Akutschmerztherapie – Verfahren, Wirkstoffe, Dosierungen und Nebenwirkungen

Die Akutschmerztherapie umfasst alle therapeutischen Maßnahmen zur Linderung von Schmerzen mit plötzlichem Beginn und begrenzter Dauer. Ziel ist es, eine suffiziente Analgesie (wirksame Schmerzbehandlung) zu erreichen, die Mobilisation und Rehabilitation zu fördern sowie die Chronifizierung (dauerhafte Schmerzverfestigung) zu verhindern. Sie basiert auf einem individuellen, schmerzadaptiven und interdisziplinären Konzept, das pharmakologische (medikamentöse), interventionelle und nichtmedikamentöse Maßnahmen kombiniert.

Zielsetzung

  • Rasche und suffiziente Schmerzreduktion
  • Vermeidung von Schmerzhyperalgesie (übersteigerter Schmerzempfindlichkeit) und Chronifizierung
  • Sicherstellung von Mobilität, Atemfunktion und Schlaf
  • Reduktion stressinduzierter Nebenwirkungen – z. B. Tachykardie (Herzrasen), Hypertonie (Bluthochdruck), Immunsuppression (Schwächung der Immunabwehr)
  • Förderung von Heilungsverlauf und Patientenzufriedenheit

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Postoperative Schmerzen
  • Traumatische Schmerzen – z. B. Frakturen (Knochenbrüche), Verbrennungen, Weichteilverletzungen
  • Akute viszerale Schmerzen – z. B. Nieren- oder Gallenkolik
  • Myokardinfarkt (Herzinfarkt) und andere akute Ischämiesyndrome (Durchblutungsstörungen)
  • Akute Exazerbation chronischer Schmerzen
  • Schmerzkrisen bei Tumorerkrankungen
  • Geburtsschmerz (nicht thematisiert in diesem Artikel)

Vorgehen

  • Schmerzerfassung mittels VAS/NRS (visuelle Analogskala / numerische Ratingskala), Differenzierung nach Schmerztyp (somatisch, viszeral, neuropathisch)
  • Therapie nach WHO-Stufenschema, angepasst an Schmerzintensität und -qualität
  • Multimodale Kombination von Substanzen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen
  • Regelmäßige Evaluation und Dosisanpassung

Medikamentöse Therapie – Wirkstoffe mit Dosierung, Wirkmechanismus und Nebenwirkungen

Nichtopioidanalgetika

Wirkstoff Dosierung (Erwachsene) Wirkmechanismus Häufige Nebenwirkungen
Paracetamol 500–1000 mg alle 6 h, max. 4 g/Tag i.v./p.o. Zentrale COX-Hemmung, analgetisch, antipyretisch Hepatotoxizität (Leberschädigung) bei Überdosierung, selten Exantheme (Hautausschlag)
Metamizol 500–1000 mg alle 6–8 h, max. 4 g/Tag i.v./p.o. Nicht eindeutig geklärt, COX-Hemmung, Spasmolyse Agranulozytose (Abfall der weißen Blutkörperchen, selten), Hypotonie (niedriger Blutdruck), allergische Reaktion
Ibuprofen 400–600 mg alle 6–8 h, max. 2,4 g/Tag p.o. COX-1/2-Hemmung, analgetisch, antiphlogistisch, antipyretisch GI-Ulzera (Magengeschwüre), Nephrotoxizität (Nierenschädigung), kardiovaskuläre Risiken (z. B. Herzinfarkt)
Diclofenac 75 mg i.m./i.v., 2–3×/Tag, max. 150 mg/Tag COX-1/2-Hemmung, peripher analgetisch und antiphlogistisch GI-Blutungen, Ödeme (Wassereinlagerungen), erhöhtes KHK-Risiko (Herzinfarktrisiko)

Opioidanalgetika (Stufe II/III nach WHO)

