Morbus Bechterew – Einleitung

Beim Morbus Bechterew handelt es sich um eine chronische entzündliche Erkrankung der Wirbelsäule, die zu einer Gelenksteife (Ankylose) der betroffenen Gelenke führen kann. Die Iliosakralgelenke (ISG; Kreuzbein-Darmbein-Gelenke) sind dabei typischerweise zuerst betroffen.

Synonyme und ICD-10: ankylosierende Arthritis der Wirbelsäule; ankylosierende Spondylitis (AS); Atemwegskrankheit bei Spondylitis ankylopoetica; Graves' Disease; Iridozyklitis bei Spondylitis ankylopoetica; Marie-Pierre-Krankheit; Marie-Strümpell-Spondylitis; Marie-von-Strümpell-Arthritis der Wirbelsäule; Marie-von-Strümpell-Krankheit; primäre progressive Wirbelsäulenarthritis; rheumatoide Spondylitis; rheumatoide Wirbelsäulenarthritis; Spondylarthritis ankylopoetica; Spondylitis ankylopoetica; Spondylitis ankylosans; Spondylitis ankylosans mit Lungenbeteiligung; Spondylitis atrophica ligamentosa; Spondylitis bei chronischer Polyarthritis; Spondylitis rhizomélique; Spondylosis rhizomélique; Strümpfel-Marie-Bechterew-Erkrankung; Von-Bechterew-Krankheit; Von-Bechterew-Syndrom; Von-Bechterew-von-Strümpell-Marie-Krankheit; Von-Bechterew-von-Strümpell-Marie-Syndrom; ICD-10-GM M45.09: Spondylitis ankylosans: Nicht näher bezeichnete Lokalisation

Die Erkrankung gehört zur Gruppe der seronegativen Spondyloarthritiden (SpA; Synonym: seronegative Spondylarthropathie), bei denen eine Entzündung der kleinen Wirbelgelenke (Spondylarthritis) vorliegt. Diese Erkrankungen grenzen sich gegenüber der chronischen Polyarthritis durch das Fehlen von Rheumafaktoren (= seronegativ) ab.

Morbus Bechterew (ankylosierende Spondylitis) ist der Hauptvertreter der prädominant axialen Spondyloarthitiden (axiale Spondylarthritis, (axSpa)).

Formen des Morbus Bechterew

  • Klassische ankylosierende Spondylitis
    • Betroffene leiden unter chronischen Entzündungen der Wirbelsäule und der Sakroiliakalgelenke, die zu einer fortschreitenden Versteifung der Wirbelsäule führen können.
    • Typische Symptome sind Rückenschmerzen, besonders in der unteren Wirbelsäule, die sich in Ruhe verschlimmern und durch Bewegung bessern.
  • Prädominant periphere Form
    • Bei dieser Form sind zusätzlich zu den Wirbelgelenken auch periphere Gelenke (wie Knie, Hüfte, Schulter) betroffen.
    • Diese Form kann in der frühen Krankheitsphase schwer zu diagnostizieren sein, da die Rückenschmerzen nicht im Vordergrund stehen.
  • Axiale Spondyloarthritis
    • Diese Form betrifft hauptsächlich die Achse des Körpers, also die Wirbelsäule und das Becken.
    • Die axiale Spondyloarthritis kann in eine nicht-radiographische axiale Spondyloarthritis (ohne sichtbare Veränderungen im Röntgenbild) und eine radiographische axiale Spondyloarthritis (mit sichtbaren Veränderungen im Röntgenbild) unterteilt werden.
  • Nicht-radiographische axiale Spondyloarthritis
    • Diese Form betrifft die Wirbelsäule und das Becken, zeigt jedoch keine sichtbaren Veränderungen im Röntgenbild.
    • Es können jedoch Veränderungen im MRT sichtbar sein.
    • Diese Form kann als Vorstufe zur klassischen ankylosierenden Spondylitis angesehen werden.
  • Spondylitis ankylosans mit extraskelettalen Manifestationen
    • Patienten können zusätzlich zu den Gelenkproblemen auch an Augenentzündungen (Uveitis), Hauterkrankungen (wie Psoriasis) und Darmentzündungen (wie Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn) leiden.
  • Juvenile Spondylitis ankylosans
    • Diese Form beginnt im Kindes- oder Jugendalter.
    • Symptome ähneln denen der klassischen ankylosierenden Spondylitis, können jedoch auch periphere Gelenke stärker betreffen.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer zu Frauen beträgt 3 : 1.

