Virtuelle Darmspiegelung (virtuelle Koloskopie)

Die Koloskopie bezeichnet die Spiegelung des Dickdarmes (Kolon) mit einem Endoskop. Dies ist ein dünnes, flexibles, schlauchförmiges Instrument mit integrierter Lichtquelle.

Die virtuelle Koloskopie
(Synonyme: CT-Koloskopie; CT-Kolonographie; CTC; engl.: Virtual colonoscopy (VC) oder CT Colonography, CT Pneumocolon) hingegen bezeichnet ein radiologisches Untersuchungsverfahren, bei dem mithilfe der Computertomographie (CT) Bilder des Kolons (Dickdarmes) angefertigt werden, die dann durch eine computergesteuerte Bearbeitung eine virtuelle Passage des Dickdarmes ermöglichen.

Die virtuelle Koloskopie kann auch mit der Magnetresonanztomographie (MRT) durchgeführt werden. Diese Methode ist bislang noch nicht so aussagekräftig wie die mittels der Computertomographie (CT) durchgeführte Untersuchung, da die Bildauflösung derzeit noch nicht ausreichend ist.

Beurteilbare Strukturen

Die virtuelle Koloskopie ermöglicht eine umfassende Beurteilung des Kolons (Dickdarm) und angrenzender Strukturen, darunter:

  • Gesamtes Kolon: Identifizierung von Polypen, Karzinomen sowie anderen Neoplasien (Neubildungen) oder Anomalien entlang des gesamten Dickdarms.
  • Rektum/Mastdarm und Rektosigmoid: Detaillierte Darstellung dieser Bereiche zur Erkennung von Erkrankungen oder Abnormalitäten.
  • Angrenzende Bauchstrukturen: Obwohl der Fokus auf dem Dickdarm liegt, können benachbarte Organe und Strukturen wie Lymphknoten, Teile des Dünndarms und gegebenenfalls das Urogenitalsystem indirekt beurteilt werden.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Darmkrebs-Screening (Darmkrebsvorsorge)
  • Darmpolypen bzw. polypöse Erkrankungen des Kolons
  • Kolonkarzinom (kolorektales Karzinom; Darmkrebs)
  • Unvollständige Koloskopie (Darmspiegelung)

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

Obwohl die virtuelle Koloskopie eine weniger invasive Alternative zur traditionellen Koloskopie darstellt, gibt es dennoch Situationen und Zustände, bei denen diese Methode nicht empfohlen oder kontraindiziert ist:

  • Akute entzündliche Darmerkrankungen: Patienten mit einem akuten Schub einer entzündlichen Darmerkrankung wie Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn sollten aufgrund des erhöhten Risikos einer Darmperforation keine virtuelle Koloskopie durchführen lassen.
  • Schwere Divertikulitis: Bei Verdacht auf eine akute Divertikulitis ist die virtuelle Koloskopie aufgrund des Risikos für eine Verschlechterung des Zustands oder einer Darmperforation kontraindiziert.
  • Große Darmperforation: Patienten mit einer bekannten oder vermuteten Darmperforation sollten keine virtuelle Koloskopie erhalten, da die Untersuchung den Zustand verschlimmern kann.
  • Schwere, akute abdominale Schmerzen: Patienten mit unklaren, schweren, akuten Bauchschmerzen sollten zunächst andere Diagnoseverfahren in Betracht ziehen, um die Ursache der Schmerzen zu identifizieren und eine mögliche Perforation oder akute Erkrankung auszuschließen.
  • Schwere Kontrastmittelallergie: Obwohl bei der virtuellen Koloskopie in der Regel kein Kontrastmittel intravenös verabreicht wird, kann bei bestimmten Protokollen oder zusätzlichen Untersuchungen eine Kontrastmittelgabe notwendig sein. Bei bekannter schwerer Allergie gegen jodhaltige Kontrastmittel sollte auf alternative Untersuchungsmethoden zurückgegriffen werden.
  • Schwangerschaft: Wegen der Strahlenexposition sollte die virtuelle Koloskopie bei schwangeren Frauen vermieden werden, es sei denn, der Nutzen überwiegt deutlich die potenziellen Risiken für den Fötus.

