Sympathikusblockade – Verfahren, Behandlungsmöglichkeiten und Ansätze bei chronischen Schmerzen

Die Sympathikusblockade ist ein interventionelles Verfahren der Regionalanästhesie (örtlichen Betäubung) zur reversiblen oder neurolytischen Ausschaltung sympathischer Nervenfasern (vegetativer Nervenfasern). Eingesetzt wird sie vor allem bei chronischen Schmerzsyndromen mit sympathischer Komponente – z. B. beim komplex-regionalen Schmerzsyndrom (CRPS, Schmerzsyndrom mit Durchblutungsstörung) – sowie bei viszeralen Tumorschmerzen (Bauchorgan-Schmerzen) und Durchblutungsstörungen. Neben dem therapeutischen Nutzen besitzt die Blockade auch diagnostischen Wert.

Zielsetzung

  • Reduktion sympathisch unterhaltener Schmerzen (sympathetically maintained pain – SMP, Schmerzen mit Beteiligung des vegetativen Nervensystems)
  • Durchbrechung pathophysiologischer Reflexkreise im vegetativen Nervensystem (unwillkürlicher Steuerung von Durchblutung und Schmerz)
  • Verbesserung der Mikrozirkulation (Durchblutung der kleinsten Gefäße) bei ischämischen Extremitätenschmerzen (durchblutungsbedingte Schmerzen der Gliedmaßen)
  • Palliativmedizinische Schmerztherapie (lindernde Schmerzbehandlung) bei viszeralen Tumorerkrankungen (Krebs der Bauchorgane)
  • Testverfahren vor invasiven Maßnahmen – z. B. Rückenmarksstimulation (elektrische Reizung des Rückenmarks zur Schmerzlinderung)

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Komplex-regionales Schmerzsyndrom (CRPS Typ I und II, chronisches Schmerzsyndrom nach Verletzungen)
  • Chronisch ischämische Extremitätenschmerzen – z. B. bei pAVK (periphere arterielle Verschlusskrankheit, Durchblutungsstörung), Morbus Raynaud (Kälte-bedingte Gefäßkrämpfe), Thromboangiitis obliterans (Gefäßentzündung)
  • Viszerale Tumorschmerzen – z. B. bei Pankreaskarzinom (Bauchspeicheldrüsenkrebs), Gallengangs- oder Rektumkarzinom (Enddarmkrebs)
  • Chronische viszerale Schmerzsyndrome – z. B. bei Endometriose (Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutter), chronischer Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung)
  • Hyperhidrosis – bei therapierefraktären Fällen (krankhaftes Schwitzen ohne Wirkung konservativer Therapien)
  • Chronische Beckenschmerzen – z. B. postoperativ, postradiogen oder tumorbedingt
  • Phantomschmerzen – insbesondere bei initialer Beteiligung des vegetativen Nervensystems

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

Absolute Kontraindikationen

  • Nicht kompensierte Koagulopathien (Gerinnungsstörungen) – z. B. INR > 1,5, Thrombozyten < 50.000/µl
  • Akute lokale Infektionen an der Punktionsstelle
  • Allergie gegen verwendete Substanzen (Lokalanästhetika, Alkohol, Phenol)
  • Fehlen der Einwilligungsfähigkeit ohne gesetzliche Vertretung

Relative Kontraindikationen

  • Instabile Kreislaufsituation – z. B. Schockzustände
  • Anatomische Veränderungen – z. B. postoperativ, Tumorinfiltration
  • Schwangerschaft – insbesondere bei geplanter Neurolyse (dauerhafte Ausschaltung)
  • Vorbestehende neurologische Defizite (Nervenschäden) im Zielareal

