Drohende Frühgeburt – Prävention

Zur Prävention der drohenden Frühgeburt (vorzeitige Geburt) muss auf eine Reduktion der Risikofaktoren geachtet werden.

Verhaltensbedingte Risikofaktoren

  • Ernährung

    • Mangelernährung (unzureichende Nahrungsaufnahme) – Erhöht das Risiko für Entwicklungsstörungen und Frühgeburten.
    • Fehlernährung (unausgewogene Ernährung) – Eine unausgewogene Ernährung kann die Schwangerschaft negativ beeinflussen.
    • Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe, z. B. Vitamine und Mineralstoffe) – Insbesondere Folsäuremangel (Mangel an Folsäure, einem Vitamin) erhöht das Frühgeburtsrisiko [siehe Mikronährstofftherapie].
  • Genussmittelkonsum
    • Alkohol (> 20 g/Tag) – Kann Entwicklungsstörungen und Frühgeburten begünstigen.
    • Tabak (Rauchen) – Führt zu einer signifikanten Erhöhung des Frühgeburtsrisikos.
  • Drogenkonsum
    • Cannabis (Haschisch und Marihuana) – Anhaltender Konsum erhöht das Risiko für Frühgeburten um das Fünffache (OR 5,44; 95%-CI: 2,44-12,11) [3].
  • Körperliche Aktivität
    • Hohe körperliche Belastung (körperlich schwere Arbeit) – Kann Frühgeburten durch erhöhten intraabdominellen Druck (Bauchinnendruck) fördern.
  • Psycho-soziale Situation
    • Chronischer Stress (Dauerstress) – Beeinträchtigt die Schwangerschaft durch hormonelle Dysbalancen (Ungleichgewicht von Hormonen).
  • Körpergewicht
    • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas, starkes Übergewicht) – Führt zu einem höheren Risiko für Frühgeburten.
    • Untergewicht (zu niedriges Körpergewicht) – Erhöht ebenfalls das Risiko für Frühgeburten.

Präventionsfaktoren (Schutzfaktoren)

Zur Prävention der drohenden Frühgeburt muss auf eine Reduktion individueller Risikofaktoren geachtet werden.

  • Progesterongabe (Hormonbehandlung mit Progesteron) zur Primärprävention
    • Indikationen:
      • Einlingsschwangerschaft (Schwangerschaft mit einem Kind) nach vorangegangener Frühgeburt (16+0 bis 36+0 Schwangerschaftswochen).
      • Cervixverkürzung (verkürzter Gebärmutterhals) < 25 mm (20-22. Schwangerschaftswochen bis 36+0 Schwangerschaftswochen).
    • Effektivität: Vaginales Progesteron (90-400 mg/Tag) reduziert Frühgeburten vor der 34. Schwangerschaftswoche um 60 % und vor der 37. Schwangerschaftswoche um 70 %. Die neonatale Mortalität (Sterblichkeit von Neugeborenen) sank um 60 % [4].
    • Empfohlene Leitlinie: Tägliche Gabe von 200 mg vaginalem Progesteron bis 36+6 Schwangerschaftswochen [S2k-Leitlinie].
  • Omega-3-Fettsäuren (Docosahexaensäure, Eicosapentaensäure; mehrfach ungesättigte Fettsäuren aus Fischöl)
    • Dosis: 600-2.700 mg/Tag.
    • Beginn: Vor der 20. Schwangerschaftswoche. Evidenzbasis: systematische Übersichten/Metaanalyse [5].
  • Infektionsbezogene Prävention
    • Gezieltes Infektionsscreening (Untersuchung auf Infektionen) (v. a. bei Risikopatientinnen, z. B. Frühgeburt in der Anamnese): Identifikation und Behandlung subklinischer Infektionen (bakterielle Vaginose, sexuell übertragene Infektionen, Harnwegsinfektionen), um das Frühgeburtsrisiko zu senken.
    • Bakterielle Vaginose (Störung der Scheidenflora): Frühzeitige Behandlung kann bei Hochrisikopatientinnen das Rezidiv-/Frühgeburtsrisiko reduzieren; in Subgruppen wurde eine Überlegenheit von Clindamycin (Antibiotikum) (früh, < 21 Schwangerschaftswochen) gegenüber Metronidazol (Antibiotikum) berichtet.
    • Asymptomatische Bakteriurie/Harnwegsinfektionen (Bakterien im Urin ohne Beschwerden/Harnwegsinfekte): Screening und leitliniengerechte Therapie zur Reduktion der Pyelonephritis (Nierenbeckenentzündung); Effekt auf Frühgeburten uneinheitlich.
    • Parodontitis (Entzündung des Zahnhalteapparates): Zahnärztliche Kontrollen/Behandlung, da ein Zusammenhang mit Frühgeburt und niedrigem Geburtsgewicht besteht.
    • Molekulare Diagnostik (PCR, spezielles Nachweisverfahren für Erreger-DNA): Sensitiv für Pathogennachweis; potenziell hilfreich für eine gezieltere Therapie (Kontext: bakterielle Vaginose/sexuell übertragene Infektionen).
    • Probiotika (nützliche Bakterienpräparate): Können die Vaginalflora stabilisieren (Reduktion von Rezidiven bei bakterieller Vaginose), ein direkter präventiver Effekt auf Frühgeburt ist bislang nicht ausreichend belegt; daher keine allgemeine Empfehlung zur Primärprävention.