Wirkstoff Dosierung (i.v./s.c./p.o.) Wirkmechanismus Häufige Nebenwirkungen
Tramadol 50–100 mg p.o./i.v. alle 6–8 h, max. 400 mg/Tag µ-Agonist, hemmt Serotonin-/Noradrenalin-Reuptake Übelkeit, Schwindel, Krampfanfälle, Serotonin-Syndrom
Piritramid 7,5–15 mg i.v. alle 4–6 h, Bedarfsgabe Reiner µ-Opioid-Agonist Sedierung (Beruhigung), Atemdepression (Atemverlangsamung), Übelkeit
Morphin 2,5–10 mg s.c./i.v. alle 4–6 h µ-Opioidrezeptor-Agonist Obstipation (Verstopfung), Atemdepression, Pruritus (Juckreiz), Übelkeit
Oxycodon 5–10 mg p.o. alle 6–8 h, retardiert 10–20 mg alle 12 h µ-/κ-Agonist Obstipation, Sedierung, Atemdepression
Fentanyl 0,05–0,1 mg i.v. alle 1–2 h, als Bolus oder PCA Hochpotenter µ-Agonist Atemdepression, Bradykardie (langsamer Herzschlag), Thoraxrigidität (Brustmuskelverkrampfung)

Koanalgetika / Adjuvanzien

Wirkstoff Dosierung Wirkmechanismus Häufige Nebenwirkungen
Dexamethason 4-8 mg i.v. 1×/Tag Antiphlogistisch (entzündungshemmend), antiödematös (abschwellend), antinauseal (gegen Übelkeit) Hyperglykämie (Blutzuckeranstieg), Unruhe, Infektanfälligkeit
Clonidin 75-150 µg i.v. oder als Zusatz zur Regionalanästhesie α2-Agonist, spinal analgetisch, sedierend Bradykardie (langsamer Puls), Hypotonie, Sedierung
Ketamin (off-label bei Akutschmerz) 0,1-0,3 mg/kg KG i.v. als Bolus oder Perfusor NMDA-Antagonist, antihyperalgetisch, analgetisch Dissoziation (Entfremdungsgefühl), Halluzinationen, Übelkeit

Regionalanästhesieverfahren

  • Periphere Nervenblockaden – z. B. Plexus brachialis (Arm), Femoralis-, Ischiadicusblock (Bein)
  • Zentralnervöse Blockaden – Spinal-/Periduralanästhesie mit Zusatz von Lokalanästhetika und Opioiden
  • Lokal verwendete Substanzen:
    • Bupivacain 0,25-0,5 %: lang wirksam, 2–5 ml pro Nervenstruktur
    • Ropivacain 0,2-0,5 %: geringere Kardiotoxizität (Herzschädigung) als Bupivacain
    • Adjuvanzien: Clonidin, Dexamethason, Morphin

Mögliche Komplikationen

  • Medikamentös: Atemdepression, Nausea/Emesis (Übelkeit/Erbrechen), Delir, Obstipation, allergische Reaktionen
  • Invasiv: Hämatome (Blutergüsse), Infektion, Nervenläsion, Lokalanästhetika-Intoxikation (LAST)
  • Organisch: Kreislaufinstabilität, Retention (Harnverhalt), gastrointestinale Nebenwirkungen

Nach der Behandlung

  • Regelmäßige Reevaluation – Erfassung von Wirkung, Nebenwirkung, Sedierungsgrad
  • Schmerztagebuch / VAS-Dokumentation
  • Wechsel auf orale Medikation bei klinischer Stabilisierung
  • Prävention chronischer Schmerzsyndrome – Frührehabilitation, psychologische Unterstützung, Schulung
  • Interdisziplinäre Nachsorge – Hausarzt, Physiotherapie, ggf. Schmerzambulanz

Diagnostischer Nutzen

  • Differenzierung Schmerztyp – somatisch, viszeral, neuropathisch
  • Beurteilung von Therapieansprechen und Nebenwirkungsprofil
  • Aufdeckung psychogener Schmerzanteile bei Diskrepanz zwischen Befund und Schmerzerleben

Langzeitwirkungen und therapeutische Bewertung

  • Effektive Akutschmerzbehandlung reduziert Komplikationen – z. B. Pneumonie (Lungenentzündung), Thrombose, Chronifizierung
  • Höhere Patientenzufriedenheit und Funktionsfähigkeit
  • Vermeidung stationärer Verlängerung
  • Senkung des Risikos postoperativer kognitiver Dysfunktionen (POCD)
  • Kostenersparnis bei strukturierten Akutschmerzdiensten

Literatur

  1. Sinatra R: Causes and consequences of inadequate management of acute pain. Pain Med. 2010;11(12):1859-1871. https://doi.org/10.1111/j.1526-4637.2010.00983.x
  2. Kehlet H, Dahl JB: The value of "multimodal" or "balanced analgesia" in postoperative pain treatment. Anesth Analg. 1993;77(5):1048-1056. https://doi.org/10.1213/00000539-199311000-00030