Häufigkeitsgipfel: Die Erkrankung manifestiert sich meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. 

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Diese liegt bei 0,15 % in Deutschland und bis zu 1 % in Europa. Die Dunkelziffer könnte erheblich höher liegen. In Deutschland ist momentan bei etwa 150.000 Menschen die Erkrankung diagnostiziert.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Schubweise und uneinheitlich: Die Erkrankung verläuft meistens in Schüben, die durch Phasen der Verschlimmerung und Verbesserung gekennzeichnet sind. Die Schwere und Häufigkeit der Schübe kann individuell stark variieren.
  • Beteiligung der Wirbelsäule: Bei den meisten Patienten äußert sich die Erkrankung hauptsächlich in der Wirbelsäule, insbesondere im Bereich der Lendenwirbelsäule und des Kreuzbeins. Typische Symptome sind chronische Rückenschmerzen und morgendliche Steifheit.
  • Periphere Gelenkbeteiligung: In einigen Fällen können auch periphere Gelenke betroffen sein, einschließlich Hüfte, Knie und Schultern. Dies kann zu zusätzlichen Schmerzen und Bewegungseinschränkungen führen.
  • Innere Organe: Bei einigen Patienten können auch innere Organe betroffen sein, wie Augen (Uveitis), Herz (Aortitis, Aorteninsuffizienz) und Lungen (fibrotische Veränderungen).

Prognose

  • Ankylosierung: Eine vollständige Ankylosierung (knöcherne Versteifung) der Wirbelsäule ist selten. Häufiger kommt es zu einer teilweisen Versteifung, die die Beweglichkeit der Wirbelsäule einschränkt, jedoch nicht vollständig aufhebt.
  • Berufliche Tätigkeit: Trotz der Einschränkungen der Bewegungsfreiheit können die meisten Betroffenen weiterhin erwerbstätig bleiben. Anpassungen am Arbeitsplatz und ergonomische Maßnahmen können hierbei unterstützend wirken.
  • Milder Verlauf: Insbesondere bei Frauen kann der Verlauf der Erkrankung milder sein, und die Krankheit bleibt manchmal sogar unentdeckt. Dies ist teilweise auf die geringere Ausprägung der Symptome zurückzuführen.
  • Therapiemöglichkeiten: Eine Heilung der Erkrankung ist nicht möglich, jedoch kann eine adäquate Behandlung den Verlauf positiv beeinflussen. Zu den wichtigsten therapeutischen Maßnahmen gehören:
    • Pharmakotherapie: Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) zur Schmerzlinderung und Entzündungshemmung, TNF-Alpha-Hemmer und andere Biologika zur Modulation des Immunsystems.
    • Physiotherapie: Regelmäßige physiotherapeutische Übungen zur Erhaltung der Beweglichkeit und zur Vermeidung von Versteifungen.
    • Ergotherapie: Unterstützung bei der Anpassung von Alltagsaktivitäten und Arbeitsbedingungen.

Komorbiditäten

Mögliche Begleiterkrankungen sind kardiovaskuläre Erkrankungen (Herz und Gefäßerkrankungen) und Veränderung der Knochendichte (Osteopenie (Minderung der Knochendichte)/Osteoporose (Knochenschwund)).

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Axiale Spondylarthritis inklusive Morbus Bechterew und Frühformen. (AWMF-Registernummer: 060-003), November 2018 Kurzfassung Langfassung