Sekundärprävention

Die Sekundärprävention richtet sich an Patienten mit ersten Symptomen der drohenden Frühgeburt, um eine Verschlechterung zu verhindern und gezielt zu behandeln.

  • Vaginale pH-Messung (Bestimmung des Säuregrades in der Scheide)
    • Bei einem pH-Wert > 4,4: Ansäuerung durch Lactobazillen (Milchsäurebakterien) oder lokale antibiotische Therapie (Antibiotika direkt in der Scheide) (je nach Befundkonstellation).
  • Vaginalsonographische Cervixmessung (Ultraschallmessung des Gebärmutterhalses über die Scheide)
    • Indikation: Cervixlänge (Länge des Gebärmutterhalses) ≤ 25 mm vor der 24. Schwangerschaftswoche.
    • Maßnahmen:
      • Progesteronsubstitution (Zufuhr von Progesteron): Fortsetzung bis 36+0 Schwangerschaftswochen [4], [S2k-Leitlinie].
      • Cerclage (operatives Umschließen des Gebärmutterhalses mit einem Band) oder Cervixpessar (Silikonring zur Stabilisierung des Gebärmutterhalses):
        • Pessare reduzierten Frühgeburten vor der 37. Schwangerschaftswoche um 70 % [4].
        • Cerclagen: Keine nachgewiesene Wirksamkeit zur Frühgeburtsprävention in randomisierten Studien [4].

Tertiärprävention

Die Tertiärprävention zielt darauf ab, wiederkehrende Beschwerden und mögliche Komplikationen der drohenden Frühgeburt langfristig zu minimieren.

  • Antenatale Corticosteroidprophylaxe (vorzeitige Gabe von Kortisonpräparaten) – Fördert die Lungenreifung des Fetus (ungeborenes Kind).
  • Neuroprotektion mit Magnesium (Magnesiumgabe zum Schutz des Nervensystems) – Reduziert das Risiko für kindliche Hirnschäden.
  • Verzögertes Abnabeln (spätere Abtrennung der Nabelschnur) – Verbessert die Durchblutung und senkt die Morbidität (Krankheitshäufigkeit) des Frühgeborenen.

Literatur

  1. Lachmann R, Schleussner E: Frühgeburt, Prädiktion, Prävention und Diagnostik. Gynakol Gebh 2013; 18 (4) 32-38
  2. Schleußner E.: Drohende Frühgeburt: Prävention, Diagnostik und Therapie. Dtsch Arztebl Int 2013; 110 (13): 227-36. doi: 10.3238/arztebl. 2013. 0227
  3. Leemaqz SY et al.: Maternal marijuana use has independent effects on risk for spontaneous preterm birth but not other common late pregnancy complications. doi:10.1016/j.reprotox.2016.04.021
  4. Jarde A et al.: Vaginal progesterone, oral progesterone, 17-OHPC, cerclage and pessary for preventing preterm birth in at risk singleton pregnancies: an updated systematic review and network meta-analysis. BJOG 2018; https://doi.org/10.1111/1471-0528.15566
  5. Middleton P et al.: Omega-3 fatty acid addition during pregnancy. Cochrane Database Syst Rev 2018;11:CD003402

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Prävention und Therapie der Frühgeburt. (AWMF-Registernummer: 015 - 025), Oktober 2022 Langfassung