Ursachen
Atrioventrikulärer Block

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Pathogenese eines AV-Blocks ist meist (50 %), wie beim Sick-Sinus-Syndrom (Sinusknotenerkrankung), chronisch degenerativen Ursprungs; dabei entsteht eine langsam progrediente Fibrose (krankhafte Vermehrung von Bindegewebe) des Erregungsleitsystems (ELS).

Die zweithäufigste Ursache eines AV-Blocks ist ischämisch-bedingt (Minderdurchblutung) (40 %), entweder durch eine ischämische Kardiomyopathie (Herzmuskelerkrankung) oder durch ein akutes Koronarsyndrom (ACS,  Acute coronary syndrome; Spektrum von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die durch den Verschluss oder die hochgradige Verengung eines Herzkranzgefäßes verursacht werden). 

Durch verschiedene Ursachen kommt es zu einem mehr oder weniger starken Ausfall des Sinusknotens (= primäres Schrittmacherzentrum des Herzens), mit der Folge, dass der AV-Knoten (Vorhof-Kammer-Knoten; sekundäres Schrittmacherzentrum des Herzens) als Ersatzsschrittmacher einspringen muss. Dadurch kann die Pumpleistung des Herzens bedrohlich abfallen.

Beim AV-Block 1.Grades kommt es zu einer verzögerten Erregungsleitung. [AV-Block 1. Grades. PQ-Zeit > 0,20 Sekunden (200 ms)]

Beim AV-Block 2. Grades unterscheidet man zwei Typen.

  • Typ Mobitz I (Wenckebach-Block): dabei kommt es intermittierend zu einer Erregungsleitungsunterbrechung mit vorheriger Verlängerung der PQ-Zeit 
  • Typ Mobitz II (Mobitz-Block): Ausbleiben einer Kammeraktion auf eine Vorhoferregung, ohne dass das PQ-Intervall zuvor verlängert gewesen sein muss; dabei kann auch regelmäßig nur jede 2., 3. oder 4. Vorhofaktion auf die Kammer übertragen werden (2:1- oder 3:1- oder 4:1-Block) [Prognose: ungünstig; Indikation zur Anlage eines permanenten Herzschrittmachers]

Beim AV-Block 3. Grades kommt zu einer vollkommenen Erregungsleitungsunterbrechung zwischen Atrium (Vorhof) und Ventrikel (Kammer). Dies führt zu einer kompletten Dissoziation von  Vorhof- und Kammerrhythmus. [Indikation zur Anlage eines permanenten Herzschrittmachers: AV-Block III° (permanent/dauerhaft oder häufig intermittierend/unterbrechend)]

Beachte: Patienten mit einem HV-Intervall s= 70 ms haben eine signifikant höhere Inzidenz an AV-Blockierungen IL und III. Grades als solche mit normaler HV-Zeit. Das HV-Intervall zeigt die Zeit zwischen der Erregung des His-Bündels (His-Spike) und der ersten Kammererregung in der Ableitung.
Bei einem HV-Intervall von > 70 msec besteht eine Schrittmacherindikation.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung – kongenitaler (angeborener) Defekt; Familienanamnese (Eltern oder Geschwister) [2]: 
    • Kinder von Vätern mit AV-Block: knapp 2-Fache Risikoerhöhung
    • Nachkommen von betroffenen Müttern: 2,2-Fache
    • Geschwister von Patienten mit der Erkrankung: 3,5-Fache
  • Lebensalter – höheres Alter (Hazard Ratio pro 5-Jahres-Abschnitt: 1,34) [1]

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Körperliche Aktivität
    • Sportler (erhöhter Parasympathikotonus; meist  AV-Block I. Grades oder ein schwach ausgeprägter AV-Block II. Grades)