Vor der Untersuchung

Um optimale Ergebnisse zu erzielen, ist eine sorgfältige Vorbereitung des Patienten erforderlich:

  • Darmreinigung: Wie bei der traditionellen Koloskopie ist eine gründliche Darmreinigung notwendig, um eine klare Sicht auf die Dickdarmwand zu gewährleisten. Dies beinhaltet die Einnahme von Abführmitteln und das Befolgen einer speziellen Diät.
  • Patienteninstruktionen: Der Patient erhält Anweisungen zur Diät und zur Einnahme der Abführmittel. Zusätzliche Informationen werden zur Verhaltensweise am Untersuchungstag gegeben.
  • Medikamentöse Anpassungen: Eventuelle Anpassungen der üblichen Medikation, insbesondere von blutverdünnenden Medikamenten, sollten mit dem Arzt besprochen werden.

Das Verfahren

Prinzip der Computertomographie

Das grundlegende Prinzip der CT basiert auf der Darstellung von Dichteunterschieden der verschiedenen Gewebearten im Körper. Unterschiedliche Materialien, wie Wasser, Luft oder Knochen, weisen unterschiedliche Dichten auf, die sich in den Graustufen der erzeugten Bilder widerspiegeln. Um die Differenzierung der Gewebe weiter zu verbessern, kann ein jodhaltiges Kontrastmittel verabreicht werden. Dieses Kontrastmittel wird von gesundem und krankem Gewebe unterschiedlich schnell aufgenommen, was insbesondere bei der Erkennung von pathologischen Veränderungen wie Tumoren von Bedeutung ist.

Untersuchungstechniken und -ablauf

Die CT-Untersuchung erfolgt im Liegen. Der Patient wird auf einem Untersuchungstisch positioniert, der sich langsam durch die Öffnung des CT-Gerätes bewegt. Währenddessen rotiert die Röntgenröhre um den Patienten und erzeugt eine Vielzahl von Bildern aus unterschiedlichen Winkeln. Diese Bilder werden anschließend von einem Computer zu detaillierten Querschnittsbildern des Körpers zusammengesetzt.

Mit modernsten CT-Geräten dauert die gesamte Untersuchung nur wenige Minuten. Der eigentliche Scan-Vorgang nimmt dabei nur wenige Sekunden in Anspruch, was es dem Patienten ermöglicht, die Luft anzuhalten und Bewegungsartefakte zu vermeiden.

Multislice-Technik

Moderne CT-Geräte arbeiten im sogenannten Multislice-Verfahren. Dabei werden mehrere Schichten gleichzeitig aufgenommen. Ein 64-Zeiler beispielsweise kann 64 Schichten simultan erzeugen. Dies ist vergleichbar mit einem Rettich, der spiralförmig geschnitten wird, wobei bei der CT 64 spiralförmige Schnitte gleichzeitig erstellt und vom Computer verarbeitet werden.

Low-dose-Technik und Rekonstruktionsalgorithmen

Zur Minimierung der Strahlenbelastung arbeiten moderne CT-Geräte mit einer sogenannten Low-dose-Technik. Diese Technik reduziert die benötigte Strahlung um etwa 50 %, ohne die Bildqualität zu beeinträchtigen. Neue Rekonstruktionsalgorithmen tragen ebenfalls zur Verbesserung der Bildqualität bei und ermöglichen die Erstellung hochpräziser Aufnahmen mit einer Schichtstärke von bis zu 0,4 mm.

Bei der virtuellen Koloskopie werden vom Abdomen (Bauchraum) des Patienten CT-Bilder angefertigt. Diese werden anschließend durch ein Computerprogramm bearbeitet, sodass eine dreidimensionale Passage des Darmes zu sehen ist.

