-4-ol, Dipenten/Limonen und Alpha-Terpineol waren sowohl in Lavendel- als auch in Teebaumölen enthalten
    • Linalylacetat, Linalool, Alpha-Terpinen und Gamma-Terpinen waren in einem der beiden Mittel enthalten

Krankheitsbedingte Ursachen

Angeborene Fehlbildungen, Deformitäten und Chromosomenanomalien (Q00-Q99)

  • Klinefelter-Syndrom (s. u. "Biographische Ursachen")
  • Kryptorchismus (Fehlen von einem oder beider Hoden im Skrotum (nicht tastbar) oder der Hoden hat eine intraabdominelle Lage (Retentio testis abdominalis; Bauchhoden) oder ist nicht vorhanden (Anorchie)), verbunden mit einem Hypogonadismus (Keimdrüsenunterfunktion)
  • McCune-Albright-Syndrom (MAS) (s. u. "Biographische Ursachen")
  • Reifenstein-Syndrom – genetisch bedingte Erkrankung (s.o. unter partielle Androgenresistenz)
  • Pseudohermaphroditismus – Zustände, bei denen das chromosomale Geschlecht und das gonadale Geschlecht (die die inneren Genitalien bestimmen) nicht mit dem genitalen Geschlecht (den äußeren Genitalien) sowie den sekundären Geschlechtsmerkmalen übereinstimmen

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Androgeninaktivitätssyndrom
  • Akromegalie – Hypersekretion von Wachstumshormon; es kommt zu einer Größenzunahme der Körperendglieder bzw. der Akren
  • Hyperprolaktinämie – pathologische (krankhafte) Erhöhung des Prolaktinspiegels
  • Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion)
  • Hypogonadismus (Keimdrüsenunterfunktion: primärer (hypergonadotroper) Hypogonadismus; sekundärer und tertiärer (hypogonadotroper) Hypogonadismus)
  • Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion)
  • Morbus Basedow – Form der Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion), die durch eine Autoimmunerkrankung bedingt ist
  • Partielle Androgenresistenz (Synonyme: Partial androgen insensitivity syndrome, PAIS; Reifenstein-Syndrom) – genetisch bedingte Erkrankung, bei der aufgrund einer Mutation im Erbgut des erkrankten männlichen Menschen der Androgenrezeptor nur unzureichend funktioniert. Dieses führt dazu, dass das Individuum genetisch ein Mann (XY-Geschlechtschromosomen) ist, die Geschlechtsorgane männlich ausdifferenziert sind, und auch Androgene gebildet werden; der Wirkort dieser Hormone, der Androgenrezeptor, funktioniert jedoch unzureichend oder gar nicht.
    Symptome: Gynäkomastie, Hypospadie (angeborene Anomalie der Harnröhre; diese endet nicht an der Spitze der Eichel sondern abhängig von der Schwere des Grades an der Unterseite des Penis),
    Mikropenis (kleiner Penis), Azoospermie (Fehlen von Samenzellen im Samen) und/oder Kryptorchismus (Hodenhochstand) oder Leistenhoden
  • Unterernährung

Haut und Unterhaut (L00-L99)

  • Lymphadenosis cutis benigna (Bäfverstedt-Syndrom) – Auftreten knotiger oder flächenhafter Hautinfiltrate; treten nach Zeckenbiss, Verletzungen oder Virusinfektionen auf

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Venöse/lymphatische Abflussstörungen im Bereich der Brust

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • Entzündungsreaktionen im Bereich der Mamma (Brust)
  • Lepra (wg. Hodenatrophie; "Schrumpfhoden")

Leber, Gallenblase und Gallenwege – Pankreas (Bauchspeicheldrüse) (K70-K77; K80-K87)

  • Leberzirrhose – bindegewebiger Umbau der Leber, der mit Funktionseinschränkung einhergeht

Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)

  • Bronchialkarzinom (Lungenkrebs; im Rahmen eines paraneoplastischen Syndroms)
  • Gutartige Neubildungen der Mamma (Brust) wie Fibrome, Lipome, Zysten
  • Hodenkarzinom (7 % der Fälle, vor allem bei Nichtseminomen)
  • Hodentumoren (z. B. Leydig-Zell- oder Sertoli-Zell-Tumoren)
  • Hypernephrom (Nierenzellkarzinom)
  • Keimzelltumoren: Chorionkarzinome, embryonale Karzinome, Teratome
  • Leberzellkarzinom (Leberkrebs)
  • Leydig-Zelltumoren des Hodens
  • Mammakarzinom (Brustkrebs)
  • Nebennierentumor, nicht näher bezeichnet (z. B. östrogenproduzierende Nebennierenkarzinome)

Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)

  • Alkoholabusus (Alkoholabhängigkeit)

Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)

  • Chronisches Nierenversagen (chronische Niereninsuffizienz)
  • Familiäre Gynäkomastie
  • Mumps-Orchitis (mumpsbedingte Hodenentzündung), bds.

Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)

  • Verletzung der Brust, die zur Bildung eines Hämatoms (Bluterguss) führt

Medikamente

  • Antidepressiva
  • Antihypertensiva
    • ACE-Hemmer
    • Nifedipin (Calciumantagonist)
  • Antimykotika (Itraconazol)
    • Azole (Voriconazol)
    • Triazolderivate (Fluconazol)
  • Antivirale Medikamente, die bei HIV-Infektion eingesetzt werden
  • Captopril (ACE-Hemmer)
  • Cimetidin  (H2-Antihistaminikum)
  • Diazepam
  • Herzglykoside (Digitalis) – Digitoxin, Digoxin
  • Hormone
    • Anabolika (anabole Steroide
    • Androgenmissbrauch
    • Antiandrogene (Bicalutamid, Cyproteronacetat, Flutamid)/Androgendeprivation wg. fortgeschrittenem Prostatakarzinom
    • Gonadotropine
    • Östrogene; Östrogentherapie beim Prostatakarzinom (Prostatakrebs)
  • Finasterid
  • Ketoconazol (Antimykotikum)
  • Methadon (Opioid; Heroin-Ersatzstoff)
  • Metoclopramid (Antiemetikum)
  • Metronidazol (Antibiotikum)
  • Omeprazol (Protonenpumpenhemmer)
  • Penicillamin (Medikament, das bei Morbus Wilson (Kupferspeicherkrankheit) eingesetzt wird)
  • Phenytoin (Antikonvulsivum) 
  • Psychopharmaka, nicht näher bezeichnet (z. B. Diazepam, Antidepressiva, Haloperidol und antipsychotische Medikamente)
  • Spironolacton (Diuretikum)
  • Tuberkulostatika (INH) u. a.
  • Siehe auch unter Arzneimittelnebenwirkungen "Hyperprolaktinämie durch Medikamente"   

Weitere Ursachen

  • Hämodialyse (Blutreinigungsverfahren)
  • Zustand nach beidseitiger Orchiektomie (Hodenentfernung)

Ätiologie (Ursachen) der Pseudo-Gynäkomastie

Krankheitsbedingte Ursachen

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Adipositas (Fettsucht)

Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)

  • Lipom (Fettgeschwulst)
  • Fibrom (Bindegewebsgeschwulst)

Literatur

  1. Ramsey JT et al.: OR22-6 - Steroid Receptor Hormonal Actions of Lavender and Tea Tree Oil Components ENDO 2018, Session OR22 - What's New in Endocrine Disruption
     
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