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Akutes Koronarsyndrom (ACS,  Acute coronary syndrome; Spektrum von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die durch den Verschluss oder die hochgradige Verengung eines Herzkranzgefäßes verursacht werden)
  • Akutes rheumatisches Fieber – entzündlich-rheumatische Systemerkrankung von Haut, Herz, Gelenk und Gehirn; Folgeerkrankung nach einer Infektion mit β-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A
  • Chronische Herzinsuffizienz (Herzschwäche) (Hazard Ratio 3,33) [1]
  • Hypertonie (Bluthochdruck) – systolischer Blutdruck (Hazard Ratio 1,22) [1]
  • Ischämische Kardiomyopathie (Herzmuskelerkrankung, die mit einer Minderdurchblutung des Herzmuskels einhergeht)
  • Koronarspasmus – Verkrampfung der Herzkranzgefäße; spontan bei Prinzmetal-Angina (Synonym: Variantangina oder vasospastische Angina), das ist eine Angina pectoris mit und ohne Koronarstenose, des Weiteren mechanisch durch die Katheterspitze, das heißt ein induzierter Koronarspasmus bei der Koronarangiographie (radiologisches Verfahren, das mit Hilfe von Kontrastmitteln das Lumen (Innenraum) der Koronararterien (Arterien, die kranzförmig das Herz umgeben und den Herzmuskel mit Blut versorgen) sichtbar macht)
  • Lenègre-Erkrankung – angeborene degenerative Erkrankung des Erregungsleitungssystems des Herzens. Die erworbene Form durch mechanische Verletzung wird Lev-Erkrankung genannt
  • Lev-Erkrankung – degenerative Erkrankung des Erregungsleitungssystems des Herzens
  • Lyme-Borreliose mit kardialer Beteiligung (Karditis/Lyme-Karditis; AV-Block) – durch Zecken übertragene Infektionskrankheit; Komplikation kann innerhalb weniger Tage bis Monate nach einem Zeckenstich auftreten; Karditis-Rate liegt in Europa bei ca. 1 %
  • Mononukleose (Synonyme: Pfeiffer'sches Drüsenfieber, infektiöse Mononukleose, Mononucleosis infectiosa, Monozytenangina oder Kusskrankheit, (Student's) Kissing Disease, genannt) – häufige Viruserkrankung, die durch das Epstein-Barr-Virus hervorgerufen wird; dieses befällt Lymphknoten, kann aber auch Leber, Milz und Herz betreffen
  • Myokardinfarkt (Herzinfarkt) (Hazard Ratio 3,54) [1]
  • Myokarditis (Herzmuskelentzündung)
  • Neoplasien (bösartige Gewebeneubildungen)
  • Sarkoidose (Synonyme: Morbus Boeck; Morbus Schaumann-Besnier) – systemische Erkrankung des Bindegewebes mit Granulombildung (Haut, Lunge und Lymphknoten)

Labordiagnosen – Laborparameter, die als unabhängige Risikofaktoren gelten

  • Nüchternglucose (Nüchternblutzucker) ↑ (Hazard Ratio 1,22) [1]

Medikamente

  • Antiarrhythmika
    • Ia-Antiarrhythmika (Ajmalin, Chinidin, Disopyramid, Prajmalin)
    • Ic-Antiarrhythmika (Flecainid, Propafenon)
    • Klasse II-Antiarrhythmika (Betablocker: Atenolol, Bisoprolol, Metoprolol, Propranolol)
    • Klasse IV-Antiarrhythmika (Diltiazem, Verapamil)
    • Weitere Antiarrhythmika (Adenosin, Digitalis)
  • Calciumkanalblocker
    • Dihydropyridine (Diltiazem)
    • Benzothiazepine (Verapamil)

Operationen

  • Ethanolablation des Ventrikelseptums (Transcoronary ablation of septal hypertrophy, TASH) bei hypertropher obstruktiver Kardiomyopathie 
  • Herzchirurgische Eingriffe
  • Implantation eines Device, das Druck auf die AV-Knoten-Region ausüben kann
  • Interventioneller Aortenklappenersatz ("transcatheter aortic valve implantation", TAVI)
  • Katheterablation einer AV-Knoten-Reentrytachykardie (AVNRT; Risiko 0,2 bis 0,5 %)

Weiteres

  • Schlaf (erhöhter Parasympathikotonus; meist  AV-Block I. Grades oder ein schwach ausgeprägter AV-Block II. Grades)

Literatur

  1. Kerola T et al.: Risk Factors Associated With Atrioventricular Block JAMA Netw Open. 2019;2(5):e194176. doi:10.1001/jamanetworkopen.2019.4176
  2. Dyssekilde JR et al.: Familial risk of atrioventricular block in first degree relatives. Heart 2022; https://doi.org/10.1136/heartjnl-2021-320411
     
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