Nachteil dieser Untersuchung im Vergleich zur konventionellen Koloskopie ist, dass bei einem sichtbaren Befund zusätzlich eine konventionelle Koloskopie durchgeführt werden muss, da bei der virtuellen Form keine Intervention wie das Abtragen von Polypen durchgeführt werden kann.

Des Weiteren wird bei der virtuellen Koloskopie Röntgenstrahlung eingesetzt. Bei "low-dose"-Technik liegt die Strahlenbelastung zwischen 0,8 und 1,6 mSv (Millisievert). Zum Vergleich: Die natürliche Strahlenbelastung in Deutschland beträgt etwa 2,4 mSv pro Jahr. 

In einer Vergleichsstudie wurden bei 3.120 Patienten eine CT-Kolonographie (CTC) und bei 3.163 Patienten eine optische Koloskopie durchgeführt. Wenn bei der CTC Polypen mit einer Größe von mindestens 6 mm entdeckt wurden, erfolgten auch bei diesen Patienten eine Koloskopie (Darmspiegelung), bei denen diese "Schleimhautwucherungen" entfernt wurden. Entsprechend den Behandlungsleitlinien wurden bei denjenigen Patienten, die primär mittels Koloskopie untersucht wurden, alle entdeckten Polypen entfernt, unabhängig von deren Größe.
Fazit: In der Koloskopie-Gruppe wurden mit 2.434 entfernten Polypen mehr als viermal so viele Eingriffe vorgenommen wie in der CTC-Gruppe, in der nur in 561 Fällen Polypen entfernt wurden. Entsprechend hoch war die Komplikationsrate in der Koloskopie-Gruppe, die damit deutlich höher als in der CTC-Gruppe war (sieben Darmperforationen vs. null). David H. Kim und seine Mitarbeiter vom Department of Radiology der Universität von Wisconsin, Madison, USA empfehlen deshalb, wegen der vergleichbaren Diagnosegenauigkeit bei gleichzeitig deutlich verminderten Polypektomie- und Komplikationsraten, den Einsatz der CT-Kolonographie als Screening-Methode zur Darmkrebsvorsorge [1].

Mögliche Befunde

Mögliche Befunde der virtuellen Koloskopie umfassen:

  • Darmpolypen und Karzinome: Erkennung und Lokalisierung von prämalignen Polypen/Krebsvorstufen von Polypen und Darmkrebs.
  • Divertikulose: Nachweis von Ausstülpungen der Darmwand.
  • Entzündliche Darmerkrankungen: Hinweise auf Erkrankungen wie Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn.
  • Anomalien: Identifikation von Anomalien wie angeborenen Fehlbildungen des Dickdarms.

Nach der Untersuchung

Nach Durchführung der virtuellen Koloskopie umfassen die nachfolgenden Schritte:

  • Auswertung der Daten: Die gewonnenen CT-Bilder werden durch spezialisierte Software analysiert, um eine dreidimensionale Rekonstruktion des Kolons zu erstellen. Ein Radiologe bewertet diese Bilder hinsichtlich auffälliger Befunde.
  • Befundmitteilung: Die Ergebnisse werden dem Patienten üblicherweise von einem Arzt mitgeteilt. Bei auffälligen Befunden kann eine weitere Diagnostik oder eine konventionelle Koloskopie empfohlen werden.
  • Nachsorge: Patienten erhalten Informationen über die Bedeutung der Befunde und über die nächsten Schritte, falls eine weiterführende Untersuchung oder Behandlung notwendig sein sollte.

Literatur

  1. Kim DH, Pickhardt PJ, Taylor AJ, Leung WK, Winter TC, Hinshaw JL, Gopal DV, Reichelderfer M, Hsu RH, Pfau PR: CT colonography versus colonoscopy for the detection of advanced neoplasia. N Engl J Med. 2007 Oct 4;357(14):1403-12.