Porphyrien – Labordiagnostik
Akute intermittierende Porphyrie (AIP)
Laborparameter 1. Ordnung – obligate Laboruntersuchungen
- Qualitativer Urintest auf Porphobilinogen (PBG) – bei positivem Befund: quantitative Bestimmung von Porphobilinogen (PBG) und Delta-Aminolävulinsäure (ALA)/5-Aminolävulinsäure (5-ALA)
- Akute intermittierende Porphyrie (AIP) (akute Porphyrie)
- Urinfärbung an der Luft – Rotfärbung als Hinweis auf akute Porphyrie
- Aktivität der Porphobilinogen-Desaminase (PBG-D) und Delta-Aminolävulinsäure-Desaminase (ALA-D) in Erythrozyten (rote Blutzellen)
- Ehrlich-Aldehydprobe (Ehrlich-Test) – Rotfärbung nach Zugabe von 1 Tropfen Urin zu 1 ml Ehrlich-Reagenz spricht für AIP
- Analyse der Stuhlporphyrine – fäkales Koproporphyrin ↑ spricht für hereditäre Koproporphyrie (erbliche Koproporphyrie)
- Porphyria cutanea tarda (PCT) (späte Hautporphyrie)
- Porphyrinkonzentrationen in Urin und Plasma ↑
- Isokoproporphyrin im Stuhl – pathognomonisch
- Optional: Leberbiopsie (Gewebeentnahme der Leber)
- Erythropoetische Protoporphyrie (EPP) (erythropoetische Porphyrie)
- Bestimmung des freien Protoporphyrins im Heparin-Blut
- Elektrolyte – Calcium, Chlorid, Kalium, Magnesium, Natrium, Phosphat
- Leberparameter – Bilirubin, Alanin-Aminotransferase (ALT, GPT), Aspartat-Aminotransferase (AST, GOT), Gamma-Glutamyl-Transferase (Gamma-GT, GGT)
- Nierenparameter – Harnstoff, Kreatinin
- Genetische Diagnostik (Gentest) zur Typisierung der Porphyrie
- Ggf. genetische Testung (Gentest) zur Risikoabschätzung bei Angehörigen
Laborparameter 2. Ordnung – in Abhängigkeit von den Ergebnissen der Anamnese, der körperlichen Untersuchung und den obligaten Laborparametern – zur differentialdiagnostischen Abklärung
- Ausschluss anderer Ursachen akuter abdomineller Schmerzsyndrome
- Amylase
- Lipase
- Lactat
- Ausschluss infektiöser oder entzündlicher Ursachen
- CRP
- BSG
- Ausschluss metabolischer oder endokriner Krisen
- Glucose
- Schilddrüsenparameter – TSH, fT3, fT4
- Abklärung neurologischer Symptome
- Natrium
- Magnesium
- Differentialdiagnostik photosensibler Dermatosen
- Autoimmunserologien – ANA, ENA
- Zink-Protoporphyrin
- Toxikologische Einflüsse/medikamentöse Trigger
- Medikamentenspiegel, sofern verfügbar
- Ammoniak
Screening auf Porphyrie
Im Folgenden erhalten Sie die evidenzbasierte Übersicht, wie ein Screening korrekt durchgeführt wird.
1. Screening-Test der ersten Stufe (Notfall-/Basisdiagnostik)
Qualitativer Urintest auf Porphobilinogen (PBG)
Dies ist der wichtigste Screeningtest.
- Material: frischer Urin (möglichst während einer Attacke)
- Methode: Schnelltest/qualitativer PBG-Test
- Aussage:
- PBG positiv → Verdacht auf akute Porphyrie hoch
- PBG negativ → eine akute Attacke ist sehr unwahrscheinlich
Dieser Test ist so sensitiv, dass er bei allen akuten Porphyrien in der Attacke klar positiv wird.
Hinweis: Wenn dieser qualitative Test negativ ist, ist eine akute Porphyrie als Ursache eines akuten Abdomens oder akuter neuroviszeraler Symptome nahezu ausgeschlossen.
2. Screening-Parameter der zweiten Stufe (Bestätigung, quantitative Tests)
Wenn der qualitative Test positiv ist, folgt sofort:
Quantitative Bestimmung von PBG und ALA
- Porphobilinogen (PBG)
- Delta-Aminolävulinsäure (ALA)
Typische Befunde bei akuten Attacken:
- PBG: mindestens 5-fach erhöht
- ALA: ebenfalls stark erhöht
3. Erweiterte Screening-Schritte
(Sinnvoll, wenn unklarer Verdacht besteht)
Ehrlich-Aldehydprobe
- Urin + Ehrlich-Reagenz → Rotfärbung spricht für akute Porphyrie
- Gut als schneller Vor-Ort-Test
Urinfarbe an der Luft
- Nach einigen Minuten dunkelrot → Hinweis auf Porphyrinvorstufen
- Nur interpretierbar, wenn frisch und nicht kontaminiert
4. Screening auf kutane Porphyrien (z. B. PCT, EPP)
Plasmafluoreszenz (Plasma-Porphyrine)
- Charakteristisches Fluoreszenzmaximum je nach Porphyrieform
- Sehr hohe Sensitivität für PCT, VP, HCP
Stuhlporphyrine
- Nützlich bei:
- hereditäre Koproporphyrie (hohes Koproporphyrin)
- Variegate-Porphyrie
- PCT (Isokoproporphyrin pathognomonisch)
5. Screening bei unklarer klinischer Situation
(Z. B. neuropsychiatrische Symptome + Hyponatriämie + Bauchschmerzen)
Folgende Minimaldiagnostik reicht als Akut-Screening:
- Urin-PBG (qualitativ)
- Urin-PBG (quantitativ, wenn möglich)
- Urin-ALA
- Elektrolyte (insbesondere Natrium)
- Kreatinin
- Leberwerte
6. Genetisches Screening
(nicht in der Akutsituation, aber zur Risikostratifikation)
- Nachweis der für AIP, PCT, EPP typischen Genmutationen möglich
- Dient der Bestätigung nach positiver Biochemie
- Wichtig für Angehörige
7. Was kein Screening ist
Diese Tests taugen nicht als Screening und führen zu Fehldiagnosen, wenn man sie als solche interpretiert:
- Serum-Porphyrine ohne klinischen Kontext
- Metallanalysen
- Vollblut-Porphyrine (außer bei EPP)
- unspezifische Empfehlungen wie „Leberwerte testen“
Kurzversion für den klinischen Alltag
Akutes Screening:
- Urin-PBG (qualitativ) → wenn positiv:
- PBG und ALA quantitativ
Kutanes Screening:
- Plasmafluoreszenz
- Stuhlporphyrine
Red Flags (Warnzeichen) bei akuter intermittierender Porphyrie (AIP)
- Neu auftretende schwere, kolikartige Bauchschmerzen ohne klare organische Ursache
- Rasch progrediente neuromuskuläre Schwäche (z. B. proximale Parese (Muskellähmung))
- Hyponatriämie bei neurologischen Symptomen (Verwirrtheit, Krampfanfälle)
- Dunkelrot verfärbter Urin im Rahmen einer akuten Attacke
- Motorische Axonopathie (Nervenschädigung), Atemmuskelschwäche, drohendes respiratorisches Versagen (Atemversagen)
- Akute psychotische Symptome (Psychose), Agitation (starke Unruhe), Halluzinationen (Sinnestäuschungen)
- Tachykardie (Herzrasen), Bluthochdruckkrise, autonome Dysregulation (Störung des vegetativen Nervensystems)
- Kombination aus Bauchschmerzen + neurologischen Defiziten + rot verfärbtem Urin