Vor der Behandlung

  • Aufklärung des Patienten – über Nutzen, Risiken und Alternativen
  • Anamnese und klinische Untersuchung – insbesondere Gefäß- und neurologischer Status (Durchblutung, Nervensystem)
  • Laborparameter – Kontrolle der Gerinnung (INR, Quick, Thrombozytenzahl)
  • Bildgebende Planung – z. B. CT (Computertomographie) bei tief gelegenen Zielstrukturen
  • Evaluierung der Symptomatik – Dokumentation des Ausgangszustands (VAS, Thermografie, Hautdurchblutung)
  • Ausschluss akuter Kontraindikationen

Das Verfahren

Technik

  • Auswahl der Zielstruktur abhängig von Schmerzlokalisation und zugrunde liegender Erkrankung
  • Punktionsnadel unter Bildgebung (CT, Fluoroskopie [Röntgendurchleuchtung], ggf. Ultraschall) positionieren
  • Injektion:
    • Diagnostisch: Lokalanästhetikum (z. B. Bupivacain 0,25-0,5 %)
    • Therapeutisch: ggf. Serieninjektionen
    • Neurolytisch: Alkohol 95-100 % oder Phenol 5-10 %

Zielstrukturen (Beispiele)

  • Ganglion stellatum – CRPS oberer Extremität, Hyperhidrosis
  • Lumbale Ganglien (L2–L4) – CRPS unterer Extremität, ischämische Schmerzen
  • Plexus coeliacus – viszerale Oberbauchschmerzen, Pankreaskarzinom
  • Plexus hypogastricus superior – Beckenschmerzen, gynäkologische Tumoren

Mögliche Komplikationen

  • Lokale Komplikationen – Hämatom (Bluterguss), Abszess (Eiteransammlung), Infektion
  • Fehlinjektionen – intravaskulär (in ein Gefäß), intrathekale Verlagerung (in den Rückenmarkskanal)
  • Vegetative Reaktionen – Hypotonie (niedriger Blutdruck), Bradykardie (langsamer Puls), Synkope (Ohnmacht)
  • Nervale Läsionen – Parästhesien (Missempfindungen), Radikulopathien (Nervenwurzelreizungen), transiente Paresen (vorübergehende Lähmungen)
  • Spezifisch je nach Lokalisation:
    • Horner-Syndrom (Lid- und Pupillenveränderung) bei zervikaler Blockade
    • Diarrhö (Durchfall) nach Plexus-coeliacus-Blockade
    • Harnverhalt (fehlende Blasenentleerung) bei lumbaler oder hypogastrischer Blockade
  • Allergische Reaktionen – sehr selten

Nach der Behandlung

  • Klinische Kontrolle – neurologischer Status, Kreislaufüberwachung
  • Dokumentation des Effekts – z. B. Temperaturveränderung, VAS (Visuelle Analogskala), Beweglichkeit
  • Frühzeitige Mobilisation bei Extremitätenblockaden
  • Festlegung des weiteren Vorgehens:
    • bei Ansprechen: Wiederholung / Eskalation (z. B. Neurolyse)
    • bei Nichtansprechen: Umstellung der Strategie
  • Aufklärung über mögliche Spätfolgen (z. B. vegetative Dysregulation, Komplikationen bei Wiederholung)

Diagnostischer Nutzen

  • Beurteilung der Schmerzkomponente – SMP vs. SIP (sympathisch unabhängiger Schmerz)
  • Evaluation vor invasiven Eingriffen – z. B. Rückenmarksstimulation
  • Voraussage des Therapieerfolgs bei Neurolyse

Langzeitwirkungen und therapeutische Bewertung

  • CRPS – Serienblockaden mit signifikanter Reduktion sympathisch unterhaltener Schmerzen
  • Tumorbedingte viszerale Schmerzen – Plexus-coeliacus- oder hypogastricus-Blockade als palliativmedizinischer Standard
  • Ischämiesyndrome – symptomatische Verbesserung bei fehlender Revaskularisierungsoption
  • Hyperhidrosis – thorakale Blockade mit hoher Erfolgsrate, ggf. als Alternative zur Sympathektomie (chirurgische Entfernung von Nerven)